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Liebe auf Zeit - was soll daran verkehrt sein?

BRIGITTE.de-Leserin Luisa hat sich in einen Mann verliebt, mit dem sie keine Zukunft hat. Aber auch das hat seine Vorteile, findet sie.

Wir ignorierten unseren Verstand

Anfang des Semesters, am ersten Bar-Abend des Studentenwohnheims nach der vorlesungsfreien Zeit, habe ich jemanden kennengelernt. Zunächst teilten wir nur ein paar Bier, zwei Wochen später das Bett: Spontan und doch geplant trafen wir in dieser Nacht auf einer Halloweenparty zusammen - im schlecht gelüfteten, schmuddeligen Keller des Wohnheims, umgeben von blutverschmierten Prinzessinnen und Frankenstein.

Nachdem wir durch die betrunkenen Hexen und Vampire zur Bar vorgedrungen waren, verließen wir nach einem weiteren Drink die Feier und begaben uns nach oben in seine Wohnung, die in das romantisch flackernde Licht einer grellen Neonröhre getaucht war.

Er befand sich im Master eines Erasmusstudiengangs, wo er die wunderbare Chance bekam, jedes Semester in einem anderen Land zu studieren. Das ist natürlich kein Grund, sofort mit jemandem zu schlafen, den man kaum kennt. Andererseits, warum nicht? Sollte man nicht seinen Emotionen folgen und das tun, was man für richtig hält? Vermutlich war genau das unser Geheimnis - den eigenen Verstand und die Meinung anderer zu ignorieren.

Eine Liebe ohne Zukunft - na und?

Wir sahen uns sehr oft, spazierten durch Weinberge, als würden wir uns schon ewig kennen, schliefen zusammen in einem 90 Zentimeter schmalen Bett, kochten zusammen und tranken Wein - auch, wenn wir oft früh aufstehen mussten, um pünktlich zur Klausur zu kommen.

Als wir dann über unsere gemeinsame Zukunft sprachen, wurde uns bewusst: Wir hatten keine. Auch wenn wir verliebt waren und ich es immer noch bin, war es für uns keine Option, die Beziehung über einen Ozean und mehrere Flugstunden weiterzuführen.

Aber das mussten wir auch nicht, denn nicht alles ist für die Ewigkeit bestimmt. Manches ist endlich, und das hat vermutlich auch einen Sinn. Durch das Bewusstsein, dass unsere Gemeinsamkeit in naher Zukunft endet, blieb uns keine Zeit, eifersüchtig zu sein, zu streiten, die Zuneigung zu hinterfragen, über unnötige Dinge zu reden. Es war nicht wichtig, diese Begegnung zu definieren, denn das würde zwar die Menschen in unserem Umfeld zufrieden stellen, uns aber wertvolle Minuten stehlen.

Auf die Frage meiner Mutter oder meiner Freundinnen, ob wir jetzt offiziell ein Paar sind, antwortete ich, dass ich das nicht wüsste. Und fügte hinzu: “Aber es ist mir auch egal!“ Denn diese Liebe brauchte keinen Namen, sie war einfach da.

Wir genossen die Schokoladenseiten der Liebe

Stattdessen hatten wir Zeit, um uns noch nach langen Nächten in der Bibliothek zu treffen und bis vier Uhr morgens gemeinsam wach zu liegen. Wir hatten Zeit, auch noch lange nach Weihnachten Feuerzangenbowle zu trinken, Regeln und Traditionen zu brechen und uns auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrieren. Kurz: Wir nahmen uns Zeit für die Liebe.

Wir haben in diesen Wochen und Monaten nur die Schokoladenseite der Liebe zugelassen. Nicht das Planen einer gemeinsamen Zukunft machte uns glücklich, sondern das Leben im Hier und Jetzt.

Nur weil die Zeit begrenzt ist, bedeutet das noch lange nicht, dass auch die Liebe begrenzt ist, die man sich gegenseitig gibt. Manchmal lernt man von einem Menschen in drei Monaten mehr als von anderen in vielen Jahren. Und es ist erstaunlich, wie viele tausend Küsse man in so kurzer Zeit unterbringen kann.

Aber all das funktioniert nur, wenn man die furchteinflößenden Gedanken an ein näher rückendes Ende ausblendet. Also los, vergessen wir unsere Grenzen, unsere unbegründeten Ängste, unseren spießigen Verstand, der uns immer wieder in Erinnerung rufen will, dass das alles sowieso bald vorbei ist! Lassen wir die Liebe zu, wie sie kommt und geht. Ihr Wert liegt nicht in der Ewigkeit, sondern im Augenblick!

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