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Das Label "Mutter" im Job - Makel oder Gütesiegel?

Frau mit Baby am Computer
© Jacob Lund / Shutterstock
Schreibe ich die Elternzeit in den Lebenslauf oder lieber nicht? Warum fragt der potenzielle Arbeitgeber zuerst nach den Kita-Öffnungszeiten? Und wieso kriegen Väter so was im Job nie zu hören? Anna Schrader stellt in der Leserkolumne "Stimmen" klar: Wäre sie Chef, würde sie nur Mütter einstellen.

"Wollen Sie wirklich so offensiv damit umgehen?" Zuerst wusste ich nicht, was mein Bewerbungs-Coach von mir wollte. Dann tippte sie auf zwei Zeilen in meinem Lebenslauf: die zwei Elternzeitpausen. "Muss man das denn nicht angeben?" "Nur, wenn da sonst eine Lücke wäre. Aber Sie waren doch in der Firma noch angestellt und nur in Elternzeit. Das müssen Sie nicht angeben." Ok, gut zu wissen. Ich darf meine Kinder verschweigen.

"Und beim Familienstand im ersten Block des Lebenslaufs?" "Familienstand braucht man heute nicht mehr. Erstmal wollen Sie doch überhaupt zum Vorstellungsgespräch geladen werden, da geben Sie das besser nicht an. Beim Vorstellungsgespräch können Sie die Kinder ja immer noch erwähnen." Überzeugt war ich nicht, aber machte mir fleißig Notizen. "Also kein Familienstand, keine Erziehungszeiten, ich gebe eine durchgehende Beschäftigung von 1999 bis 2014 an, richtig?" Mein Coach überlegte kurz. "Moment. Sie sind 36. Vielleicht geben Sie die Kinder doch besser an, sonst denken die Arbeitgeber noch, dass Sie in absehbarer Zeit eine Babypause planen."

Das war der Moment, in dem ich darüber nachdachte, mich ohne Vornamen, ohne Geburtsdatum und ohne Foto zu bewerben. Als Frau Mitte 30 kann ich ja offenbar nur verlieren. Ohne Kinder bin ich ein Risiko, weil ich ja welche wollen könnte. Mit Kindern bin ich ein Risiko, weil die ja mal krank werden könnten. Im Endeffekt einigten wir uns darauf, die Kinder anzugeben und in Klammern dahinter zu schreiben "Betreuung gesichert." Dann diskutierten wir noch eine Weile über Vor- und Nachteile des Kompetenzprofils und schon war mein Coaching beendet. Und ich wusste immer noch nicht, ob ich nun offensiv mit meiner Mutterschaft umgehen sollte oder nicht. Ich finde die Erwähnung der Babypause im Lebenslauf nicht mal besonders offensiv, ich habe ja schließlich keine Kinderfotos mit eingeklebt oder "Kastanien sammeln" als Hobby aufgeführt.

Ich schrieb also meine Bewerbungen und wurde sogar - trotz Erwähnung der Kinder - zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Immerhin. Fachlich bestens vorbereitet, mit frisch gebügelter Bluse und furchtbar unbequemen Schuhen trat ich also zu den Gesprächen an, um mit meinem umfangreichen Fachwissen zu glänzen. Das wurde leider nur sehr wenig abgefragt, wichtiger waren den potenziellen Arbeitgebern die Kita-Öffnungszeiten und der Kind-Krank-Notfallplan. Irgendwie verstehe ich das ja. Aber es ärgert mich auch. Denn komischerweise wurde mein Eheliebster, soweit ich weiß, in keinem seiner Interviews je gefragt, ob er Kinder plant beziehungsweise ob vorhandene Kinder im Krankheitsfall gut betreut sind. In der Berufswelt wird man als Mutter automatisch mit dem Stempel "zeitlich unflexibel" und "hohes Ausfallrisiko" versehen.

Und obwohl viele Personalchefs inzwischen eigentlich wissen, dass "Teilzeit-Muttis" in vielen Fällen effektiver, schneller und zuverlässiger arbeiten als so mancher kinderlose Vollzeit-Kollege, bleibt die große Angst vor Kita-Ferien und Streptokokken. (Übrigens hielt ich das immer für ein billiges Klischee: Mütter, die über Ungleichbehandlung klagen und in Wirklichkeit effektiver sind als Kinderlose. Aber ich habe selbst erlebt, wie signifikant sich meine Leistung in meinem letzten Job nach der ersten Babypause im Vergleich zu vorher verbessert und wie wenig das die Personalabteilung bei der Entscheidung über betriebsbedingte Kündigungen interessiert hat.)

Ich hatte Glück. Ich bin irgendwie beim Radio gelandet. Aber auch nur, weil die Redakteurin, die die Bewerbungen sichtet, selbst Kinder hat. Der Producer hätte mich garantiert sofort aussortiert. Und ob das Ganze für die Ewigkeit ist, kann noch keiner sagen. Aber im Moment bin ich bei einem Sender, der Frauen meines Alters als Zielgruppe betrachtet. Und schon ist meine Mutterschaft total gefragt. "Du bist doch Mutter - glaubst Du, das kann man so sagen oder ist das zu schlüpfrig, wenn Kinder mithören?" "Du hast doch Kinder - kommst Du zufällig an Kinderstimmen ran, die mal unseren Jingle singen?" "Kennst Du Dich mit Lern-Software aus? Magst Du mal die Kinder-Apps für unseren App-Vergleich testen?" Hier steht also meine Mutterschaft fast mehr im Vordergrund, als mir lieb ist, denn mein fünfjähriger Sohn ist deutlich öfter "on air" als ich selbst. Aber wenigstens bleibt's in der Familie. Und spätestens wenn ich mit dem Sender über eine langfristige Festanstellung verhandele, wird die Mutterschaft zum Handicap, weil ich mangels Betreuung nicht die unbeliebte Wochenend-Nachrichten-Schicht übernehmen könnte.

Für meine künftigen Bewerbungen werde ich jedenfalls die Kinder weiterhin angeben, denn, ganz ehrlich, Jobs in denen 24-Stunden-Bereitschaft gefordert wird, will ich gar nicht. Ich will unbedingt arbeiten, möglichst mit einer gewissen intellektuellen Herausforderung, aber ich will keine Nanny einstellen müssen, damit ich zwölf Überstunden pro Woche dranhängen kann. Mama-Sein ist nämlich mehr als zwei Zeilen im Lebenslauf und Jahresurlaub in den Schulferien.

Mama-Sein ist neben dem Beruf ein weiterer Vollzeit-Job, nur ohne Schnickschnack wie Feierabend, Wochenende oder gar Urlaub. Für den Job braucht man eine wirklich effiziente Arbeitsweise, hohe Belastbarkeit, Multi-Tasking-Fähigkeit und Organisationstalent, sonst ist man ziemlich aufgeschmissen. Also, wäre ich Personalreferentin, würde ich nur Mehrfachmütter einstellen. Die sind absolut stresserprobt, extrem verantwortungsbewusst und kommen tagelang ohne Schlaf aus. Eigentlich das beste Qualitätssiegel, das man sich wünschen kann.

Text: Anna Schrader

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