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Julie von Bismarck: "Unsere Leihmutter ist eine Heldin!"

Schattenbild der Familie von Julie von Bismarck mit Mann und Tochter
© Julie von Bismarck / Privat
Sieben qualvolle Jahre lang kämpften Julie von Bismarck und ihr Mann John um die Erfüllung ihres Kinderwunsches. Von dieser Zeit berichtet Julie in ihrem Buch "84 Monate: 7 Jahre gefangen im Kinderwunsch". Letztlich wurde ihr Wunsch nach einem Baby erfüllt – mithilfe einer Leihmutter. Wie es sich anfühlt, wenn eine Leihmutter das eigene Kind austrägt, schildert Julie von Bismarck hier. Dieser Text enthält einen Affiliate Link

Leihmütter sind keine Sklavinnen - sie sind Heldinnen

Um es gleich vorweg zu nehmen: Es ist ein Irrglaube, dass Leihmütter ausschließlich von reichen Schauspielerinnen engagiert werden, die keinen Bock auf eine Schwangerschaft haben, weil sie um ihren mühsam ausgehungerten Body fürchten. 

Es ist ebenso ein Irrglaube, dass es sich bei Leihmüttern um Sklavinnen handelt, die in dunklen Verschlägen eingesperrt werden, bis sie das Kind auf die Welt gebracht haben und dann gleich mit dem nächsten schwanger gemacht werden. 

In Kalifornien (und vermutlich auch in anderen Ländern der Welt) ist es erstens vollkommen normale Praxis und gilt es zweitens als etwas Großartiges, für eine andere Frau ein Kind auszutragen, die dazu selbst nicht in der Lage ist. Für uns war es die einzige Möglichkeit, unser Kind auf die Welt zu bringen und unsere Leihmutter ist eine Heldin. 

Ich wurde sofort schwanger - warum auch nicht?

Als mein Mann und ich beschlossen, ein Kind zu bekommen und ich die Pille absetzte, wurde ich gleich im ersten Zyklus schwanger. Uns überraschte das überhaupt nicht – genau deswegen hatte ich ja zuvor fast 15 Jahre lang die Pille genommen. Sex ohne Verhütung = Baby.

Ebenso selbstverständlich war es für uns, dass eine schwangere Frau nach circa neun Monaten ein gesundes, glückliches Baby auf die Welt bringt. Wir kannten es einfach nicht anders. 

Von dem Moment an, in dem wir den positiven Test in den Händen hielten, bestand für uns also keinerlei Zweifel daran, dass wir in einigen Monaten Eltern werden würden. Wir verhielten uns so, als seien wir bereits Eltern – und streng genommen stimmte das ja auch, denn in meinem Bauch wuchs unser Baby heran. 

Wir schmiedeten Pläne, wie unser Kind aufwachsen sollte, überlegten im Detail, wo wir das erste Baumhaus bauen würden, welcher Baum wohl am geeignetsten wäre, was für ein Pony es bekommen würde und ob unser Kind auch in Deutschland oder nur in Afrika in die Schule gehen sollte. 

Dann wurden wir aus unserem Leben gerissen

Als bei einer Routineuntersuchung festgestellt wurde, dass unser Kind nicht mehr lebte, wurde nicht nur innerhalb einer Sekunde das Leben vernichtet, das wir uns in unserer Vorstellung ausgemalt hatten - wir wurden auch aus unserem wirklichen Leben gerissen. 

Jeder versicherte uns, eine solche Fehlgeburt sei etwas völlig Normales, fast jede Frau hätte eine in ihrem Leben, so etwas passiere ständig. Abhaken und weitermachen. Diese sicherlich tröstend gemeinten Sätze führten dazu, dass ich mich falsch fühlte in meiner Trauer - in einer Situation, in der ohnehin schon alles um mich herum in sich zusammengebrochen war. 

Fehlgeburten werden in unserer Gesellschaft vollkommen unterschätzt. Nur weil etwas häufig passiert, macht es das nicht weniger schrecklich.

Mein Mann sagte damals, das Kind habe sich vielleicht entschieden, erst später zu uns zu kommen. Vielleicht seien wir einfach noch nicht bereit gewesen. Und das war fortan unsere Hoffnung.

