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Ich bin mehr als "nur" Hausfrau!

Managerin oder Projektleiterin: So einen coolen Titel hätte Katrin Riess auch gern. Doch sie ist "nur" Hausfrau. Ein Job, der mehr Anerkennung verdienen würde, wie sie in der Leserkolumne "Stimmen" schreibt. Hat sie doch einen 17-Stunden-Tag, nie Urlaub und alle Hände voll zu tun.
Katrin Riess, 42, ist ehemalige Krankenschwester, verheiratet und hat zwei Kinder. Sie bezeichnet sich selbst als Draußenmensch, der gern mit den Händen arbeiten, viel liest, Menschen und Tiere aller Art mag und nach dem Motto lebt: Always look on the bright side of life.
Katrin Riess, 42, ist ehemalige Krankenschwester, verheiratet und hat zwei Kinder. Sie bezeichnet sich selbst als Draußenmensch, der gern mit den Händen arbeiten, viel liest, Menschen und Tiere aller Art mag und nach dem Motto lebt: Always look on the bright side of life.
© privat

Was mich nervt? Intoleranz. Wenn man den anderen nicht machen lässt, wie er will, und der eigene Weg eh der bessere ist.

Dieser Einstellung begegne ich in letzter Zeit immer öfter. Genauer gesagt: Je älter meine Kinder sind, desto weniger kann irgendjemand verstehen, was ich - noch immer - zu Hause mache.

Situationen, in denen ich das Gefühl habe, mich rechtfertigen zu müssen, häufen sich. Beim Ausfüllen von Formularen, wenn ich neue Leute treffe und, fast noch schlimmer, wenn ich mich mit Freunden treffe.

Ja. Ich bin das, was man wohl Hausfrau nennt. Zumindest gibt es nichts anderes, nichts passenderes, was ich ankreuzen könnte, wenn ich ein Formular ausfülle.

Neulich im Restaurant, ein Treffen mit meiner Freundin, wir haben viel zu erzählen, es ist lange her, dass wir uns zuletzt gesehen haben. Eine gute Bekannte von ihr kommt an unseren Tisch, setzt sich dazu. Quillt förmlich über, erzählt von ihrem Tag und ihren Problemen und davon, was sie heute noch alles erledigen muss. Es ist neun Uhr abends. In einer Pause fragt sie, was ich denn mache. Beruflich. Mist.

Ich: "Ich bin daheim."

Sie: "Ach."

Und erzählt weiter.

Ich bräuchte dringend einen coolen Titel.

Wie wäre es mit Manager? Kleines Familienunternehmen, verantwortlich für innerbetriebliches Klima, Instandhaltung, Planung und Finanzen.

Oder Projektleiter? Ich arbeite mit Jugendlichen. Stimmt. Ein Langzeit-Projekt. Viel Verantwortung.

Verwalter. Das klingt echt, ziemlich treffend. Allerdings fehlt der soziale Aspekt.

Aber Hausfrau?? Hätte ich im Berufswahl-Bogen auch nicht angekreuzt.

Das heißt nicht, dass ich nicht gern mache, was ich mache. Im Gegenteil!

Daheim bin ich total zufrieden. Habe mich damit arrangiert, dass mein Tag um 5.45 Uhr anfängt und ich erst gegen 23 Uhr wieder ins Bett gehe. Dass ich kein Wochenende habe. Keinen festen Feierabend. Keinen Urlaub. Kein Einkommen.

Aber keine Anerkennung von außen zu bekommen, ist hart. Besonders hart, wenn Freunde immer öfter Bemerkungen fallen lassen wie: "Ach, DU hast ja immer Urlaub".

Es stimmt schon, es gibt viele Leute, die Beruf und Familie verbinden, beides toll unter einen Hut bringen, auf Quality-time mit ihren Kindern und dem Partner setzen und abends noch mit Freunden um die Häuser ziehen.

Ich spreche nicht von denen, die alles allein stemmen müssen, um die Sache am Laufen zu halten. Die es sich nicht aussuchen können.

Aber meine berufstätigen Bekannten sind überwiegend Lehrer in der Erwachsenenbildung, festangestellt. In festen Partnerschaften. Sie machen ihren Job gern und "brauchen das auch".

Okay. Ich habe damit kein Problem. Höre mir regelmäßig an, wie schwierig es ist, mit all den Projekten, die es zu planen gilt, den Einsparungen, die überall gemacht werden, und was es für einen Stress bedeutet, abends auch noch den Haushalt zu machen.

Kann ich mir vorstellen. Und ich bin heilfroh, dass ich mein eigenes Ding machen kann.

Das hab ich so nicht geplant, es hat sich so ergeben. Und es ist gut so. Jetzt.

Verschiedene Entscheidungen unsererseits und die sich daraus ergebenden äußeren Umstände machen unseren Alltag aus. Die wichtigste und größte Entscheidung war sicher die FÜR Familie....

