Anzeige

Plädoyer für alte Väter - aus der Sicht einer Tochter

Alte Väter findet Miriam Schaefer alles andere als problematisch: Sie hatte selbst einen und ist froh darüber. Warum, erklärt sie in den Stimmen, unserer Leserinnen-Kolumne.
Miriam Schaefer, 29, lebt mit Mann, kleiner Tochter, Gecko und Bartagame in Nordrhein-Westfalen. Auf ihrem Blog www.frau-chamailion.de schreibt sie über ihr Leben als junge Mutter, ihr Studium und Allgemeines. Sie liebt Photographie, das Schreiben und die Wissenschaft und träumt davon, in der Antarktis zu forschen.
Miriam Schaefer, 29, lebt mit Mann, kleiner Tochter, Gecko und Bartagame in Nordrhein-Westfalen. Auf ihrem Blog www.frau-chamailion.de schreibt sie über ihr Leben als junge Mutter, ihr Studium und Allgemeines. Sie liebt Photographie, das Schreiben und die Wissenschaft und träumt davon, in der Antarktis zu forschen.
© privat

Was haben Sky du Mont und mein Vater gemeinsam? Die grauen Haare, die Brille oder vielleicht das Schauspieltalent? Ich kann es sagen, es ist nicht das Talent zur Schauspielerei, aber graue Haare hatte er, mein Vater, und auch eine Brille. Es verband die beiden aber noch etwas anderes: Sie wurden mit Mitte 50 noch einmal Vater. Fünf Prozent aller Väter in Deutschland sind alte oder, netter ausgedrückt, "späte Väter". Als ein später Vater gilt, wer bei der Geburt des Kindes älter als 50 Jahre alt ist. So wachsen in Deutschland rund 35 000 Babys mit einem Papa auf, der bei ihrer Geburt die 50 überschritten hat.

Mein Vater war einer davon.

Warum ich davon erzählen möchte? In den Medien kursieren vor allem Berichte über die Risiken, die so eine Vaterschaft birgt. Da ist die Rede von einer Neigung der Kinder zu Autismus, ADHS und Depressionen. Die Kritiker sehen aber nicht nur das leibliche Wohl des werdenden Lebens in Gefahr, sondern auch das Alter an sich als seelische Belastung. Was ist, wenn der Vater so alt ist, dass er sich nicht mehr um die Familie kümmern kann oder schon im frühen Kindesalter des Nachwuchses verstirbt?

Das sind Daten aus Statistiken. Aber wie fühlt sich ein Kind, wenn der Vater genauso alt ist wie der Opa?

Mein Vater war bei meiner Geburt Mitte 50. Einmal geschieden, zwei erwachsene Kinder und ein Enkelkind. Manch einer würde sagen, man hat damit schon ein ganzes Leben gelebt. Und dann kündigte sich noch ein Kind an. Auch in einem weiteren Punkt kann ich eine Parallele zu Sky du Mont ziehen: Seine Frau Mirja ist wie meine Mutter wesentlich jünger. In beiden Fällen trennen die Ehepartner ungefähr 30 Jahre. 30 Jahre. Dieses Alter habe ich noch nicht mal erreicht. Und ich bin selbst gerade erst Mutter geworden. 30 Jahre sind eine schier unvorstellbare Zeitspanne an Lebensjahren und Lebenserfahrung, die es zu überbrücken gilt.

Plädoyer für alte Väter - aus der Sicht einer Tochter
© privat

Ich weiß nicht, was in den Köpfen meiner Eltern vor sich ging, als ich mich angekündigt habe, aber ich kann erzählen, wie ich mich als Tochter gefühlt habe. Als Kind eines alten Vaters. Mit einer jungen Mutter.

In wenigen Worten: Ich hatte eine tolle Kindheit und ja, so eine Beziehung kann wunderbar funktionieren.

Ich kann mich daran erinnern, wie er mich zum Kinderturnen brachte und zum Stall, unzählige Male. Er hat mich zu allen Schulveranstaltungen begleitet, mich später zum Campen und zu Mittelaltermärkten gefahren und mich selbst als erwachsene Frau von der Arbeit nach Hause gebracht, als ich mit Migräne zusammengebrochen war. Von ihm habe ich die Liebe zur Natur und zum Handwerk. Zu dritt waren wir Wandern, haben dabei zig Berge erklommen und Murmeltiere beobachtet. Oder haben an Stränden die wenige gemeinsame Zeit als Familie genossen.

