Anzeige

"Im Internet verlieben? Bei mir hat's geklappt!"

Als Sylvia Hubele sich in einer Partnerschaftsbörse anmeldete, bekam sie viele Mails, abschreckende und vielversprechende. Wie sie in dieser Männerflut trotzdem "den einen" fand, erzählt sie in der Leserkolumne "Stimmen".

image

Auferstehung: Manchmal stehe ich auf. Und gehe. Jeden Tag. Ich will alles hinter mir lassen: Die erstarrten Strukturen, den Besitz und die Gier nach dem Haben-Wollen, die Bindung und die Umklammerung, die leeren Worte, das Geplapper, alles: Ich hab's ja nicht so gemeint. Auf. Stehen. Aufstehen. Wie Löwenzahn auf dem Asphalt. Ortsbestimmung: Himmel. Ich will ihn auf der Erde haben. Ich will ihn auf die Erde holen.

Das war der Text, den ich nach langem Überlegen in mein Profil einer Partnerbörse eintrug. Nach einer fürchterlich gescheiterten Beziehung saß ich im kulturellen Niemandsland fest, wo meine Aussicht auf einen neuen Partner noch geringer war als die Wahrscheinlichkeit auf einen Sechser im Lotto. Doch ich wollte wieder jemanden kennen lernen, mit dem ich schwatzen und lachen konnte, den ich lieben konnte, mit dem ich ganz einfach leben konnte. Ich wollte keineswegs den Rest meines Lebens allein in Wollsocken auf dem Sofa sitzen.

Also ging ich auf die Suche. Doch wo sollte ich anfangen? Das Wort "Partnerbörse" ergab allein bei Google mehr als 600.000 Treffer. Schnell war klar: Eine Partnerbörse, bei der ich Geld bezahlen soll, will ich nicht. Ich wollte auch keinen mathematischen Algorithmus über potentielle Kandidaten entscheiden lassen, der meine eingetragenen Vorlieben mit denen der Männer abglich. Schlussendlich entschied ich mich für eine christliche Partnerbörse. Ja, ich gehe gelegentlich in die Kirche und, ja, ich glaube. Das ist mir wichtig und dafür wollte ich nicht noch einmal verspottet werden, wie in meinem letzten Alptraum. Ich dachte lang über die Angaben nach, die ich im Profil und im etwas ausführlicheren Interview über mich eintrug. Wie sollte mein ganzes Leben in ein paar Zeilen passen?

Ich schrieb, dass ich viel unterwegs sei: Immer wenn ich dachte, ich sei angekommen, ging es wieder weiter. Auch wenn manchmal Jahre dazwischen lagen.Ich schrieb, dass ich glücklich sei. Das stimmte ja, nur: Ich war eben allein. Größe, Gewicht und Alter trug ich wahrheitsgemäß ein. Sollte ich jemanden kennen lernen, dann wäre Schummeln hier nicht angebracht.

Kaum war alles online, trudelten die ersten Mails ins Postfach. Männer stellten sich vor, erzählten von sich, mal mehr und mal weniger ausführlich. Die meisten schrieben nur kurze Zweizeiler, beispielsweise: "Also, was ich mache. Ich fahre manchmal Bus und manchmal ferngesteuerte Trucks." Da fiel mir eine Antwort deutlich schwerer, als bei jemandem, der etwas aus meinem Profil erwähnte und mich bat, darüber etwas mehr zu erzählen. Die Nachrichten ähnelten oft der Aussagekraft der Profile. Klar, Männer machen weniger Worte, aber ich wollte schließlich keinen schweigenden Karpfen finden, sondern jemanden, mit dem ich mich gut über Gott und die Welt unterhalten kann - und das möglichst über viele Jahre hinweg. Ob ich zu hohe Erwartungen hatte?

Ich merkte schnell, dass ich über den Austausch von Emails und Nettigkeiten spüren konnte, ob jemand auf einer ähnlichen Wellenlänge war wie ich. Eigentlich wollte ich ja schön gemütlich einen nach dem anderen kennen lernen, nicht etwa alle auf einmal. Da hatte ich aber die Rechnung ohne die Männer gemacht, die ebenfalls auf Partnersuche waren und sich nicht etwa einer nach dem anderen meldeten, sondern ziemlich viele auf einmal.

Jetzt hatte ich nicht nur eine ziemlich große Auswahl, sondern ordentlich zu tun. Schließlich wollte ich wirklich jedem auch antworten, allein deswegen, damit auch derjenige eine Chance bekommt, der sich nicht so gut schriftlich ausdrücken kann. Denn online fehlt ja doch ein ganzer Teil dessen, was an einem Menschen faszinieren kann: Ich kann nicht sehen, wie er sich bewegt, wie er spricht, ob er ständig die Nase hochzieht (was ich ziemlich nervig fände) oder ob er lebendig von den Dingen erzählen kann, die ihn bewegen. Ende Juni hatte ich mich angemeldet.

Immer wieder wurde ich aufs Neue angeschrieben, tauschte manchmal mehr, manchmal weniger Mails aus. Mitte Juli bekam ich wieder von jemandem eine Mail, die ich zwar beantwortete, jedoch zunächst nicht mehr beachtete als die anderen. Doch das änderte sich schnell, als ich merkte: Da ist jemand, der zeigt ehrlich Interesse. Er antwortete auf meine Fragen, ging auf das ein, was ich schrieb, und schnell zeigte sich, dass wir viele gemeinsame Interessen haben, über die wir uns unterhalten können. Ob das jemand für mich wäre?

Drei Wochen später wagte ich es. Wir verabredeten uns. Da unsere Wohnorte mehr als 200 Kilometer voneinander entfernt lagen, suchten wir einen Ort in der Mitte und trafen uns in einem Café. Es war ein sonniger Tag. Ich kam etwas zu früh, setzte mich und ließ die Passanten an mir vorüberziehen. Würde ich ihn überhaupt erkennen?

Doch als er kam, wusste ich gleich: Das ist er. Wir tranken Kaffee, gingen danach durch die Stadt, auf und ab, durch Straßen und Gassen, durch einen Park, in dem große Gemälde standen - und wir hatten uns unglaublich viel zu erzählen. Wir lachten, wir fielen uns gegenseitig ins Wort, wir liefen endlos weiter. Die Rückfahrt schien ewig weit weg. Wir gingen abends noch essen, doch dann war die Zeit gekommen, wir verabschiedeten uns und jeder fuhr wieder in seine Richtung. Nicht geküsst? Nein. Wir haben uns nicht geküsst. Dieses Mal jedenfalls nicht. Beim nächsten Treffen schon, das nur ein Wochenende später stattfand. Ich buchte ein Zimmer in einem kleinen Hotel und ließ mir von ihm seine Heimat zeigen. Ein Jahr später zog ich zu ihm.

Fazit: Ich würde mir, wenn es denn noch mal nötig wäre, meinen Partner wieder online suchen.

Teaserfoto: 13/Atomic Imagery/Digital Vision/Ocean/Corbis

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel