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Krebs mit 3 Kindern Säugling auf der Brust, Metastasen im Hals, Todesangst im Bauch

Säugling auf der Brust, Metastasen im Hals: Vera und ihr Sohn Tom
© Käflein Fotodesign
BRIGITTE.de-Leserin Vera Käflein war 27 Jahre alt und hatte gerade ihr drittes Kind zur Welt gebracht, als man bei ihr Schilddrüsenkrebs diagnostizierte. Hier erzählt sie ihre Geschichte, die vor allem eins macht: Mut.

Ich heiße Vera und bin 34 Jahre alt. Vor wenigen Wochen wurde ich zum vierten Mal Mama. Die wunderbaren ersten Lebenswochen und die unendliche Freude über dieses kostbarste Geschenk des Lebens haben auch beim vierten Kind nichts von ihrem Zauber verloren. Im Gegenteil. Wahrscheinlich konnte ich diese besonderen Tage nach der Geburt und den sanften Frieden des Wochenbetts nie zuvor so sehr genießen – und vor allem schätzen. Noch nie war mir so bewusst, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, gesund und glücklich die ersten Wochen mit Baby verbringen zu dürfen.

Ein deutlich sichtbarer Knoten

Säugling auf der Brust, Metastasen im Hals: Vera im Porträt
Vera Käflein ist gelernte Sozialpädagogin und Mama von vier Kindern. Nach der Geburt ihres dritten Kindes erkrankte sie an Schilddrüsenkrebs. 2020 erschien ihr Buch „Ihr wart mein Licht in dunklen Tagen“, in dem sie ihre Krebserkrankung verarbeitet. Darüber hinaus ist sie auf Facebook und Instagram aktiv und möchte Menschen mit ihrer Geschichte Mut machen und Hoffnung schenken.
© Käflein Fotodesign

Bei der Geburt meines letzten Kindes war ich 27 Jahre alt. Es war der Sommer 2014, die deutsche Nationalmannschaft stand kurz davor, die Fußball-WM für sich zu entscheiden und gefühlt das ganze Land befand sich in aufgeregtem Freudentaumel. Doch obwohl ich überglücklich über meine nun drei Kinder war und mich riesig auf die erste Zeit zu fünft freute, wollte die allgemeine Euphorie nicht so recht auf mich überspringen. Irgendetwas war anders als nach der Geburt meines großen Sohnes vor genau zwei, und der meiner Tochter vor über sieben Jahren. Ich konnte nicht recht greifen was es war, aber ich spürte eine seltsame Unruhe in mir, als ich mit meinem neugeborenen Sohn aus der Klinik nach Hause kam und zusammen mit meinen beiden großen Kindern und meinem damaligen Partner die ersten gemeinsamen Tage verbrachte.

Den Moment, in dem ich den Grund für meine instinktive Unruhe entdeckte, werde ich nie vergessen. Ich war mit meinem Baby Mio* auf dem Arm durch die Zimmer gelaufen, um ihm unsere Wohnung zu zeigen. Vor dem großen Spiegel im Schlafzimmer hielt ich an und betrachtete meinen kleinen Sohn und mich. „Sieh mal Mio, das bist du und dahinter, das bin ich, deine Mama!“ hatte ich gesagt und Mios entzückendes Spiegelbild angelächelt, während meine Augen weiter hoch wanderten und ich beim Anblick meines Halses plötzlich zusammenzuckte. Was war das?

An der linken Seite meines Halses wölbte sich ein deutlich sichtbarer Knoten hervor. Panisch drückte ich darauf herum und konnte mir nicht erklären, wie mir diese Wölbung zuvor nicht aufgefallen sein konnte. Panik machte sich in mir breit. Meine Hand, mit der ich immerfort hektisch auf der Stelle herumdrückte, begann zu zittern. Immerhin, sie tat nicht weh, dachte ich, damals noch in der Annahme dies sei ein gutes Zeichen...

