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Mein Leben auf Facebook: Ach, alle so freundlich hier!

Steffi von Wolff
Bestseller-Autorin Steffi von Wolff scheibt jede Woche eine Kolumne bei BRIGITTE.de.
© privat
Steffi von Wolff ist entsetzt über die Feindseligkeit, der ihr und anderen auf Facebook entgegenschlägt.

Einfach asozial

Seitdem ich mich vorhin bei dem, wie es so schön heißt, "sozialen Netzwerk" Facebook durch alle möglichen Kommentare und nicht nur durch die, die man zu meinen Texten geschrieben hat, gescrollt habe, möchte ich gern das Wort sozial streichen beziehungsweise gern mit einem Buchstaben ergänzen, und zwar mit dem a.

Denn ich frage mich, was das soll: Man hat eine Meinung zu einem Thema. Die kann man haben, für sich behalten oder man kann sie kundtun. Mittlerweile so gut wie überall. Auch in sozialen Netzwerken. Man postet sie oder schreibt sie in einer Glosse, einer Kolumne oder was auch immer nieder, und dann haben andere Leute die Möglichkeit, darauf zu reagieren und viele tun das auch.

Jeder, der etwas ins Netz stellt, muss also damit rechnen, dass nicht alle seiner Meinung sind. Völlig in Ordnung. Was ich aber wirklich gruselig finde: Egal was man schreibt, es wird, wenn der Gegner schlecht drauf ist, gern alles umgedreht und/oder unfreundlich, gehässig oder böse kommentiert. Egal was.

"Voll bekloppt, die Sonne gut zu finden!"

Man schreibt: „Ich finde die Sonne gut“ – und als Antwort kommt „Voll bekloppt ist die ja wohl, die Sonne gutzufinden, die ist voll schädlich, die Sonne.“ Oder: „Die hat wohl den ganzen Tag Zeit in der Sonne zu liegen und so eine Scheiße zu schreiben“ – und dann kommen ganz viele gehässige Antworten und sehr oft ist es so, wenn mal einer wagt zu schreiben: „Also ich mag die Sonne auch“, wird er ignoriert oder: „Dann geh doch in die Sonne, wirst schon sehen, wie doof kann man sein.“ Oder: „Dann kannst du dich ja zu der tagsüber in die Sonne legen, hast wohl auch zuviel Geld.“

Aber warum, und das frage ich jetzt bestimmt nicht als erste, denken Leute, sie müssten ihre Meinungen in Stillosigkeit verbreiten oder Mist ausschütten, weil man eine andere Meinung als sie zum Haarefärben, zu Hunden („die hat wohl ein bisschen zu viel Rotwein intus gehabt, als sie diesen geistigen Tiefflug dokumentierte“), zu Männern („Die hat nicht alle Latten am Zaun“), zu Kindern, zu Botox oder zu Heidi Klum oder Ed Sheeran hat? Letzterer, so hörte ich letztens, soll sogar seinen Twitter-Account auf inaktiv gestellt haben, weil er die bösen Kommentare nicht mehr lesen wollte („Ach jetzt vergleicht die sich schon mit Ed Sheeran, kann mal einer der Tussi sagen, dass sie mal aufem Boden bleiben soll, ja?“)

Man sollte Menschen so behandeln, wie man selbst behandelt werden will

Von meinem Opa habe ich gelernt, dass man Menschen grundsätzlich so behandeln soll, wie man selbst behandelt werden möchte („Was interessiert mich denn der Opa von der? Dann soll sie doch zum Opa gehen und sich gut behandeln lassen“). Und ich habe die Befürchtung, dass er ziemlich konsterniert wäre, würde er die Kommentare lesen. Gut, zu seiner Zeit gab es noch kein Internet und ich frage mich, würden die, die hier das alles posten, einem das auch selbst ins Gesicht sagen? („Hallo, die Dame ist offenbar schon in der Neuzeit angekommen, es ist ja wohl klar, dass man das im Netz viel anonymer machen kann, oh Mann!“ – „Moment mal. Das heißt, Sie würden mir das nicht persönlich sagen?“ - „Jetzt will die auch noch provozieren, die spinnt echt voll!“)

Heutzutage, wo alles, alles so wichtig ist: Yoga machen, mehr Radfahren, vegetarisch/vegan/als Frutarier und in Achtsamkeit leben, auf Nachhaltigkeit achten und darauf, dass die Kinder mal eine bessere Welt haben … („Ach, kann die jetzt schon die Welt verbessern, was bildet die sich eigentlich ein?“) … könnte man da nicht einfach mal klein anfangen und einigermaßen höflich bleiben, wenn man schon seinen Senf zu irgendwas dazugeben muss?

Woher kommt diese Giftigkeit?

Oder ist es mittlerweile einfach modern geworden, und man gilt als verweichlicht oder „Opfer“, wenn man einen „normalen“ Post von sich gibt? Woher kommt diese Giftigkeit, oftmals gepaart mit Missgunst, schlechten Wünschen und bösartigen Unterstellungen dem Verfasser gegenüber? („Hat die Komplexe oder ist die Mutter Teresa oder was will die? Interessiert doch eh keinen, was die schreibt.“)

Gut möglich. Die Antworten interessieren mich trotzdem.

Steffi von Wolff: "Später hat längst begonnen"
© PR

 Die Autorin: Steffi von Wolffwar lange Jahre beim Radio, bevor sie 2003 ihren ersten Roman herausbrachte. Ihr neuestes Werk heißt "Später hat längst begonnen"; darin geht es um zwei Frauen, die es zusammen nochmal richtig krachen lassen, bevor das Unabänderliche passiert.

Steffi von Wolff selbst lässt es mittlerweile fast nur noch beim Schreiben krachen. Sie ist am liebsten daheim und macht es sich gemütlich mit Rotwein, einem leckeren Essen - und einer schönen Serie!

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