Mein Vater war mit mir beim Fussball, er hat mir gezeigt, wie man Gemüse anbaut und versucht, mir das Schnitzen beizubringen. Er hatte für mich immer ein offenes Ohr und war beleidigt, wenn ich nicht mindestens zwei Portionen zu Mittag aß. Er hat meine Pubertät mit stoischer Ruhe ertragen und noch mit Mitte 70 zusammen mit meinem Freund Möbel aufgebaut, als ich in die eigene Wohnung gezogen bin. Er hat mir als Kind viele Freiheiten gegeben und mich aufgefangen, wenn es nötig war. Er war in meinen Augen immer der Beschützer unserer kleinen Familie. Das sind die Erinnerungen, die ich mit meiner Kindheit verknüpfe. Die meisten werden jetzt denken, dass dies sich nicht von dem unterscheidet, wie andere Kinder aufwachsen. Wohlbehütet und ein wenig verwöhnt. Und genau das ist es: Es gab keinen Unterschied! Es war wie bei den anderen.

Oft habe ich von anderen Kindern gehört: "Schau mal, dein Opa kommt dich abholen!" Nicht ein einziges Mal habe ich mich dafür geschämt. Im Gegenteil: Ich war stolz, dass mein Vater etwas Besonderes war! Und obwohl schon im Opa-Alter war er so fit wie die anderen Papas.

Ich kann nicht sagen, dass die Angst, mein Vater könnte früh sterben, nicht irgendwo in meinem Hinterkopf war. Aber als Kind ist so etwas natürlich noch sehr abstrakt. Und weit entfernt. Denn während mit den Jahren meine Großeltern und andere aus diesem Jahrgang immer älter und gebrechlicher wurden, schien das Alter bei meinem Vater zu stagnieren. Eine Nachbarin schmachtete ihn heimlich an, denn er sah in ihren Augen aus wie der Marlboromann. Eine junge Frau und ein Kind haben ihn wohl jung gehalten. Natürlich wirkte mein Vater auf mich auch älter als andere Väter. Zeitlos, irgendwie.

Aber leider stagniert das Leben nicht auf ewig. Mit Ende 70 erkrankte er an Krebs. Wir standen als Familie zusammen. Ich war mittlerweile Mitte 20. Und doch, als es am Ende ganz schnell ging, fiel es mir schwer, das zu akzeptieren. Den Kampf gegen eine Krankheit zu verlieren, konnte ich verstehen. Aber dass irgendwann einfach das Leben vorbei ist, das letzte Korn durch die Sanduhr des Lebens gelaufen ist, das zu akzeptieren fällt mir heute noch schwer.

Plädoyer für alte Väter - aus der Sicht einer Tochter
© privat

Und so begleitet mich in meinem Alltag mit meiner kleinen Tochter der Gedanke an meinen Vater. Wie schön wäre es, wenn er seine kleine Enkelin sehen, die Ähnlichkeit zwischen sich, mir und ihr bewundern, ihr beim Krabbeln und Brabbeln zuschauen und sie in seinen starken Armen halten könnte? Ich freue mich auf den Tag, an dem ich ihr von ihrem tollen Opa erzählen kann. Dem besten Papa der Welt. Denn das war er für mich. Trotz oder gerade wegen seines Alters.

Darum möchte ich mich zum Abschluss dieses Texts an all die Frauen mit älterem Partner wenden und aus tiefsten Herzen sagen: Wagt es. Ihr werdet vielleicht einiges an Gegenwind bekommen. Familie und Freunde sehen es womöglich kritisch. Und es wird bestimmt nicht einfacher. Aber wann ist es mit Kindern schon einfach?

Aus der Sicht einer Tochter gibt es keinen Grund, auf die Gründung einer Familie zu verzichten. Folgt eurem Herzen, denn für eine Familie ist es nie zu spät.

Ganz zum Schluss noch einmal etwas aus der Statistik: Kinder von späten Vätern leben länger, und die Väter sind aufgrund ihrer Lebenserfahrung entspannter. Eure Kinder werden also selbstbewusst und mutig durchs Leben gehen.

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel