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Brauchen wir wirklich einen Spruch für jede Lebenslage?

Sie begegnen uns überall - an Wänden, auf Tafeln, bei Facebook, in Blogs - und alle haben was Schlaues zu sagen. Oder etwa nicht? Ilona Klausmann über den Sinn und Unsinn sinniger Sprüche.

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"The question is... does it make me smile?" Sie haben auch mich erwischt: die Sprüche. Dieser hängt in meinem Wohnzimmer, sogar von mir selbst in einem Anfall von do-it-yourself gestaltet. Und das noch nicht mal gut, sondern stümperhaft. Aber er bleibt hängen, war schließlich viel Arbeit.

Hilft er? Geht so. Denn täglich tue ich Dinge, die mich nicht zum Lächeln bringen. Wer neben einem Job noch einen Haushalt mit drei Kindern und Mann schmeißt, weiß, wovon ich rede.

Natürlich erfüllt es mich, wenn ich koche und es den Kindern schmeckt, natürlich erfüllt mich der kurzwährende Anblick eines aufgeräumten Wohnzimmers, der Duft von frisch gebügelter und gefalteter Wäsche ist auch nicht zu unterschätzen ebenso der frisch gesaugte Teppichboden. Aber laufe ich deshalb lächelnd durchs Haus? Meinen Gesichtsausdruck möchten Sie sicher nicht immer sehen.

Trotzdem haben diese Love-Peace-and-Happiness-Sprüche gerade Hochkonjunktur, sie werden einem geradezu ins Hirn gehämmert, wenn man durch die Stadt läuft. Überall sehe ich dicke Buddhas, aufeinandergestapelte Steine, Lotusblüten und die Aufforderung "Live, love and smile" und "Do what you love".

Warum sagt mir ständig irgendein Schild, dass ich einfach nur entspannen müsse, dann würde das Leben schon besser? Warum soll ich bitteschön lächeln, wenn ich nach getaner Arbeit im Flur über Berge von Sport- und Schultaschen, Schuhen und Winterjacken ins Haus stolpere, ich mir keinen Espresso machen kann, weil die Spülmaschine noch läuft, und die Kinder "Jetzt gerade gar nicht" ansprechbar sind, da sie hypnotisiert in ihre Handys starren? Weil Lächeln nicht immer hilft – manchmal aber halt doch.

Und darin scheint der ausschlaggebende Punkt zu liegen: Manche dieser Sprüche bringen mich wirklich dazu, zu grinsen. Nicht etwa, weil sie so lächerlich absurd, naiv oder banal sind. Sondern weil ich manchmal eben schwarz auf weiß lesen muss, was ich eigentlich längst weiß - und doch viel zu selten befolge. Weil ich, wenn ich auf Facebook Dinge lese wie "Ich glaube, ich bin jetzt in dem Alter, in dem ich Leute von Anfang an doof finden kann. Ich hab ja nicht ewig Zeit", denke: Oh Mann, die haben Recht! Und mir dabei ein Schmunzeln nicht verkneifen kann. Nicht verkneifen mag. Denn klar ist das etwas überspitzt. Aber ist nicht auch was Wahres dran?

Mit dem Gedanken bin ich scheinbar nicht allein. So vergeht kein Tag, an dem mir nicht via Whatsapp oder Facebook Weisheiten aus der Serie "Dieser Moment, wenn..." geschickt werden. Geht ja auch unheimlich schnell, einen dieser schlauen Sprüche in die Welt zu setzen, die man im Internet zuhauf findet.

Manche davon bringen mich wie gesagt zum Lachen, manche dienen nur der Selbstdarstellung, klar, wie so vieles auf Facebook. Schaut her, wie lustig ich bin, schaut her, was mir gut gefällt, schaut her, worüber ich lache.

Manche gehen noch einen Schritt weiter und hängen sich ihr "lustiges Ich" sogar in den Hausflur, als Blechschilder oder Holztafeln: Sprüche wie "Sexy woman have messy kitchen" oder "I kiss better than I cook". Aha! Wollte ich es so genau wissen?

Okay, vielleicht bin ich da auch gerade etwas streng. Vielleicht sollen diese Schilder ihre Hausbewohner auch nur daran erinnern, alles etwas lockerer zu nehmen. In einer Zeit, in der überall Perfektionismus herrscht, ist die Botschaft hier: Hey Leute, das Leben kann lustig sein, wenn wir es nur lassen.

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