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Mutter weiß, Kind schwarz: Wenn Rassismus plötzlich Alltag ist

Mutter weiß, Kind schwarz: Wenn Rassismus plötzlich Alltag ist
© Martin Allinger / Shutterstock
NIcht alle sind offen feindselig, aber der Alltagsrassismus in Deutschland zeigt sich auch in weniger krassen Aussagen, wie diese Mutter täglich erlebt.

"Sprechen Sie zu Hause auch Afrikanisch? Kann ihr Kind was aus seiner Heimat mitbringen? Rhythmusgefühl liegt ihm sicher im Blut!" Seit Elisabeth Löber einen Sohn hat, erlebt sie jeden Tag, wie dieser auf seine Hautfarbe reduziert wird. In unserer Leserkolumne schreibt sie über den ganz alltäglichen Rassismus.

Mutter weiß, Kind schwarz: Wenn Rassismus plötzlich Alltag ist
© Elisabeth Löber, 34, lebt mit ihrer kleinen Familie in Berlin, der Stadt ihrer Träume. Sie ist Erzieherin und hat nach dem Abitur auf dem zweiten Bildungsweg Deutsch und Französisch studiert. Zur Zeit

Ich bin in einer ländlichen Gegend in Süddeutschland aufgewachsen. An Menschen, die aus einem anderen Land stammen, kann ich mich dort nicht erinnern, ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass es die in meiner Heimat gar nicht gegeben hat. Zumindest konnte man nicht sehen, dass sie aus einem anderen Herkunftsland stammten.

Meine Familie ist seit mehreren Generationen in die dörfliche Gemeinschaft integriert. Vielleicht liegt es daran, dass wir als Familie nicht die Möglichkeit hatten, in andere Länder zu reisen, dass meine Eltern sehr an diesen interessiert waren und sind und mich daher immer dazu ermutigt haben, die Welt zu entdecken, sei es durch Schüleraustausch oder Ferienlager.

Nachdem sich meine Schwester vor vielen Jahren in einem Mann verliebte, der ursprünglich in der Türkei geboren worden war, diesen dann heiratete und mit ihm eine Familie gründete, wurden wir in unserer heilen, dörflichen Welt zum ersten Mal mit Rassismus konfrontiert. Fragen an meine Eltern, ob sie denn nicht den Film "Nicht ohne meine Tochter" kennen würden und warum sie diese Ehe erlaubt hätten, waren noch das Harmloseste.

Nun bin ich seit einigen Jahren mit einem Mann zusammen, der ursprünglich aus Benin in Westafrika stammt. Wir haben einen Sohn im Alter von zwei Jahren und leben zusammen in Berlin.

Durch meinen Schwager bekam ich bereits eine kleine Ahnung davon, was es heißt, sich in jemanden aus einem anderen Land zu verlieben. Doch die Reaktionen der anderen Dorfbewohner und Bekannten meiner Familie auf meinen Mann fallen noch heftiger aus, da er anders aussieht, Deutsch mit Akzent spricht und vielleicht einfach, weil er aus Afrika stammt.

Berlin als Multi-Kulti-Weltstadt? Von wegen

Für mich spielen Herkunft und Hautfarbe keine Rolle und für meine Familie auch nicht. Doch leider musste ich die Erfahrung machen, dass dies bei gefühlt 90 Prozent der Menschen anders ist, da wir als Familie, oder auch jeder einzelne von uns, immer wieder damit konfrontiert werden.

So mache ich in Berlin, der Hauptstadt, die oft als Multi-Kulti-Weltstadt bezeichnet wird, fast jeden Tag rassistische Erfahrungen oder werde mit rassistischen Äußerungen, "nett" verpackt, konfrontiert. "Zum Glück haben wir den Papa gesehen, sonst würden wir denken, ihr Baby hat eine Hautkrankheit." Dies war einer der ersten Sätze, die ich nach der Entbindung meines Sohnes von der Ärztin zu hören bekam.

Auch die Pädagogen in der Kindertagesstätte wollen tolerant und offen sein und planen "Multi-Kulti-Projekte", in denen jedes Kind etwas aus seiner Heimat mitbringen darf beziehungsweise soll. Mein Sohn soll natürlich etwas aus Benin mitbringen. Was soll mein Sohn da mitbringen? Seine Heimat ist Deutschland und er lebt in Berlin. In Benin, dem Heimatland seines Vaters, waren wir noch nicht gemeinsam. Doch natürlich brachten wir gern etwas aus der Heimat seines Vaters mit.

Warum wird mein Kind nur auf sein Äußeres reduziert?

Fremde Menschen in der U-Bahn beobachten unsere kleine Familie immer sehr genau und "fachsimpeln" über die Haar- und Hautstruktur meines Sohnes, "der ist ja gar nicht so dunkel wie andere" sei, und stellen auch viele interessierte Fragen, wie die, ob wir denn zu Hause auch Afrikanisch sprechen würden. Warum wurde ich, als ich in Benin war, nie gefragt, ob ich Europäisch sprechen würde?

Warum wird mein Kind nur auf sein Äußeres reduziert, seine Hautfarbe, seine Haare, seine Frisur? Dass er ein sehr kluger kleiner Junge ist, der sprachlich und motorisch weit entwickelt ist, sich in andere Kinder einfühlt, ihnen hilft und sie tröstet und sehr musikalisch ist, bemerkt fast keiner. Doch, nicht dass ich es noch vergesse: Sein sehr ausgeprägtes Rhythmusgefühl hat er natürlich nur aufgrund seiner Wurzeln! "Welche Wurzeln? Ach so, seine afrikanischen Wurzeln. Das ist ja oft so bei solchen Kindern."

Ich habe leider in den letzten zwei Jahren lernen müssen, dass es nicht ausreicht, dass meine Familie und ich tolerant sind. Ich muss erklären, vermitteln, nachfragen, klarstellen, korrigieren, erläutern. Doch am wichtigsten ist, dass ich meinen Sohn stärke, sich in dieser weißen Mehrheitsgesellschaft zu behaupten und zugehörig zu fühlen.

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