Mein schlechtes Gefühl schrie immer lauter und schriller

Während meine Familie und Freunde sich am Abend des selben Tages aufgeregt in unserem Wohnzimmer versammelt hatten und das WM-Finale in Argentinien verfolgten, wurde die Angst in mir immer größer und größer. Hatte ich eigentlich versucht, die Gedanken an den Knoten erst mal zu verdrängen, um in Ruhe unsere „Weltmeister- & Baby-Willkommensparty“ genießen zu können, schrie mein schlechtes Gefühl immer lauter und schriller, so dass ich es kaum schaffte, meinen panisch ratternden Kopf auszuschalten. Als Mario Götze die Nationalmannschaft nach 113 bangen Minuten zum Weltmeister machte und das ganze Land euphorisch den Titel feierte, blieb ich wie versteinert sitzen. Die Panik wuchs.

Säugling auf der Brust, Metastasen im Hals

Selbst, als meine Hebamme und später auch meine Hausärztin mich am nächsten Tag beruhigen wollten und beide der Annahme waren, der Knoten sei bestimmt nur eine Zyste, die vielleicht kürzlich aufgrund der Hormonumstellung nach der Geburt entstanden sei, kam ich nicht zur Ruhe. So gern ich ihnen Glauben geschenkt und endlich entspannt mein Wochenbett genossen hätte: Tief in mir drin wusste ich vom ersten Moment meiner beunruhigenden Entdeckung an, dass etwas nicht stimmte. Und zwar ganz gewaltig nicht...
Viele angstvolle Tage, Nächte und eine Operation später waren die Worte des Arztes dennoch ein unvorstellbarer Schock: „Sie hatten leider recht, Frau Käflein. Sie haben Krebs.“

Säugling auf der Brust, Metastasen im Hals, Todesangst im Bauch. Schilddrüsenkrebs mit 27.

"Ich möchte hören, wie du sprechen lernst"

Ich weiß noch, wie ich kurz nach meiner Diagnose im Krankenhausbett lag, meinen wenige Wochen alten Sohn Mio ansah und ihm unter Tränen das Versprechen gab, dass, egal was kommen möge, ich alles dafür geben würde, um ihm dabei zuzuschauen, wie er seine ersten Schritte laufen wird. „Und ich möchte hören, wie du sprechen lernst, hörst du?“ hatte ich ihm schluchzend zugeflüstert. Als er in dem Moment seine Augen öffnete, mit seinem kleinen Händchen nach meinem Finger griff und ihn fest umschloss, da wusste ich, dass ich es irgendwie schaffen werde, schaffen musste!

Und ich habe es geschafft.

Bestrahlung, Heimweh, Trennung, Umzug

Doch es war ein langer, steiniger und oftmals sehr schmerzvoller Weg. Auf die erste Operation folgte eine weitere, in der mir die komplette Schilddrüse und 60 Lymphknoten, die teilweise bereits vom Krebs befallen waren, entnommen wurden. Daraufhin folgte eine radioaktive innere Bestrahlung, die ich in Isolation verbringen musste, getrennt von meinen drei kleinen Kindern, die ich fast zwei lange Wochen nicht sehen durfte. Die Sehnsucht und das Heimweh schmerzten stärker als die riesige Wunde an meinem Hals und all die körperlichen Nebenwirkungen, unter denen ich die ersten Monate nach OPs und Bestrahlung litt, und die teilweise bis heute bestehen.

Säugling auf der Brust, Metastasen im Hals: Vera mit Miro im Krankenhaus
© Vera Käflein / Privat

Als ich endlich wieder fit genug war und nach Hause entlassen wurde, musste ich feststellen, dass wir von unserem alte Familienleben weit entfernt waren. Die Kinder waren durch die traumatischen Erlebnisse und die lange Zeit, die ich im Krankenhaus verbracht hatte, verunsichert.

Die Trennung, der Umzug und der Neustart als alleinerziehende Mama waren eine weitere schwere Prüfung

Meine noch immer sehr schlechte körperliche Verfassung setzte mir zu, und auch meine Partnerschaft hatte sehr unter der schweren Zeit gelitten. Nach einiger Zeit musste ich einsehen, dass die Beziehung den Krebs nicht überlebt hatte. Die Trennung, der Umzug und der Neustart als alleinerziehende Mama war eine weitere schwere Prüfung – nur ein Jahr nach meiner Krebsdiagnose.

