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"Die Ehe macht uns träge"

Hier schreiben unsere Leserinnen. Diesmal: Séverine Bonini über Kommunikationsprobleme zwischen Frau und Mann und was sie daraus gelernt hat.

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Seien wir ehrlich: Die Ehe macht uns träge. Als ich noch Single war, habe ich mich zuhause um alles selbst gekümmert. Gut, eine Bohrmaschine habe ich noch nie in meinem Leben bedient, aber ANSONSTEN habe ich wirklich alles selbst gemacht. Möbel zusammenbauen. Check. Abfall entsorgen. Check. Spinne beseitigen. Check (mit extra Whiskey zur Beruhigung intus). Altpapier bündeln. Check. Ich war als Studentin sogar Hausmeisterin, um vergünstigt zu wohnen. Jaaa, ICH! Ich war Herrin meines eigenen Lebens. Und dann verliebte ich mich in meinen Mann. Wir zogen zusammen. Und langsam, langsam, trat ich mir lästige Haushaltsjobs an ihn ab und wurde von ihm abhängig. Altpapier, Abfall, Spinne ... landeten bei ihm - bis heute! Ich kümmerte mich dafür ganz klassisch um den weiteren Haushalt.

Es lief von Anfang an sehr gut in unserer Beziehung, denn wir stellten eine goldene Gesprächsregel auf: Ich sage, was ich von ihm will, denn das fällt uns Frauen ja bekanntlich schwer. Konkret heißt das: Ich sage nicht "Es ist heiß hier drin", sondern "Machst Du bitte das Fenster auf." Keine indirekten Appelle! Keine Missverständnisse! Hat damals wunderbar geklappt, glauben Sie mir. Damals. Doch dazu später.

An Geburtstagen und Weihnachten überhäuften wir uns mit ausgetüftelten, exklusiven Geschenken. Schatz und Schatzi hatten sich gesucht und gefunden. Uns verband von Anfang an die gleiche Einstellung zum Leben. Wir fanden die gleichen Sachen doof und die gleichen Sachen toll, und damit meine ich nicht die Frage "Cola oder Pepsi?" (da sind wir uns uneinig), sondern die elementaren Dinge im Leben: Ehe, Beruf, Kinder, Erziehung, Freundschaften. Anders hätten wir den Wahnsinn, der auf uns zukommen sollte, als Paar nicht überlebt: Wir haben geheiratet und wurden Eltern.

Der Ehetrott

Nicht nur ich wurde mit der Ehe faul. Auch mein Mann wurde träge. Wir hatten ja vereinbart, dass ich ihm sage, wenn ich etwas will. Das interpretierte er nun auf seine Weise und machte nichts mehr, wenn ich ihn nicht darum bat. Ich begann, Aufträge zu verteilen, die doch eigentlich schon längst klar verteilt worden waren – dachte ich. Das hörte sich dann ungefähr so an: "Schaatz, bringst Du das Altpapier weg?" - "Schaaatz, bindest Du bitte endlich das Altpapier zusammen?!" - Schaaaatz, das Altpapier ist ja immer noch da?!" Bis ich ihn nur noch anbellte: "ALTPAPIER!!!" Ja, unsere Kommunikation hat wunderbar geklappt, ehrlich.

Es wird hektisch

Dann kam unsere Tochter. Und so wie die Ehe faul macht, macht die Elternschaft unglaublich müde. Wir sprechen hier von einer Müdigkeit, die bis auf die Knochen geht. Aber man macht es gerne, keine Angst. Man lebt dafür. Hat man als Paar schon etwas von der Individualität eingebüßt, so wird als Eltern aus Schatz und Schatzi Mami und Papi, bis in die Poren. Zwar immer als Paar, denn heute bringen sich die Männer in der Regel in die Erziehung mit ein – mit gefangen, mit gehangen. Gott sei Dank, ich würde sonst durchdrehen! Aber man ist eben doch mehr Eltern denn ein Paar. Man funktioniert.

Nach der Geburt arbeiteten wir beide 80 Prozent (in der Schweiz gibt es nur einen Mutterschaftsurlaub für die Mutter von 14 Wochen, that's it). Der Rest der Zeit ging für das Kind drauf. Pärchenzeit? No way. Wir fanden ziemlich schnell in einen Modus, den wir Frontoffice und Backoffice nannten: Wenn wir beide zuhause waren, kümmerte er sich um die Bedürfnisse des Kindes (wickeln, anziehen, bespaßen), ich kochte, putzte, räumte auf. Ansonsten arbeitete derjenige von uns im Haushalt, der gerade Zeit hatte. Oder nicht schlief. Da ein Baby ja meist dann auf den Arm will bzw. muss, wenn die Eltern essen wollen, kochte ich zudem in Hektik. Wir aßen in Hektik. Überhaupt war alles hektisch. Duschen zum Beispiel. Und der Sex. Der auch. Ist doch so. Früher nahmen wir uns einen Tag frei, um ein romantisches, verlängertes Wochenende irgendwo in der Pampa zu verbringen. Mit Kind liefen stattdessen die Diskussionen heiß, wer im Büro problemloser frei nehmen konnte, um zuhause beim kranken Kind zu bleiben.

Man wird genügsam

Geschenke? Geschenke gibt es bei uns schon lange nicht mehr. Ich habe gefühlt schon alles geschenkt, was man schenken kann. Zu unserem letzten Geburtstag haben wir "uns" ausnahmsweise eine Teemaschine gekauft. Romantisch nicht, aber ich liebe die Maschine! Im Mai war zudem unser sechster Hochzeitstag. Wir haben ihn gefeiert, indem wir zusammen mit der Tochter gebastelt haben. Man wird genügsam, und das ist irgendwie auch schön. Die Liebe liegt sozusagen im Detail.

2012 kam der Hauskauf. Der Haushalt nahm exponentiell zu, dazu noch Gartenarbeit, gegen die ich mich mit beiden Händen wehre (Spinnen, Sie ahnen es ...) und die mein Mann übernimmt (ohne meinen Appell!). Das Bügeln habe ich mittlerweile an meinen Mann outgesourced, weil ich es schlichtweg hasse. Auch das ist Liebe: für die Frau bügeln. Gut, es sind nur SEINE Hemden ... Im März 2014 ist unser Sohn auf die Welt gekommen, seither ist unser mühsam erarbeiteter Alltag sowieso wieder über den Haufen geworfen und wir schachern darum, wer mit Windeln wechseln dran ist.

Wenn ich mir selber zuhöre, höre ich zehn Mal am Tag den Satz: "Oh mein Gott, schon so spät, dabei wollte ich noch das und das machen!" Zeit ist mittlerweile das wertvollste Gut geworden. Man liest ja überall, man solle sich Oasen freischaufeln. Tage, die man nur zu zweit verbringt, ohne die Kinder. Diese Oasen haben auch wir. Aber was machen wir, wenn die Kinder bei den Großeltern sind? Fenster putzen. Keller ausmisten. Schlafen. Eben all die Dinge, die man sonst nicht tun kann.

Unsere schönsten Momente? Als Familie entspannt im Europapark unterwegs. Überhaupt, Ausflüge als Familie. Uns gibt es jetzt im Viererpack, ohne Wenn und Aber. Und auch wenn das Altpapier liegen bleibt oder die kaputte Glühbirne seit Wochen nicht ersetzt wurde, weil mein Mann es nicht für wichtig hält und ich dazu zu faul bin: Wir gehen zusammen durch dick und dünn. In guten wie in schlechten Zeiten. Oder wie mein Mann es einmal so schön formuliert hat: Ich gebe ihm Flügel und er mir Wurzeln. So schlecht kann unsere Ehe also nicht sein. Auch wenn der Flur immer noch im Dunkeln liegt.

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