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Neuanfang nach der Trennung: Wie ich meine Freiheit lieben lernte

Neuanfang nach der Trennung: Frau schaukelt
© Viktor Gladkov
Rumsitzen und Frust schieben? No way! Nachdem ihr Mann sie verlassen hatte, meldete sich die zweifache Mutter Sabine Nowak bei Tinder an, ging auf Partys und suchte sich einen Full-Time-Job.

Als mein Mann mich für eine andere verließ, dachte ich im ersten Moment: Das wars jetzt. Er fängt von vorn an, und ich sitze da, mit zwei kleinen Jungs, einem Teilzeitjob und einem kaputten Ego.

Drei Tage lang habe ich durchgeheult, weil unsere Familie, um die ich so gekämpft hatte, zerbrochen ist. Am vierten wurde mir plötzlich etwas bewusst: dass es in meiner Hand lag, was ich aus der Katastrophe machte. Denn diese Trennung war auch eine Chance. Wieder eine Art von Freiheit zu empfinden, nach der ich mich in meiner Ehe oft gesehnt hatte. Noch mal zu schauen, was eigentlich so geht, in jeder Hinsicht.

Oft ist eine drastische Veränderung genau das Richtige

Noch in der gleichen Woche meldete ich mich bei Tinder an. Zuerst schrieb ich nur mit ein paar Männern hin und her. Das fühlte sich zwar komisch an, aber schon das war ein kleiner Befreiungsschlag nach so vielen verheirateten Jahren.

Kurz darauf vereinbarte ich mein erstes Date. Mehrmals sagte ich kurz vorher ab. Als ich mich schließlich traute, jammerte ich dem armen Kerl zwei Stunden lang von meiner gescheiterten Ehe vor. Aber es war ein Anfang. Es folgten weitere Treffen mit Männern, manche langweilig, andere interessant.

Ich fing an, regelmäßig tanzen zu gehen, erstmals seit meiner Studienzeit. Nicht jeder Abend wurde lustig, aber meistens dachte ich: Warum nur habe ich so lang darauf verzichtet? Wieso um alles in der Welt habe ich früher lieber vor dem Fernseher Wäsche gefaltet?

Der Babysitter wurde immer teurer und schaute mich immer komischer an, wenn ich mit verschmiertem Lippenstift um drei Uhr nachts nach Hause kam. Diesen Blick, der sagte: "Das kannst du doch nicht machen. Du bist eine alleinerziehende Mutter", sollte ich noch oft sehen. 

"So richtig die Sau rauszulassen gab mir Kraft"

Man erwartete offensichtlich von mir, dass ich still vor mich hin trauere und mich um meine Kinder kümmere. Maximal, so hörte ich aus kritischen Bemerkungen heraus, stand es mir zu, irgendwann einen verwitweten Vater auf dem Spielplatz kennenzulernen, mit dem ich ab und an ins Kino ging.

Aber herumzuknutschen, mich zu benehmen wie ein Teenager und mit Kater und Grinsen im Gesicht am nächsten Tag an der Sandkiste zu sitzen? Das macht man offensichtlich in meinem Alter und meiner Situation nicht.

Die Meinung der anderen ausblenden und nach vorne schauen

Ich machte es trotz
dem. Für mich und für
meine Kinder. Es half mir,
mich wieder lebendig zu fühlen, es half mir, diese schmerzhaften Monate zu überstehen. So richtig die Sau rauszulassen, gab mir die Kraft, für meine Söhne tapfer zu sein, wenn sie an ihren Papa-Wochenenden mit ihm und seiner Neuen davonfuhren und ich allein mit schwerem Herzen zurückblieb.

Wenn die Kinder bei ihm waren, schrieb ich Bewerbungen. Seit ich Mutter war, war es nur noch darum gegangen, möglichst unkompliziert etwas dazuzuverdienen und zu Hause präsent zu sein.

Wenn ich anderen Glauben schenkte, zählte das nach der Scheidung mehr denn je. "Na, die Kleinen brauchen dich bestimmt gerade sehr. Reduzierst du noch weiter?", wurde ich gefragt. Am liebsten hätte ich geantwortet: "Um eines Tages in Altersarmut zu leben? Bestimmt nicht."

Heute weiß ich: Mein Ex-Mann hat uns beiden einen großen Gefallen getan

Ich bekam eine Führungsposition angeboten. In Vollzeit. "Das kannst du doch nicht machen", hörte ich erneut von allen Seiten. Ich wollte aber. Ich engagierte eine Nanny. Ich erklärte meinen Jungs, dass zwei Wochen Kroatien im Sommer und Hockeytraining irgendwie finanziert werden müssen und dass auch Mütter noch Träume haben.

Sie bastelten mir eine Schultüte für meinen ersten Arbeitstag. Meinen neuen Job liebte ich sofort. Weil ich gut darin war, und weil das Geld auf meinem Konto zum ersten Mal wirklich mir gehörte.

Ja, es ist eine logistische und emotionale Herausforderung, als Alleinerziehende Karriere zu machen. Es erfordert Organisation und Achtsamkeit für die Bedürfnisse aller.

Ich finde, wir bekommen das ganz gut hin. Und wenn es mir doch mal alles zu viel wird, gehe ich mit einer Freundin aus und tanze den ganzen Stress weg. Nicht mehr annähernd so oft wie anfangs, diese große Unruhe in mir ist mit der Trauer zusammen verschwunden. Was ich anfangs nur ahnte, weiß ich heute ganz sicher: Mein Ex-Mann hat uns beiden einen großen Gefallen getan.

Brigitte 13/2018

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