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"Ich hatte das Gefühl, ein gläserner Mensch zu sein" - warum Janina trotzdem weiterbloggt

Janina Hilkert, 31, ist Sozialpädagogin und war in ihrem früheren Leben Tattoo- und Metal-Fan. Seit 2012 ist sie Mutter einer Tochter. In ihrem Blog Herzmutter schreibt sie über Alltags-Satire, Familie, Erziehung, Gesellschaft und Lifestyle - und gehört damit auch zu unseren 1.500 MOM-Bloggern.
Janina Hilkert, 31, ist Sozialpädagogin und war in ihrem früheren Leben Tattoo- und Metal-Fan. Seit 2012 ist sie Mutter einer Tochter. In ihrem Blog Herzmutter schreibt sie über Alltags-Satire, Familie, Erziehung, Gesellschaft und Lifestyle - und gehört damit auch zu unseren 1.500 MOM-Bloggern.
© privat
Als sie sich entschied, kontrovers über ihr Mamasein zu bloggen, merkte Janina Hilkert schnell: Ihr Blog macht einen gläsernen Menschen aus ihr - zu dem jeder eine Meinung hat. Warum sie trotzdem weitermacht, erzählt sie in der Leserkolumne "Stimmen".

Wie so viele Mütter, die sich nicht verstanden fühlen oder einfach gern ihre Geschichten erzählen, setzte ich mich eines Tages an meinen Laptop und begann, ein Online-Tagebuch zu schreiben. Irgendwann entschied ich mich, das Ganze eine Ecke professioneller zu gestalten, und dazu gehörte auch mein richtiger Name. Aber bevor jetzt jemand auf die Idee kommt, das sei doch alles eine feine und absolut unerwähnenswerte Sache: nope! Der Spaß ging dann in die zweite Runde. Denn das Problem daran, dass ich nicht mehr anonym war, lag auf der Hand: Ich wurde gefunden. Und zwar von Bekannten und Verwandten. Und die fühlten sich bei einigen Passagen (teilweise zu recht) auf den Schlips getreten - denn gerade zu Beginn schmetterte ich fröhlich und frei meinen Frust in die gesichtslose Masse. Andere Kritik empfand ich hingegen als unverständlich. Wenn ich manchmal mit meinem schwarzen Humor über die Stränge schlug, wurde das gerade in der Familie als unmöglich gesehen. Wie kann man nur, so etwas sagt man nur hinter verschlossenen Türen. Dass es genau darum ging, haben sie nicht verstanden.

Jeder kann sich im Internet fehlerfrei und perfekt präsentieren: Man nehme nur die schönen Geschichten, garniere sie mit pittoresken Familienfotos und lasse die unschönen Details weg. Kann man machen. Mir persönlich bringt das aber nichts. Wenn ich wissen möchte, ob es anderen Eltern auch so geht wie mir, muss ich zeigen, wie es bei mir läuft. Meistens ist das Konzept ja auch aufgegangen, und ich habe schon viele wertvolle Tipps erhalten. Mit dem ein oder anderen Beitrag habe ich sogar schon einen Shitstorm geerntet - wobei man sich auch daran gewöhnt. Ich halte nichts davon, nur positive Kommentare zuzulassen, denn die Gedanken sind ja bekanntlich frei. Nicht nur meine, sondern auch die der Leser.

Einmal war ich kurz davor, alles hinzuschmeißen, da kam nämlich Kritik aus dem privaten Umfeld mit einem ziemlich fiesen Shitstorm zusammen. In der Quintessenz ging es darum, mich als schlechte Mutter hinzustellen, die ihr Kind nicht liebt. Wow, das muss man erst mal sacken lassen. Wenn man mich derart falsch versteht, bin ich dann vielleicht doch daneben? Teilweise hatte ich das Gefühl, ein gläserner Mensch zu sein und mich und meine Familie medial zu präsentieren, während die vermeintlich perfekten Leser beziehungsweise Kommentatoren ähnlich wie bei "Big Brother" interaktiv in die Erziehung eingreifen können. Mir wurde vorgeworfen, Ratschläge nicht anzunehmen und am Ende das zu machen, was ich für das Beste halte. Hmm... ja, macht das nicht jeder so? Was bin ich denn, letzten Endes? Keine normale Mama mehr, sondern eine öffentliche Person, die politisch und pädagogisch korrekt zu sein hat und sich mit der Mehrheit abstimmen sollte, wie sie weiter vorgeht?

Ihr ahnt es schon, das wollte ich nicht sein und so dauerte es mehrere Tage, bis ich mich überhaupt traute, wieder etwas zu bloggen. Und ich muss sagen, es hat Spuren hinterlassen. Vielleicht auch besser so, denn jetzt stehen nicht mehr alle Gedanken für alle Welt zum Nachlesen bereit. Andererseits habe ich früher auch mehr Emails mit nettem Feedback bekommen, wie sehr ich anderen geholfen hätte. Letztendlich muss jeder Blogger selbst entscheiden, wie viel er preisgibt und ob es das wirklich wert ist.

Der Gedanke, dass mein Privatleben vielleicht für immer im Internet zu finden ist, hat schon etwas Gruseliges. Was wäre, wenn meine Tochter vielleicht als Teenager den Blog läse? Wäre sie dann beleidigt, würde sie sich vor ihren Freunden schämen, dass ihre Mutter all ihre Geschichten erzählt hat? Würde sie denken, ich hätte mich profilieren wollen? Oder wäre sie sogar stolz darauf, was ich erreicht habe? Immerhin ist sie ja in gewisser Weise der Star des Blogs, ohne sie wäre er weder erfolgreich noch könnte ich besonders viel Alltagssatire erzählen.

Ich habe mich schon oft gefragt, wie das die Blogger/innen mit älteren Kindern machen, die ja teilweise schon in der Schule sind. Solange der Blog klein und unbekannt ist, mag das sicherlich kein Hindernis darstellen, aber es gibt einige Blogs, die sich schnell googeln lassen, die oft gelesen werden. Und dann ist auch noch die Sache mit den Kinderfotos - ich finde es schon grenzwertig, über meine Tochter zu schreiben, aber ich würde nie Bilder mit ihrem Gesicht auf dem Blog veröffentlichen. Gerade wenn man nicht nur das schreibt, was die Mehrheit lesen will, die schönen Dinge, die, für die man nicht kritisiert werden kann. Möchte ich, dass Fremde auf meine Tochter zugehen und sagen: "Iiih, du wirst ja noch gestillt!"

Ich weiß auch, dass die meisten potentiellen Arbeitgeber ihre Bewerber erst mal googeln. Ein Risiko, das ich zwar eingegangen bin, um meiner Leidenschaft zum Schreiben nachzugehen, aber andererseits nicht in der Gänze abschätzen kann. Ich arbeite im sozialen Bereich, und da kann es durchaus ein Problem sein, wenn ich zum Beispiel mit Jugendlichen zu tun habe, die ständig mitlesen, wie es bei mir daheim zugeht. Oder wenn ich mich bei Familien präsentiere, die sagen, ich solle es doch erst mal besser machen. Andererseits stehe ich zu mir, zu meinen Ansichten. Ich schreibe viel Kritisches über Erziehung, und das ist mir wichtig. Ich bin kein besserer Mensch und das dürfen auch künftige Klienten wissen. Ich bin authentisch und ich habe keine Angst davor, meine Meinung zu sagen. Wenn damit ein Arbeitgeber ein Problem hat, wären wir sowieso nicht zusammengekommen.

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