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Wenn das Fernweh nagt: Ist es wirklich sinnvoll, immer wieder loszuziehen?

Was tun, wenn das Fernweh zuschlägt? Immer wieder nachgeben - oder sich zu Hause ein Leben aufbauen, das einen erfüllt? Das fragt sich BRIGITTE.de-Leserin Sindy.

Gibt es was Schöneres als Reisen?

Es ist der letzte Abend einer fantastischen Reise, einer unvergesslichen Kreuzfahrt. Alleine und ertrunken in einem Meer aus Gedanken und Emotionen, stehe ich an der Reling, oben auf Deck zwölf, am hinteren Teil des Schiffes.

Ein letztes Mal genieße ich den Wind, wie er mir um die Nase weht und meine Haare zerzaust. Ich inhaliere diese Duftmischung aus Meer, Salzwasser und Sonnencreme; wenn Magie einen Geruch hätte, dann wäre es dieser.

All die Eindrücke und überwältigenden Ereignisse der vergangenen drei Wochen warten darauf, den richtigen Platz in meiner Erinnerung zu finden. Überfordert von Reizüberflutung und Abschiedsschmerz, Euphorie und Melancholie, versuche ich, das Erlebte Revue passieren zu lassen.

Doch dann holt mich die Realität ein. Meine Gedanken schweifen ab, zurück nach Deutschland. Ich beginne, meinen Alltag zu reflektieren: Dieser Alltagstrott mit seinen erdrückenden Luxusproblemen. Jeder Tag gleicht dem anderen. Routine, ich kann Routine nicht leiden. Das Klima ist kalt und rau, so wie viele der Menschen dort. Kleingeistigkeit lässt die Menschen auf hohem Niveau jammern. Ein trister Bürojob wartet auf mich, getoppt von bürokratischen Terminen, wie dieser mit der Versicherungsdame, die schon lange auf ein Treffen mit mir besteht.

Noch im Urlaub erwischt mich das „Post-Holiday-Syndrom“

Mein Alltag könnte nicht konträrer zu den letzten drei Wochen sein. Es kommt mir vor, als hätte ich mehr erlebt, als sonst in einem ganzen Jahr.

Diese Erkenntnis macht mich traurig und wirft quälende Sinnfragen auf: Wer bin ich? Welche Richtung soll ich einschlagen? Einen konventionellen Weg wählen? Mann, Kinder, vielleicht mit einem Labrador on top? Zukunftsorientierter und sparsamer mit meinem Geld haushalten? Jobwechsel oder Weiterbildung? Vielleicht bin ich auch eine Vagabundin? Raus in die Welt - oder zurück ins Hamsterrad? Was hat das Leben mit mir vor? Und: Ist es sinnvoll, immer wieder auf Reisen zu gehen, wenn dadurch meine Gedanken so aufgewühlt werden, dass ich mein ganzes Dasein infrage stelle? Unendlich viele Fragen – und kein Land in Sicht.

Angekommen am Flughafen in Dubai, geht es schließlich zurück nach Deutschland. Ich stehe an der Sicherheitskontrolle in der Warteschlange. Mein Körper ist anwesend, meine Gedanken wandern umher. Mir fallen die enormen Unterschiede auf, die das Flughafenpersonal bei der Kontrolle macht. Ich als blonde, hellhäutige Frau darf wesentlich schneller durch den Körperscanner als der Mann, der vermutlich aus Indien ist.

Das Leben gibt die Antworten

Plötzlich dreht sich der Mann vor mir um. Er lächelt mich an und holt mich ins Hier und Jetzt. Der Mann ist von schlaksiger Statur. Eine Art Turban ziert seinen Kopf, ein bodenlanges anthrazitfarbenes Gewand seinen Körper. Seine Haut ist gebräunt, er hat einen grauen, langen Vollbart. Er wirkt lebenserfahren.

In diesem Augenblick, als er mich anspricht, sollen sich all meine Fragen in Luft auflösen: „Ich wünsche, ich wäre häufiger auf Reisen gegangen, als ich in deinem Alter war“. Und mir wird klar: Unerwartet gibt uns das Leben Antworten auf die großen Fragen.

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