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Corona-Pandemie Lehrerin erzählt: "Wir sind genauso durch wie ihr"

Lehrerin erzählt über Corona
© privat
Silke Weißenrieder (46) ist seit über 20 Jahren Lehrerin - und weiß, wie sehr nicht nur Eltern, sondern auch Lehrer:innen unter mehr als zwei Jahren Corona-Pandemie leiden. Ein kurzes Plädoyer für mehr Zusammenhalt.

Liebe Eltern, wir haben etwas gemeinsam. Lockdowns liegen hinter uns, und auch in diesem Schuljahr waren schon Klassen oder ganze Schulen geschlossen. Ihr musstet vielleicht schon häufiger eure Kinder zusätzlich testen, sie von der Schule abholen oder wart sogar schon infiziert oder in Quarantäne. PCR-Tests sind nicht mehr selbstverständlich verfügbar, und irgendwie sitzt man auf Kohlen, ob es die Familie doch noch oder nochmal erwischt. Die Zahl der Neuinfektionen ist nach wie vor hoch, und man fragt sich, was als Nächstes passiert.

So richtig Ruhe kommt nicht rein ins Familienleben.

Und dann kommen auch noch wir Lehrer und ziehen die Lehrpläne durch, halten Normalität aufrecht, wo eigentlich keine sein kann, häufig mit nur halbvollen Klassen. Wir prüfen ab und schreiben Klassenarbeiten, als wäre nichts. Von der Mindestanzahl der Klassenarbeiten darf schließlich nicht abgewichen werden.

Alles, was wir haben, ist das Lüftungskonzept

Das Arbeiten in den Schulen wird zusätzlich erschwert durch das „Lüftungskonzept“. Dieses Konzept ist das einzige, was wir haben, außer Testen und Maskentragen, denn Luftfilter sind kaum oder gar nicht vorhanden. In den Klassenzimmern bedeutet das praktisch, dass alle 15 bis 20 Minuten gelüftet werden muss, es schon auf Tische schneite und die Temperatur im Klassenzimmer kaum jemals 15 Grad übersteigen kann. Um in kleineren Räumen lüften zu können, müssen manche Schüler aufstehen oder den Kopf einziehen, um dann quasi im Freien zu sitzen. Und die Lehrerschaft hat die undankbare Aufgabe, mantramäßig zu wiederholen: „Nein, das Fenster bleibt noch offen. Zieh dir halt wieder Mütze und Jacke an. Und zieh die Maske über die Nase.“

Liebe Eltern, die letzten zwei Jahre stecken uns alle noch in den Knochen. Ich maße mir nicht an, ein Sprachrohr für „die Lehrerschaft“ zu sein, aber ich bin über mein eigenes Kollegium hinaus mit vielen Lehrerinnen und Lehrern in ganz Deutschland vernetzt. Und ich weiß: Sie sind häufig genauso durch wie ihr. Mindestens an drei von fünf Schultagen fallen 30 Minuten Zeit fürs Testen weg. Gibt es einen positiven Fall in der Klasse, wird an fünf Tagen getestet. Es ist kaum möglich, eine Klassenarbeit ohne mehrere Nachtermine zu schreiben, da Schüler infiziert, in Quarantäne oder einfach erkältet sind.

Viele Lehrer sorgen sich um ihre Gesundheit und die ihrer Schüler und sind am Ende ihrer Kräfte, weil sie ihre infizierten Kollegen und Kolleginnen vertreten und mehrere Klassen gleichzeitig betreuen müssen – und das seit gut zwei Jahren.

Es gibt auch die, die die Zeit der Schulschließungen in den Burnout getrieben hat. Dauernde Erreichbarkeit auf allen Wegen, die Sorge, nicht genug zu tun, die Tatsache, Schüler zurücklassen zu müssen, weil alle Möglichkeiten erschöpft sind, das fordert seinen Tribut – und das mediale Lehrer-Bashing macht das nicht besser.

Ich kann euch Eltern nur ungefragt den Rat geben: Bleibt mit den Lehrern eurer Kinder in Verbindung. Fragt nach und meldet zurück, wenn alles zu viel wird. Die meisten Lehrerinnen und Lehrer sind auch Eltern. Und seid bitte freundlich zu ihnen, sie sind nervlich vermutlich genauso am Anschlag wie ihr. Und wenn ihr an einen harten Brocken geratet: Humor hilft. Meistens.

Die Autorin: Silke Weißenrieder (46) unterrichtet seit über 20 Jahren an einer Werkrealschule in Baden-Württemberg Deutsch, Geschichte und Gemeinschaftskunde. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. Auf Instagram ist sie unter @diekleinepaukerin zu finden.

Brigitte

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