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Ina Rudolph: "Wie der Krebs mein Leben verbessert hat"

Bei Schauspielerin Ina Rudolph wurde Brustkrebs diagnostiziert. Hier erzählt sie, wie sie mit der Diagnose klarkam - und was ihr dabei half.
Ina Rudolph schreibt über ihren Krebs
Ina Rudolph hat 15 Jahre als Schauspielerin für das deutsche Fernsehen gearbeitet und große Rollen gespielt, u.a. bei „In aller Freundschaft“, „Tatort“ und „Wilsberg“. Dann lernte sie die Selbstüberprüfungsmethode "The Work“ von Byron Katie kennen - seit 17 Jahren gibt sie sie an andere Menschen weiter (http://inarudolph.de).

© Christine Olma

Heilsame Erkenntnis: "Ich kann nicht in die Zukunft blicken"

An einem Freitag im Dezember tastete meine Gynäkologin einen Knoten in meiner rechten Brust. Es ging alles ganz schnell. Die Biopsie fand noch am gleichen Tag im Krankenhaus statt. Am Abend lag ich auf meinem Sofa und der Druck des Tages entlud sich mit Tränen.

Dann rief mein Vater an. Er liebt meine Bücher und erinnert mich gern immer mal wieder daran, dass alles, was ich weiß und kann, auch für mich selbst anwendbar ist und nicht immer nur für andere. Dafür bin ich ihm dankbar. Er mag die Fragen von „The Work“, mit denen ich arbeite und fragte mich also: „Kannst du wirklich ganz sicher wissen, dass das alles so kommt, wie du jetzt glaubst?“

Ohne dass ich gewusst hätte, was ich glaube und befürchte, trat nach dieser Frage eine herrliche Ruhe ein. Mir war wieder einmal klar: Ich kann nichts ganz sicher wissen. Wir Menschen wissen nicht, was und wie es kommen wird.

Was kann ich wirklich wissen?

Mir wurde warm, mein Körper entspannte sich, ich sank in die Kissen meines Sofas. Ohne, dass ich mir meiner stressigen Glaubenssätze überhaupt bewusst gewesen war, hatte mir diese Frage den Raum zur Freiheit geöffnet. Was kann ich wirklich wissen? Ja, ich glaube manchmal, mir einer Sache sicher sein zu können – aber ist diese Sicherheit nicht eine Illusion?

Es war, als würden alle Gedanken von mir abspringen. Keine Geschichte mehr in meinem Kopf, auch keine undeutliche. Stille. Frieden. Ich weiß nichts. Nicht, wie diese Krankheit weitergeht, nicht, wie lange ich noch leben werde. Ich kann nicht sicher wissen, ob es mir schlecht gehen wird. Vielleicht wird ja sogar etwas besser? Ohne all das zu wissen, tat es gut, für diese Art Gedanken offen zu sein.

Ich liebe diesen Ort des Nicht-Wissens. Dort herrscht eine große Freiheit. Dort gibt es keine Bedingungen. An diesem Ort kann ich mich lieben, ohne dafür etwas Besonderes zu tun oder zu sein. Dort liebe ich das Leben selbst. Die Luft, die mich umgibt, dass ich mit meinen Augen die Welt sehen kann, mit meinen Ohren hören.

Wie ich meine stressigen Gedanken loswurde

Vor 17 Jahren habe ich „The Work“ kennengelernt. Eine Selbstbefragungsmethode, mit der jeder seine stressigen Konzepte finden kann. Alles, was wir über uns und andere denken. Glauben wir diesen stressigen Gedanken, haben wir auch stressige Gefühle wie Angst, Ärger und Wut. Stressige Gedanken blockieren unsere Entfaltung und die Entfaltung von Liebe.

Alle diese Gedanken können wir überprüfen und im Frageprozess finden wir friedlichere Perspektiven. Freundlichere, unterstützende Sichtweisen. Meist können wir unsere ursprünglichen Gedanken dann einfach nicht mehr glauben. Und glaube ich diesen Gedanken nicht mehr, verschwinden auch die stressigen Gefühle.

In diesem ersten halben Jahr der Krebsbehandlung (die Chemo habe ich hinter mir) konnte ich einige Gedanken finden, die mich gestresst haben. Zum Beispiel:

  • Die Chemo sollte mich meine Arbeit machen lassen
  • Ich muss stark sein
  • Heiler sollten nicht so tun, als wüssten sie alles
  • Ich muss mich an die Ernährungsrichtlinien für Krebskranke halten
  • Ich darf meinen Freundeskreis nicht belasten

Durch die Überprüfung konnte ich zum Beispiel sehen, wie stressig es für mich ist, wenn ich die Chemo kontrollieren will. Wenn ich von ihr will, dass sie mich mit Samthandschuhen anfasst und mich meine Arbeit machen lässt. Denn das tat sie nicht. Ich konnte sehen, dass das Gegenteil des Gedankens eher stimmt: Ich sollte die Chemo mal ihre Arbeit machen lassen. Ich hatte mich für die Chemo entschieden und nun erzähle ich ihr nicht, wie sie was zu machen hat. Abgesehen davon, dass das sowieso aussichtslos ist.

Ich muss nicht stark sein

Und es ist auch nicht wahr, dass ich stark sein muss. Durch die Krankheit habe ich mir endlich gestattet, schwach zu sein. „Wann, wenn nicht jetzt?“, habe ich manchmal gedacht, und dann gab es immer eine helfende Hand, ein offenes Ohr oder eine Umarmung.

Jetzt erscheint es mir normal, auch mal schwach zu sein, mich mal hängen zu lassen, nicht weiter zu wissen, keinen Plan und keine Antwort zu haben. Ja, ich habe richtig Gefallen daran gefunden. Immer stark sein ist anstrengend und verhindert auch echten Kontakt mit anderen Menschen.

Nach der Überprüfung konnte ich auch nicht mehr glauben, dass ich mich an irgendwelche Richtlinien für Krebskranke halten muss. Ich kann, wenn ich möchte. Und ich bin dankbar dafür, dass es so viele Informationen gibt. Aber ich konnte auch spüren, dass ich selbst eine Weisheit in mir trage, die weiß, wieviel ich verkrafte. Sie weiß, woran ich mich halten will und womit ich lieber noch ein bisschen experimentieren möchte. Kann ich mich mit dieser Weisheit verbinden, bin ich immer gut aufgehoben.

Ina Rudolph: "Wie der Krebs mein Leben verbessert hat"
© PR

In ihrem Buch "Ich will mich ja selbst lieben, aber muss ich mich dafür ändern?" gibt Ina Rudolph Antworten auf die zentrale Frage „Wie geht Selbstliebe?“ (Goldmann, 14 Euro).

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