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Glückliche Scheidung "Wir führten eine Bilderbuchehe - für die anderen"

Glückliche Scheidung
© wk1003mike / Shutterstock
BRIGITTE.de-Leserin Andrea (52) hat acht Jahre lang die Affäre ihres Mannes ertragen - für den Sohn und die Öffentlichkeit. Dann schaffte sie endlich den Absprung in ein erfüllendes Leben.

Wir führten eine Bilderbuchehe - für die anderen

Er legte den Arm um mich und drückte mich an sich. Es war der Abschied, das Akzeptieren und das Annehmen. Aber es war auch mein Anfang und mein Aufbruch. Ich fühlte mich endlich verstanden, am Ziel, glücklich und frei.

Mein Kampf hatte fast acht Jahre gedauert, acht Jahre, in denen ich von ihr wusste. Keine Ahnung, wie lange sie schon vorher da war und für ihn wichtiger war als ich, unser Sohn und unser Leben.

Als ich von ihr erfuhr, bemerkte, dass wir nicht mehr allein in unserer Ehe waren, war unser Sohn noch in der Grundschule. Von außen betrachtet führten wir eine Bilderbuchehe und waren für alle eine kleine, heile Familie.

Ich war Alltag für ihn, sie das Abenteuer

Ich weiß nicht, wie es geschehen konnte, dass sie für ihn so wichtig wurde. Ich habe mein Bestes gegeben, ich war brav, genügsam, angepasst. Wahrscheinlich von allem ein bisschen zu viel.

Ich stellte ihn zur Rede und stellte ihm frei, zu gehen oder zu bleiben, dann aber ganz - nicht nur körperlich, sondern auch mit dem Herzen.

Er rang sich durch, zu bleiben, aber er war nie mehr wirklich da. Sie war ihm einfach zu wichtig.

Angeblich war unser Sohn der Grund, warum er blieb. Ich war aber einfach bequem für ihn. Ich war Alltag, sie war Abenteuer.

Dazu muss man wissen, dass sein Hobby seine Tanzband war. Abendliche Proben, die plötzlich drei- statt einmal pro Woche stattfanden, und immer wieder auch am Wochenende, fielen mir anfangs gar nicht auf. Es war ein schleichender Prozess, bis ich merkte, dass etwas nicht stimmt: Er fuhr nicht mehr im Jogginganzug zur Probe, sondern im frischen Hemd.

Für unseren Sohn opferte ich mich auf, Tag für Tag

Die Jahre kamen und gingen. Erst war es der Wechsel unseres Sohnes von der Grundschule aufs Gymnasium - ich dachte, eine Trennung kann ich ihm jetzt nicht antun, dann schafft er den Sprung nicht. Doch meine Verzweiflung wuchs.

Es gab Tage, da wachte ich auf und hatte Angst vor dem Tag voller Lügen. Ich weinte viel und schlief wenig. Ich war erschöpft, apathisch und antriebslos. Ich resignierte.

Als unser Sohn das Abitur machte, dachte ich wieder, ich kann ihm jetzt nicht den Vater wegnehmen, er schafft das nicht. Ich opferte mich auf, Tag für Tag. Und aus Wochen wurden Jahre.

Irgendwann konnte ich nicht mehr

Jahrelang habe ich auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, aber er kam nicht. Ich hatte Ausreden und Ausflüchte, doch langsam begann meine Welt zu bröckeln. Bei harmlosen Gesprächen mit Freundinnen begann ich zu weinen, und im Büro fielen mir die Augen zu, weil ich kaum Schlaf bekam. Ich nahm 15 Kilo ab und es fiel ihm nicht auf. Er sah mich ja kaum noch an, war ja kaum da. Und wenn er da war, flüchtete er in ein anderes Zimmer. Er mied mich, wo es ging. Es war einfach, sich aus dem Weg zu gehen.

Meine größte Sorge galt unserem Sohn. Wie würde er reagieren, wenn seine Eltern sich trennten? Er war zwar fast 18, aber er liebte seine Familie. Ich versuchte wirklich alles, um ihm eine perfekte, heile Welt vorzugaukeln und mein Mann spielte geduldig, gemein und hinterhältig mit.

Ich habe es mir nicht einfach gemacht, 100 Situationen durchdacht und in Gedanken durchgespielt, Konsequenzen überlegt, mir mein zukünftiges Leben versucht, auszumalen …. Nein, einfach war es nicht, und Abwarten würde es auch nicht einfacher machen.

