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"Und dann kam die Mamamorphose - wie ich meine beste Freundin an ihr Baby verlor"

Als sie ihre beste Freundin plötzlich mit deren Baby teilen musste, war das nicht immer leicht für Judith Luig. Aber sie hat sie sich Stück für Stück zurückerobert.
Judith Luig, Jahrgang 1974, begann ihre journalistische Karriere als Reporterin für Schützenkönigskrönungen, Karnevalsprinzessinnen und goldene Hochzeiten. Sie schrieb für die «taz» über Frauen, Männer und Paralleluniversen und unterrichtete Literaturwissenschaften an der Freien Universität und an der Humboldt-Universität Berlin. Für die «Welt am Sonntag» stieg sie auf in die Liga der Thronfolgerhochzeiten, Heavy Metal Festivals und Protestkulturen. Aktuell ist sie Reporterin der «Berliner Morgenpost».
Judith Luig, Jahrgang 1974, begann ihre journalistische Karriere als Reporterin für Schützenkönigskrönungen und Karnevalsprinzessinnen. Sie schrieb für die «taz» über Frauen, Männer und Paralleluniversen und unterrichtete Literaturwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin. Für die «Welt am Sonntag» stieg sie auf in die Liga der Thronfolgerhochzeiten und Heavy Metal Festivals. Aktuell ist sie Reporterin der «Berliner Morgenpost».
© Thorsten Wulff

Ich liebe meine beste Freundin. Ich treffe mich gerne mit ihr, ich bespreche fast alles mit ihr, wir teilen Geheimnisse, erleben Dinge zusammen. Trösten uns, und freuen uns füreinander. Ich teile meine Freundin nicht gern. Nicht mit ihrem Mann und schon gar nicht mit anderen Freundinnen. Ich mache es aber trotzdem. Das gehört auch zur Freundschaft dazu. Meine beste Freundin fand eigentlich immer noch viel Zeit für mich, und ich für sie. Bis ihr Sohn geboren wurde. Als meine beste Freundin Mutter wurde, war sie auf einmal zu zweit. Nicht mehr nur eine Freundin, sondern eine Freundin mit Anhang. Noch dazu mit einem, der sie ständig ablenkte. Am Anfang war das schön, da war ich natürlich neugierig auf das Kind. Noah sah damals übrigens eher aus wie ein glücklicher Käfer, aber genau das will man eben gerne miterleben. Ich wollte auch sehen, wie meine Freundin sich so als Mutter machte, ich wollte ihre Freude mitfreuen. Die ersten Monate war das auch wunderbar. Aber irgendwann kam der Punkt, da wollte ich auch wieder mit meiner Freundin alleine sein.

Wenn die Freundin unter einem Berg von Feuchttüchern verschwindet

Wie sage ich meiner Freundin, dass ich nur Zeit mit ihr verbringen möchte und nicht mir ihr und ihrem Kind? Die Antwort ist: gar nicht. Vergessen Sie es. Wenn ihre Freundin Mutter wird, dann erlebt sie eine totale Verwandlung. Die Mamamorphose.

Sie verschwindet unter einem Berg von Feuchttüchern und Spucktüchern und Windeln und wenn sie wieder auftaucht, ist sie eine andere Frau. Eine, die sie selbst wahrscheinlich nie sein wollte, eine, die sich nur um ihr Kind kreist. Als Freundin ist es wichtig, dass Sie dann für sie da sind. Ihr über die erste Zeit der Unsicherheit hinweghelfen.

Ihre Freundin ist jetzt total überfordert. Was nutzt es, wenn sie jetzt auch noch mit ihren eigenen Ansprüchen kommen? Wenn eine Freundin Mutter wird, dann ist sie erstmal keine Freundin mehr. Für eine Zeitlang werden sie jetzt die Freundschaftsbeautragte. Das ist nun mal so. Regen Sie Treffen an, seien Sie flexibel, nehmen Sie teil an ihrem Leben. Ihre Freundin braucht Sie jetzt.

Ich war eifersüchtig auf ein vier Monate altes Baby

Aber Kinder werden älter. Auch das Ihrer Freundin, ich verspreche es Ihnen. Es wird der Moment kommen, da will Ihre Freundin auch mal ohne ihr Kind sein. Ein paar Monate müssen Sie sich gedulden. Wenn sie dann nicht sogar selbst die Initiative ergreift, und ein Treffen nur zu zweit vorschlägt, dann sollten Sie das tun. Aber niemals explizit. "Ich will Dich ohne Dein Kind treffen", so ein Satz wirkt auf Ihre Freundin wie eine Kritik. Sie wird beleidigt sein. Und bockig werden. Oder schlimmer, unglücklich.

Das Kind ist am Anfang ihr verlängertes Ich. Sie hat viel dafür aufgegeben. Zwingen Sie sie nicht zu früh, sich zwischen ihrem Kind und Ihnen zu entscheiden. Ganz ehrlich, Sie werden doch nicht eifersüchtig auf ein vier Monate altes Baby sein. Oder doch? Ich war es manchmal. Es ist ein bisschen peinlich, das zuzugeben.

Wenn Sie Ihre Freundin partout nur ohne Kind sehen wollen, dann sollten Sie sich mal fragen, warum das so ist. Komplett ausschließen werden sie die Kinder nicht können. Wenn Sie ihre Freundin behalten wollen, dann müssen Sie akzeptieren, dass das Kind ein Teil ihres Lebens ist. Auch wenn sie es zu einem Treffen nicht mitbringt, sie wird über Kita-Plätze, Gelbsucht und wunde Pos reden wollen.

Ich habe nie gedrängelt, aber ich bin immer drangeblieben

Ich habe das seinerzeit sehr radikal durchgezogen. Ich war sogar beim Baby-Schwimmen dabei. Nur zur Rückbildung ließ man mich nicht. Als ich das Gefühl hatte, ich wollte mal wieder nur alleine mit meiner Freundin Erwachsenendinge machen, da schlug sie glücklicherweise zum selben Zeitpunkt ein Treffen in einer Bar vor. Nach Noahs Schlafenszeit. Es war also klar, dass er nicht dabei sein würde. Manche meiner Freudinnen schleppen ihr Kind zu jedem Treffen mit. Mit dem Erfolg, dass man sich nicht mehr als drei Minuten am Stück unterhalten kann. Sollte das Kind sich mal kurz selbst beschäftigen, endet es meist damit, dass es sich die Finger in der Tür eingeklemmt, am Nachbartisch den Cappuccino umgeworfen oder das Bad unter Wasser gesetzt hat. Wenn man eine Freundin wieder zur Freundin haben will, muss man das diplomatisch angehen. Dinge vorschlagen, die man mit einem Kind nicht machen kann. Kino zum Beispiel, ein Abendessen im schicken Restaurant, Theater-Besuche, was auch immer man gerne zu zweit gemacht hat in der Zeit vor der Mamamorphose. Ich habe nie gedrängelt, aber ich bin immer beständig geblieben. Ich habe gemerkt, die meisten meiner Freundinnen vermissen die Frau, die sie vor der Geburt ihres Kindes war ebenso sehr, wie ich es getan habe.

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