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Mein Leben als "Stiefmutter"

BRIGITTE.de-Leserin Sabine Hermsdorf ist glückliche Stiefmutter zweier Jungs - fragt sich aber manchmal, warum sie eigentlich so wenig zu melden hat.

Die Kinder mögen mich ...

„Ist doch schön, dass du dich mit den Kindern von deinem Lebensgefährten so gut verstehst!“ Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz schon gehört habe. Und ja, es ist ein Glück, das ich auch zu schätzen weiß.

Ich habe es geschafft, zu „meinen“ beiden Jungs eine freundschaftliche Beziehung aufzubauen. Der Große und ich sitzen oft bei den im 14-tägigen Rhythmus stattfindenden Besuchen in der Küche und reden über alles Mögliche, von „Jordan“- Schuhen und unmöglichen Lehrern bis hin zum Scooten in der Halfpipe.

Mit dem Kleinen gibt es neben Diskussionen, ob „Max der Bagger“ cooler in Orange oder Gelb aussieht, einige Kuscheleinheiten. Zudem kenne ich mich nun wirklich hervorragend in den Viten von „Ironman“ und „Bob, dem Baumeister“ aus. Im Traum hätte ich nicht daran gedacht, wie wichtig dieses Wissen sein könnte.

... und es wird vorausgesetzt, dass ich sie auch mag

„Ist dir schon mal aufgefallen, dass uns nie jemand fragt, ob wir die Kinder eigentlich auch mögen?“, bemerkte kürzlich meine Freundin Andrea. „Es wird vorausgesetzt, dass wir sie mögen. Egal, ob sie sich wie die Teufelchen höchstpersönlich aufführen, kein Benehmen zeigen und rumpöbeln, oder nett und aufgeschlossen sind. Wir sind verpflichtet dazu.“ Andrea spricht aus Erfahrung.

Wir stecken beide in ähnlichen Situationen. Beide haben wir selbst keinen Nachwuchs, sondern wurden sozusagen über Nacht „Second Hand Mums“ von jeweils zwei Kindern, ich von zwei Jungs, sie von zwei Mädchen. Und wir beide versuchten nun, mit der neuen Situation klarzukommen - was eine ziemliche Umgewöhnung war. Nur dass ihre zwei Mädchen sie trotz aller Annäherungsversuche ablehnten und ihr das auch klar machten, sobald die Wohnungstür hinter ihnen ins Schloss und der Anorak zu Boden fiel.

„Keiner fragt, ob wir es toll finden, wenn sie durch die Wohnung toben, die wir natürlich vorher auf Hochglanz gewienert haben, Schubladen aufreißen, die sie nichts angehen, der eigene Lieblingsplatz ständig besetzt ist und wir eigentlich gar nicht existieren.“

Der Punkt mit dem Putzen ging eindeutig an Andrea. Bei uns wurden früher die Kinderwochenenden fast generalstabsmäßig geplant. Wann muss ich die Bettbezüge waschen, dass sie rechtzeitig trocken sind? Wann tritt der Staubsauger in Aktion? Teilweise reinigte ich sogar die Läufer. Es sollte ja nicht heißen, dass es bei uns wie im Schweinestall aussieht.

Allerdings stolperte ausgerechnet der Kleine immer über das, was ich nicht geschafft hatte. „Warum kann man durch das Fenster nicht richtig rausschauen?“, fragte er mich kürzlich mit der Offenheit eines Viereinhalbjährigen. Immerhin wurde meine wunderbare Ausrede, dass das Mattglas sei, ohne Widerspruch akzeptiert. Mittlerweile habe ich aber die übertriebene Putzerei aufgegeben. Nachher sieht eh alles aus wie vorher.

Wir Stiefmütter haben nicht viel zu melden

Leider stimmt aber die Tatsache, dass wir „Second Hand Mums“ eigentlich nicht viel zu sagen haben. Außer vielleicht, wenn der Fußball das dritte Mal gegen das Fenster klatscht. Das nicht wirklich einbezogen sein kommt auch bei der Wochenend- und Urlaubsplanung zum Tragen. Zumeist legen die richtigen Mütter fest, wann sie mit den Kindern wegfahren wollen und wann die Kinder zu uns, der Zweitfamilie, kommen. Wann der Vater hinfahren und abholen und wieder zurückbringen soll. Wann er seinen eigenen Urlaub zu planen hat, um die Kinder zu übernehmen.

Und wir, ja, wir sind halt da. Klar, man kann jetzt argumentieren, dass es Sache des Lebensgefährten ist, uns mit ins Boot zu holen - aber damit zieht er sich vielleicht den Zorn seiner Ex zu, was die Fronten noch mehr verhärten könnte. Denn was ist, wenn wir widersprechen? Vielleicht sogar selbst schon etwas geplant hätten? Für ihn also die Wahl zwischen Pest und Cholera.

„Außerdem“, redete sich Andrea weiter in Rage, „müssen wir damit leben, dass unsere Partner ihr Leben lang Kontakt mit der Mutter ihrer Kinder haben, diese Beziehung also nie abgeschlossen sein wird.“ Auch wahr.

Gibt es eine Alternative?

Doch was ist die Alternative? Wenn man mit dem Mann, der für uns die Liebe unseres Lebens bedeutet, zusammen bleiben will, hat man keine. Und wie wäre es eigentlich umgedreht? Wenn die Kinder unsere eigenen wären? Auch da würden die „neuen“ Väter immer Platz zwei einnehmen – und wenn es hart auf hart ginge, würden auch wir unsere Kinder verteidigen wie eine Katzenmutter ihr Junges.

Es hilft also nix, uns bleibt nur, uns mit den Gegebenheiten abzufinden und das Schöne zu unterstreichen. Denn, um ehrlich zu sein, ändern wird sich nichts. Es wird weiter heißen „wenn ich beim Papa bin“ und nicht „wenn ich bei euch bin“. Man kann den Kindern keinen Vorwurf machen, schließlich bekommen sie es so vorgelebt. Wir Nachfolgefrauen zahlen zwar die halbe Miete (und somit auch für ein Kinderzimmer, das 26 von 30 Tagen nicht genutzt wird, vier Ferienwochen mal nicht eingerechnet), wir putzen, kochen, kaufen ein, denken uns Geschichten aus und trocknen auch mal Tränen, aber eigentlich ...

Ich wünsche mir die Kinder trotzdem nicht weg

Manchmal frage ich mich, wie ich es mir anders vorstellen würde, was ich ändern möchte. Nein, ich würde mir trotz allem die Kinder nicht weg wünschen. Sie sind liebenswerter Teil meines Lebens geworden. Ich würde mir aber mehr Einbeziehung wünschen. Auch mit der Mutter der beiden.

Dann könnten auch nie Situationen entstehen, dass bei uns unwissentlich Dinge erlaubt sind, die Zuhause verboten sind - und umgekehrt. Vielleicht käme man dann auch an einen Punkt, wo sie mich im Notfall direkt anrufen würde: „Könntet ihr die Kinder dann oder dann nehmen, weil ...?“ Wäre kein Thema.

Ansonsten gibt es für uns „Second Hand Mums“ nur noch eines: Auch Kinder werden volljährig. Es dauert nur noch zehn bis 15 Jahre. Aber wir sind ja durchhalteerprobt.

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