Irgendwann wusste ich: Egal wie es dann sein würde, es wäre anders als jetzt, und das wäre gut.

Eines Abends, hielt ich es nicht mehr aus. Es war der Freitag vor Pfingsten, vor uns lag ein langes Wochenende, unser Sohn würde Zeit haben, die Sache ein bisschen sacken zu lassen ... Ach, was verlangte ich da von ihm, ich hasste mich dafür, aber einmal im Leben dachte ich an mich.

Nach Jahren des Leids war ich plötzlich stark

Jetzt oder nie. Ich hatte nicht mehr die Kraft, an Schwiegermutters 80. Geburtstag die heile Familie vorzuspielen. Und ich hatte keine Lust mehr, für seinen 50. Geburtstag die fürsorgliche Ehefrau zu spielen, nur damit er nach der Feier wieder zu ihr fahren konnte.

Als er abends wieder so lange fernsah, bis er sicher war, ich würde schlafen, setzte ich mich aufrecht im Bett hin und wartet auf ihn. Ich wartete geduldig und lange. „Du bist noch wach?“, fragte er, als er reinkam. „Ja. Wir müssen reden.“ - „Ich habe es befürchtet.“

Diesmal war ich stark. Da war kein „Hast du schon mal überlegt“ oder „Könntest du dir vielleicht vorstellen“. Da war ein klares: „Ich möchte die Scheidung, und zwar jetzt und sofort. Ohne Wenn und Aber.“ Ich schaffte das ohne Tränen, obwohl ich fast erstickte daran und ohne mich zu übergeben, obwohl mir schlecht war und mein Herz bis zum Hals schlug.

Und er? Er war froh, dass es endlich ausgesprochen war, und dass er es nicht sein musste, der es aussprach. Er war sofort mit allem einverstanden.

Plötzlich war alles gut

Meine größte Angst war gewesen, dass ich aus der Wohnung rausmusste, aber das hatte er schon durchdacht. Er zog wieder in sein Elternhaus und unser Sohn und ich konnten bleiben. Der Junge war unendlich traurig und geschockt, hat eine Nacht lang geweint – es zerriss mir das Herz –, aber ich konnte nun nicht mehr zurück.

Ab diesem Tag redeten mein Mann und ich wieder miteinander. Nun hatten wir ja auch ein Thema. Wer? Was? Wem? Wann? Es gab so viel zu klären.

Unser Sohn merkte, dass wir uns nicht gegenseitig fertigmachten, so wie er es bei Freunden mitbekam. Er spürte sofort, dass es mir besser ging, dass Mama und Papa – so komisch es klingen mag – wieder an einem Strang zogen, redeten, Dinge klärten. Es gab kein böses Wort, keine Beleidigungen, keine Anschuldigungen. Ich wollte nur, dass mein Mann möglichst schnell seine Sachen nahm und ging. 

Ich freute mich auf mein neues Leben!

Andrea (52) hat wieder einen Partner, der ihr Geborgenheit und Sicherheit gibt, aber sie ist nach wie vor gerne allein. Ihre neue Beziehung ist "echt und wirklich", wie sie sagt - und nicht nur für die Öffentlichkeit bestimmt.
Andrea (52) hat wieder einen Partner, der ihr Geborgenheit und Sicherheit gibt, aber sie ist nach wie vor gerne allein. Ihre neue Beziehung ist "echt und wirklich", wie sie sagt - und nicht nur für die Öffentlichkeit bestimmt.
© privat

Mein Mann lief herum wie ein geprügelter Hund, und ich hatte Mitleid mit ihm – immer noch –, aber ich freute mich auf meinen Neuanfang und auf meine Neuentdeckung des Lebens da draußen. Fast acht Jahre lang ist das Leben an mir vorbeigezogen. Nun war ich endlich bereit und offen für Neues.

An einem schönen Augusttag hatten wir unseren Scheidungstermin. Die Scheidungsrichterin meinte, dass sie sich wünschen würde, dass mehr Scheidungen so unkompliziert und freundschaftlich über die Bühne gehen.

Das ist jetzt sechs Jahre her, inzwischen sind wir gute Freunde und wir werden von allen bewundert und gelobt für unsere Art, mit der Situation umzugehen. Ich mache das immer noch für meinen Sohn. Aber ich habe mir fest vorgenommen, für nichts und niemanden mehr eine Rolle zu spielen, die nicht echt ist. 

Brigitte

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