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"Warum ich mich immer wieder für eine künstliche Befruchtung entscheiden würde"

BRIGITTE.de-Leserin Julia R. wurde nicht schwanger. Heute ist sie überglücklich, es mit einer künstlichen Befruchtung versucht zu haben.

Für mich war klar: Ich will es probieren!

Wir hatten eine Wahrscheinlichkeit von unter zwei Prozent, auf natürlichem Wege schwanger zu werden. Diese schockierende Diagnose hat uns tagelang beschäftigt. Dass etwas so Natürliches wie das Zeugen eines Kindes auf einmal so unwahrscheinlich sein sollte, ging uns nicht in den Kopf.

Nachdem wir unseren ersten Schrecken einigermaßen verarbeitet hatten, stand für mich schnell fest: „Jetzt erst recht!“ Meiner Meinung nach ist es so: Wer es versucht und verliert, hat eben verloren. Aber wer es nicht versucht, ist von vorne herein auf der Verliererseite.

Angesichts unserer Diagnose war klar, dass wir überhaupt nur mithilfe einer künstlichen Befruchtung eine Chance auf ein Kind haben würden. Und auch hierbei brauchten wir ein Quäntchen Glück - wie bei allem im Leben.

Wir legten sofort los

Wir beschlossen also, den Versuch zu wagen. Als unser Arzt fragte, wann es denn losgehen solle, sagte ich: „Na, gleich mit dem nächsten Zyklus!“ Ich spürte einfach, dass ich bereit war wie nie, ein Kind zu empfangen. Wozu also noch warten? Gewartet hatte ich schon lange genug. Nun hatte ich endlich eine Konstellation in meinem Leben, in der ein Kind überhaupt vorstellbar, wünschenswert und machbar erschien. Und ich war schon 35.

Jeden Tag eine Hormonspritze

Kurz darauf begann die Hormontherapie mit dem Ziel, bis zum Eisprung so viele Eizellen heranreifen zu lassen wie möglich. Das bedeutete für mich, dass jeden Abend ungefähr zum selben Zeitpunkt eine Spritze in mein Bauchfett gesetzt wurde. Das musste mein Mann übernehmen. Mit der Spritze an sich hatte ich kein Problem; mich selbst damit zu stechen, war allerdings des Guten zu viel.

Die Nebenwirkungen der Hormone waren unangenehmer als das tägliche Spritzen. Ich fühlte mich während der zweiwöchigen Behandlung auf unerklärliche Art unwohl in meiner Haut und in der Bauchregion irgendwie aufgequollen. Nicht so, dass es unerträglich gewesen wäre; angenehm war es allerdings auch nicht. Aber man hält es eben aus, weil man ein Ziel vor Augen hat. Dann war es soweit: „In zwei Tagen sollten wir die Eizellen entnehmen“, sagte der Arzt.

Die OP war erfolgreich!

Ich erinnere mich noch an wunderschöne Palmenstrände, die an die Decke projiziert wurden und an entspannende Musik, bevor ich im OP einnickte. Die Eizellen werden unter Vollnarkose entnommen, was recht schnell geht. Die nächsten zwei Tage – ich war krank geschrieben – fühlte ich mich ein wenig wund und unwohl, hatte aber keine Schmerzen. Die Nebenwirkungen der Hormone hatten mich mehr beeinträchtigt als die OP.

Die Entnahme war sehr erfolgreich: Zwölf Eizellen konnten gewonnen werden. Hiervon waren neun so ausgereift, dass man sie befruchten konnte. Die Leute im Labor leisteten ganze Arbeit, und schon bald konnten mir zwei befruchtete und bereits geteilte Eizellen eingesetzt werden. Dies war nicht aufwändiger als eine gynäkologische Untersuchung.

Dann begann das Warten ...

Nach einiger Zeit musste ich zur Blutentnahme, um zuverlässig feststellen zu können, ob ich schwanger war oder nicht. Warten, warten, warten – mit dem Wissen im Hinterkopf, dass die Wahrscheinlichkeit, Zwillinge zu bekommen, bei etwa 30 Prozent lag. Zwillinge zu bekommen - darauf legte ich eigentlich keinen Wert, aber wenn es das Leben so wollte … ?

Dann endlich der Anruf unseres Arztes: Schwanger! Beim ersten Versuch! Ich konnte es kaum fassen. Und, wie sich später herausstellte, auch nicht schwanger mit Zwillingen, sondern mit einem einzigen Kind. Es folgte eine völlig unproblematische Schwangerschaft. Nur die Geburt war ausgesprochen schwierig. Als ich aber endlich meinen Sohn im Arm halten konnte, waren selbst die Schmerzen des Notkaiserschnittes in den Hintergrund getreten. 

Mein ausgeprägter Glückszustand hielt ein ganzes Jahr an. Nichts und niemand konnte mir etwas anhaben.

Ohne ihn ist mein Leben nicht mehr denkbar

Inzwischen geht unser Sohn in den Kindergarten, und der Lohn unserer Bemühungen kann sich sehen lassen. Wir haben ein anstrengendes, lustiges und meist gut gelauntes Kind. Der Kleine hält uns auf Trab, er nervt uns auch manchmal, er kuschelt, er ist laut, er quengelt, er quatscht und er singt. Ein ganz normales, aufgewecktes Kerlchen mit einem engen Freundeskreis im Kindergarten. Wenn ich ihn ansehe, kann ich es manchmal noch immer nicht glauben. Aber es ist wahr: Er ist da, und er lässt die Sonne in mein Leben scheinen. Ohne ihn ist mein Leben nicht mehr denkbar.

Warum lehnen manche Paare eine künstliche Befruchtung ab?

Wenn ich von anderen Leuten dann Sätze höre wie „Also, eine künstliche Befruchtung hätte ich mir für mich nicht vorstellen können“, frage ich mich, warum das so ist. Natürlich kann ich nachvollziehen, dass Paare irgendwann aufgeben, wenn sie viele erfolglose Versuche hinter sich gebracht haben. Ich kann mir vorstellen, dass ein solches Prozedere zur enormen Belastung werden kann – für den Körper, die Seele, und natürlich auch für eine Paarbeziehung.

Es aber gar nicht erst versucht zu haben? Für mich absolut unvorstellbar!

Julia R. (40) wohnt mit Mann, Sohn und Hund im Taunus. In ihrer Freizeit geht sie gerne mit dem Hund in die Natur und engagiert sich im Tierschutz. Beruflich befasst sie sich mit der Suche nach Fach- und Führungskräften. 

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