Julie von Bismarck und ihr Ehemann Björn
Julie von Bismarck und ihr Ehemann Björn (der im Buch John heißt) – sieben Jahre lang kämpften sie um die Erfüllung ihres Kinderwunsches. Wie qualvoll für sie der Weg zum Baby war, schildert Julie von Bismarck in ihrem Buch "84 Monate – Sieben Jahre gefangen im Kinderwunsch".
© Julie von Bismarck / Privat

Sieben Jahre lang versuchten wir alles, um unser Kind zu bekommen. Und damit meine ich: alles. Wir, die immer überzeugt gewesen waren, dass das Kinderkriegen etwas Natürliches, Ungezwungenes sein sollte, hatten plötzlich Sex nach Plan und suchten in unserer Verzweiflung schließlich Kinderwunschkliniken auf. Ich spritzte Hormone und nahm Operationen und künstliche Befruchtungen in kauf. Ich stimmte sogar dem Einfrieren unserer Embryonen zu, als ein Transfer wegen einer Überstimulation nicht möglich war… Kurz: Ich tat alles, was ich zuvor absolut kategorisch abgelehnt hatte. 

Meine Gebärmutter hatte ihre Funktionsfähigkeit verloren

Nach sieben Jahren war ich trotz alledem immer noch nicht schwanger. Wie sich herausstellte, war das auch gar nicht möglich gewesen. Durch die beiden Operationen, die nach dem Tod unseres Kindes nötig gewesen waren, hatte meine Gebärmutter ihre Funktionsfähigkeit verloren – die Kinderwunschärzte hatten auf Kosten meiner psychischen und körperlichen Gesundheit sehr viel Geld verdient, und es für sich vermutlich damit gerechtfertigt, dass es ja auch immer wieder "Wunder" gibt. Schließlich war ein Arzt darunter, der sich die Befunde ansah und klipp und klar sagte: 

Ihre Gebärmutter ist eine Wüste. Dort kann sich kein Embryo einnisten und gedeihen. Sie werden kein Kind auf die Welt bringen.

Nachdem das erste Entsetzen über die Erkenntnis, dass all die anderen Ärzte die Befunde wohl ebenso hätten deuten müssen und die erste Wut über die verschwendeten Jahre verraucht war, gesellte sich eine gewisse Erleichterung hinzu: Wir wussten endlich, warum es nicht klappte mit dem Baby.

Es bedeutete allerdings auch, dass all die Embryonen der letzten Jahre zu gesunden Kindern hätten werden können, wenn sie in eine intakte Gebärmutter gesetzt worden wären statt in meine. Wir dachten an unsere eingefrorenen Embryonen und daran, dass wir die Wahl hatten, diese auch noch umzubringen oder ihnen eine Chance auf Leben zu geben. 

Für uns gab es nur eine Entscheidung. Und dafür waren wir auf die gesunde und intakte Gebärmutter einer anderen Frau angewiesen. 

Der Gedanke, dass eine fremde Frau mein Kind auf die Welt bringen sollte, war schrecklich und gruselig. Aber der Gedanke, dass mein Kind nicht leben würde, nur weil ich nicht bereit war, die Kontrolle abzugeben, dieser Gedanke war noch viel, viel schrecklicher. 

Eine Leihmutter zu finden, war schwer. Nicht nur war der Vorgang wahnsinnig aufwendig, es war psychisch für mich unerträglich, keinerlei Einfluss auf das Wohl und Gedeihen meines Kindes zu haben. Da waren ständig diese Gedanken: Hat sie Stress in der Familie? Isst sie Rohmilchkäse? Badet sie heiß? Färbt sie sich die Haare? Fühlt das Baby sich geliebt? Trinkt sie vielleicht doch ein Gläschen Sekt – nur eins, ist ja Geburtstag? Es war zum Verrücktwerden.

Schließlich entschied ich, den Wunsch nach irgendeiner Art von Kontrolle loszulassen und Vertrauen zu unserer Leihmutter zu haben. Ich konnte ja eh nichts tun. 

Sie war eine Bärenmutter - für unser Kind

Wie sich herausstellte, waren meine Sorgen vollkommen unberechtigt – sie war für unser Kind genauso eine Bärenmutter, wie sie es für ihre eigenen Kinder war. Wir haben immer noch ein tolles Verhältnis zu ihr und ihrer Familie, und es war eine beeindruckende Erfahrung. Ein Beweis dafür, was Frauen füreinander zu tun in der Lage sind, eine Mischung aus der enormen und besonderen Kraft des weiblichen Geschlechts und echter Nächstenliebe. 

Dennoch war der Weg extrem weit, hart und aufwendig (auch finanziell) und unser Kind wird keine Geschwister haben. Aber wir haben unsere Tochter endlich auf die Welt gebracht. Und das ist alles was zählt. 

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