Ich war damals gerade mit meiner Ausbildung fertig, ging drei Tage die Woche arbeiten und unser Sohn konnte in der Zeit abwechselnd bei seinen Großmüttern sein.

Mein Mann bekam einen Praktikumsplatz im Ausland. Anschließend einen Vertrag für eineinhalb Jahre. Wir zogen gemeinsam dort hin. Plötzlich war die Familie 2.500 Kilometer weit weg, Schluss mit familieninterner Kinderbetreuung. Ich beherrschte die Landessprache nicht, kam aber mit Englisch gut aus. Baute uns einen Bekanntenkreis auf, alle hatten Kinder im gleichen Alter. Unser Sohn fand Anschluss. Unsere Tochter kam 2001 zur Welt.

Seit damals sind 14 Jahre vergangen. Wir sind nicht zurückgegangen, im Gegenteil. Wir sind aufs Land gezogen und sind jetzt hier zu Hause.

Wenn meine Nachbarin, 76, alleinlebend, anruft und mich auf eine Tasse Kaffee einlädt, komme ich gern. Ich genieße diese Freiheit. Den Luxus, mir die Zeit nehmen zu können. Den mittlerweile größten Teil des Tages kann ich mir frei einteilen. Und gerade die Jobs im Haus kann ich auch an einem Regentag machen oder abends.

An einem normalen Tag fährt mein Mann nach dem Frühstück zur Arbeit und die Kinder gehen zum Bus. Ich begleite sie mit unserem Hund. Der ist schon recht alt und seine Tagesform entscheidet, ob es ein kurzer oder langer Gang wird. Unser nächster Nachbar wohnt circa einen Kilometer entfernt, ab und zu kehren wir dort ein und hören von ihm die wichtigsten Neuigkeiten.

Die Tagesroutine sieht weiterhin vor, die Hühner und Katzen zu versorgen, je nach Jahreszeit zu heizen (mit Holz), den Holzvorrat wieder auffüllen. Im Winter Schnee räumen. Im Sommer verfliegt die Zeit im Gemüsegarten. Kartoffeln, Karotten, Knoblauch, Salat, Erdbeeren und natürlich Blumen.

Hauswichteleien, die kennt jeder, was halt so anfällt. Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Einmal die Woche fahre ich zum Einkaufen in die Stadt, Vorräte auffüllen.

Rechnungen zahlen, Termine für Arztbesuche, an den TÜV fürs Auto denken, Arbeitsgeräte zum Kundendienst bringen, Briefe an Freunde und Verwandte schreiben, die lieber richtige Post bekommen. Elternverein, Dorfverein.

Vögel füttern, Holz spalten, im Frühling die Holzschuppen neu befüllen, Rasen mähen, Dachrinnen saubermachen, ausmisten, mit dem Freischneider die Weiden an den Wassergräben absensen. Kleine Reparaturen, Handwerker finden.

Marmelade machen, Saft. Im Herbst Beeren pflücken, Pilze sammeln.

Brot und Kuchen backen. Abends kochen, nichts spezielles, aber jeden Tag. Versuchen, alle an einen Tisch zu bekommen.

Zuhören, was alle erlebt haben. Hausaufgaben. Wer hat am nächsten Tag was vor, wer braucht jemand, der ihn zum Training fährt, oder möchte Freunde treffen? 13 Kilometer, Busse fahren abends nicht mehr. Planen. Reden. Zuhören.

Unsere Kinder erzählen einiges. Selten, wenn man fragt, sondern dann, wenn es gerade passt... Dann da zu sein!

Freundschaften pflegen. Einige richtig wichtige sind sehr weit weg, andere kann man öfter treffen. Mal ins Kino oder ins Theater oder einfach nur zusammen Tee trinken.

Lesen oder stricken, wenn es abends wieder früh dunkel wird.

Und, ganz wichtig, ab und zu Zeit mit meinem Mann haben. Das ist jetzt einfacher, die Jugend ist froh, das Haus auch mal für sich zu haben. Schwierig nur deshalb, weil er kein Wochenende kennt, zweimal die Woche Nachtdienst hat und am Tag darauf schläft.

Also bin ich "zu Hause", damit alles seinen geregelten Gang geht. Über Langeweile kann ich mich nicht beschweren. Wir haben ein gemütliches Heim und wir verstehen uns alle gut. Kein Tag ist wie der andere, ich bin mein eigener Chef. Klasse.

Schade nur, dass viele Leute diese Art zu leben nicht als vollwertig anerkennen - was ist da schon dran, den ganzen Tag daheim? Ich finde es gut. Mein Mann auch. Trotzdem treffen mich abfällige Bemerkungen.

Schließlich mache ich einen wichtigen Job und ich mache ihn gut.

Teaserbild: Getty Images

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