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"Nach einer Geburt wird nur die Nabelschnur, nicht aber ein Teil des Verstandes durchtrennt"

"Eine Frau in Elternzeit? Mit der ist wohl nichts mehr anzufangen." Ein Spruch, der Laura Fröhlich wütend macht. Aber der ihr ständig begegnet, seit sie für ihre Kinder eine Jobpause einlegt. Warum sie sich generell ein Umdenken wünscht, schreibt sie in der Leserkolumne "Stimmen".

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"Und, wie geht es den Kindern?" fragt mich der Typ mittleren Alters, erfolgreich, kinderlos, weltgewandt. "Den beiden geht's gut!", antworte ich, und damit ist unser Gespräch beendet. Er wendet sich meinem Mann zu und die beiden sprechen weiter über das Für und Wider von Assessment-Centern und zielführender Personalpolitik. Ich widme mich meinem Glas Rotwein und kaue an einem Stück Weißbrot. Meine Meinung zu diesem Thema ist hier leider nicht gefragt, schließlich bin ich Mutter in Elternzeit und damit raus!

An diesem Abend wird mir mal wieder bewusst, was es bedeutet, den Job erst einmal an den Nagel zu hängen und mich stattdessen der Erziehung meiner zwei Kinder zu widmen: Ich bin nicht länger eine ebenbürtige Gesprächspartnerin in Sachen Business und Büro, sondern werde im niveauvollen Gespräch beim Edelitaliener zur Außenseiterin degradiert. Ist es die Angst vor einem Vortrag über den Stuhlgang des Babys, die den Herrn davon abhält, mich ins Gespräch mit einzubeziehen? Oder die stille Unterstellung, Frauen mit Kindern interessierten sich nicht länger für eine Welt jenseits von Spielplatz und Krabbelgruppe? Jedenfalls fühle ich mich in diesem Moment wie früher im Physikunterricht: "Für Inhalte dieser Art aus mangelndem Intellekt leider nicht geeignet!"

Ich werde sauer! Ich kann sehr wohl mitreden, schließlich habe ich selbst zwei Assessment-Center erfolgreich durchlaufen, kann auf ein Studium und Berufserfahrung zurückblicken, lese Zeitung und höre auch mal Nachrichten-Podcasts, wenn ich Baby, Bügeleisen oder Kehrblech in den Händen halte. Dem ignoranten Herrn an unserem Tisch scheint nicht bewusst zu sein, dass nach einer Geburt nur die Nabelschnur, nicht aber ein Teil des Verstandes durchtrennt wird.

Aber ehrlich gesagt ist es nicht das erste Mal, dass ich als Mutter außen vor bin. Die Freude über meine Schwangerschaft konnte mein Arbeitgeber kaum verbergen. Denn wie lassen sich Personalkosten einfacher minimieren, als damit, den befristeten Arbeitsvertrag einer Mitarbeiterin in Elternzeit still und leise auslaufen zu lassen? Einen anderen Fausthieb kassierte ich beim Arbeitsamt. Auf Unterstützung und Ermutigung hoffend, bat ich um einen Termin zur Berufsberatung. Ich wollte wieder halbtags arbeiten. Eine unsympathische Dame musterte meinen Lebenslauf und mein schlafendes Kleinkind in der Babyschale mit hochgezogenen Augenbrauen.

"Geisteswissenschaftler werden kaum gesucht!" attestierte sie mir, "und in Teilzeit wird es dann noch schwieriger." Sie erzählte mir etwas von der zahlreichen, flexiblen und kinderlosen Konkurrenz um Stellen im Verlags- und Werbebereich und fügte mit hochmütigem Blick hinzu, dass die miesen Chancen im Übrigen noch schlechter würden, je länger ich dem Arbeitsmarkt fernbliebe. Sie servierte mir die Chancenlosigkeit auf einen vernünftigen Arbeitsplatz auf dem Silbertablett. Dann überließ sie mich unberaten und entmutigt meinem hoffnungslosen, beruflichen Schicksal.

Ist das zu fassen? Wir sorgen als engagierte, gut ausgebildete, clevere Frauen mit unserem Nachwuchs für die Zukunft unserer Gesellschaft, denn wir kümmern uns um die Steuerzahler von morgen. Nebenbei erziehen wir mit viel Mühe Kleinkinder zu verantwortungsvollen, jungen Menschen, die in 20 Jahren die vielen alten Leute betreuen, die Wissenschaft voranbringen und sich auf vielfältige Weise sozial engagieren sollen. Wir selbst zahlen dafür einen hohen Preis. Unflexible Arbeitgeber machen es uns Frauen schwer, zurück an unsere Schreibtische zu kehren. Unternehmen, die nur befristete Verträge herausgeben, nehmen Frauen und Männern gleich von vornherein die Möglichkeit, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen.

In Deutschland herrscht seit Jahren Fachkräftemangel und die Unternehmer beschäftigen sich intensiv mit dem Thema Arbeitgeberimage im Kampf um gute Mitarbeiter. Auf die Idee, dass Fachkräfte zuhause sitzen, ihre Bügelwäsche falten und ein Kuvert öffnen, um eine weitere Job-Absage herauszuziehen, kommen sie nicht. Wie sieht ein Weg aus, der es Frauen leichter macht, wieder in den Beruf zurückzukehren? Für mich sind es in erster Linie die Unternehmen, die umdenken müssen. Arbeitnehmer in Teilzeit, Homeoffice-Angebote, Familienarbeitsplätze und Kinderbetreuung vor Ort sind Themen, vor denen sich künftig keiner mehr verschließen darf. Wer Familie nicht fördert, der ist gegen die Zukunft. Und Unternehmer, die sich der Zukunft verwehren, können bekanntlich einpacken.

Klar, das bedeutet organisatorischen Aufwand. Und es kostet auch erst einmal etwas. Für kleine Unternehmen oder Arbeitgeber mit knappem Personalbudget müssen einzelne Schritte wohl überlegt werden. Aber da meiner Meinung nach ein Geld erwirtschaftendes Unternehmen auch eine soziale Verpflichtung hat, sollten Schritte in diese Richtung eine Selbstverständlichkeit sein, und sind sie anfangs noch so klein.

Wichtig ist aber auch ein Umdenken im Kopf jedes Einzelnen, besonders in dem meines Sitznachbarns beim Italiener. Ich wünsche mir eine höhere Wertschätzung der Mütter. Sowohl derer, die sich dafür entscheiden, ganz bei den Kindern zuhause zu bleiben, aber auch derer, die wieder in ihren erlernten Beruf zurück möchten. Wir sind genauso intelligent, ausgebildet, professionell und kreativ, wie wir es vor der Geburt unserer Kinder waren. Und wir haben viel zu sagen!

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