Beginnt der Albtraum erneut?

Meine Kinder waren es, die mir ungeheuer viel Kraft in dieser Zeit gaben und immerfort die Gewissheit vor Augen hielten, dass es gar keine andere Option geben durfte, als immer wieder aufzustehen, weiterzumachen und niemals aufzugeben.
Gerade, als ich mich nach langer Zeit wieder ein wenig besser fühlte und es auch körperlich endlich etwas bergauf zu gehen schien, schlug das Schicksaal im Sommer 2016 auf einmal mit ganzer Kraft erneut zu. Bei einem Schwimmbadausflug mit meinem größeren, inzwischen vier Jahre alten Sohn Lukas* entdeckte ich plötzlich an selber Stelle wie damals eine gefährlich ähnlich aussehende Schwellung an seinem kleinen Hals. Mein Leben stand still. Und der Alptraum schien erneut zu beginnen...

Wie meine drei Kinder und ich zunächst meine eigene Erkrankung und nur zwei Jahre später diesen erneuten Schicksalsschlag – der schlussendlich Gott sei Dank gut ausging – bewältigt haben, und wieviel Kraft ich stets aus unserer tiefen Liebe und Bindung zueinander ziehen konnte, habe ich in meinem Buch zusammengefasst. Es ist 2020 erschienen und hat mir sehr geholfen, meine Erlebnisse zu verarbeiten.

Schwanger – trotz Bestrahlung

Und wie das Leben so spielt, habe ich genau an dem Tag, an dem ich mein fertiges Manuskript abgegeben habe, erfahren, dass ich völlig überraschend und entgegen aller Prognosen nach der Bestrahlung noch einmal schwanger geworden war. Deutlicher konnte mir das Leben nicht zeigen, dass das Kapitel Krebs nun endgültig beendet war. Es war an der Zeit für einen neuen, gesünderen und glücklicheren Teil unseres Lebens.

Deutlicher konnte mir das Leben nicht zeigen, dass das Kapitel Krebs nun endgültig beendet war.

Hatte ich anfangs noch Bedenken, ob mein Körper wirklich wieder stark und gesund genug für eine Schwangerschaft sei, folgten völlig komplikationsfreie, wunderschöne neun Monate. Vor Kurzem kam mein viertes Kind, unser kleiner Tom, problemlos und kerngesund zur Welt.

Nach allem, was war

Seither genießen wir den für uns zutiefst versöhnlichen Frieden und unser Familienglück in vollen Zügen – nach allem, was war. 

"Ihr wart mein Licht an dunklen Tagen" von Vera Käflein: Buchcover
2020 erschien Veras Buch "Ihr wart mein Licht an dunklen Tagen". Hier verarbeitet sie die Zeit ihrer Krebserkrankung mit allen Schicksalsschlägen, die sie und ihre Kinder zusammen durchstanden. 285 S., 10 Euro, erschienen bei Lübbe Sachbuch
© Lübbe Sachbuch / PR

Seit ein paar Tagen beginnt Tom zu lachen. Jedes Mal, wenn sein kleiner Babymund zu lächeln beginnt, seine Pausbäckchen vor Freude wackeln und er seine Geschwister, seinen tollen Papa oder mich mit seinen blauen Augen anstrahlt, löst das wahre Begeisterungsströme in unserer Familie aus. Manchmal könnte ich weinen vor Glück, wenn ich meine vier Kinder so beobachte, wie sie gemeinsam lachen, unbeschwert und einfach rundum zufrieden sind.

Ich glaube, ich war noch nie in meinem Leben so dankbar wie ich es heute bin – als wieder gesunde und überglückliche Mama von vier wunderbaren Kindern. Und nie zuvor wurde mir deutlicher vor Augen gehalten, dass selbst nach dunkelsten Stunden irgendwann die Sonne wieder scheint.

*Hier hat Vera die Namen ihrer Kinder geändert.

Brigitte

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