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"Die Liebe zu meinen Kindern hat mein Leben gerettet"

"Die Liebe zu meinen Kindern hat mein Leben gerettet"
© Tetiana Iatsenko/shutterstock
Yvonne ist alleinerziehende Mutter und leidet unter Depressionen. Hier erzählt sie, was ihr das Leben gerettet hat.

Ich strebte nach Perfektion

Der Titel für meine Geschichte klingt nach zuckersüßem Kitschfilm mit Happy-End. Doch ich habe es wirklich so erlebt! Ohne die Liebe zu meinen Kindern wäre ich nicht mehr da. Es gab dunkle Zeiten für mich, in denen ich meinen Lebenswillen nicht mehr spüren konnte.

Der Weg dorthin war anstrengend, denn lange zeigte ich meine Gefühle nicht und funktionierte einfach. Mit unermüdlichem Einsatz baute ich eine Mauer auf, hinter der sich nichts als Leere verbarg. Meine Fassade zeigte ein Bilderbuchleben, in dem sich eine junge Mutter einen Lebenstraum verwirklichte und trotz abgeschlossener Berufsausbildung und mehreren Jahren im Berufsleben noch ein Studium begann.

Ich spielte in dieser Zeit viele Rollen: Mutter, Studentin, Freundin, Partnerin. In jedem Bereich strebte ich nach Perfektion und wollte meinem Umfeld beweisen, dass ich alles schaffen konnte.

... bis ich keine Kraft mehr hatte

Doch in mir sah es ganz anders aus: Versagensängste quälten mich. Ich spürte, wie ich immer weniger Rollen zu meiner Zufriedenheit ausfüllen konnte und flüchtete mich in die Rolle, in der ich nur Studentin war - raus aus dem Familienalltag und rein ins Campusleben.

Ich war dort nicht die einzige Mutter und fand rasch Verbündete. Mit ihnen an meiner Seite konnte ich mich über Studienthemen, aber auch über Kindererziehung austauschen. Hier fühlte ich mich wohl. Jede noch so öde Vorlesung bot mir die Möglichkeit, nur meine Rolle als Studentin auszufüllen.

In dieser Zeit sah ich keine Haushalts- oder Mutterpflichten. In trügerischer Weise fühlte ich mich frei. Immer öfter bekam ich ein beklemmendes Gefühl, sobald es nach Hause ging.

Ich wollte nicht mehr heim zu meiner Familie. Ich wollte ihre Wünsche nicht mehr erfüllen, ihre Freuden nicht mehr teilen und ihre Sorgen nicht mehr hören. Denn dazu fehlte mir die Kraft.

Der Tod schien mir die Lösung zu sein

Fast jeden Tag dachte ich auf dem Heimweg daran, mein Auto gegen einen Baum zu steuern. Ich fühlte mich als Monster, das noch nicht mal in der eigenen Familie in der Lage ist, freudige Augenblicke zu empfinden und zu genießen. Es kam so weit, dass ich mich immer häufiger dabei ertappte, mit den Gedanken in anderen Welten zu schweben.

Während die Kinder auf dem Spielplatz herumtollten, laut lachten oder fangen spielten, schaute ich ins Leere. Ich sah mich selbst von oben. Ich war gar nicht wirklich da, sondern fühlte mich wie meine eigene Beobachterin. Ich sah mir selbst zu, wie ich mühevoll Tränen zurückhielt und dann wieder ein trügerisches Lächeln aufsetzte, wenn die Kinder fröhlich spielten. Aber so wollte ich nicht sein!

Meine Kinder bedeuteten mir viel, aber wo war das echte Interesse an diesen zauberhaften Wesen geblieben? Was war nur los mit mir? Mir war klar, dass ich Hilfe brauchte, doch jede Hilfe würde meine mühsam aufgebaute Fassade zerstören - also machte ich weiter.

Plötzlich sah ich die Gesichter meiner Kinder vor mir

Die trüben Gedanken in meinem Kopf wurden so stark, dass ich den Unfall schon vor mir sah. Ich wartete nur noch auf die beste Gelegenheit. Als sie gekommen war und ich mich endlich frei fühlte, schoss mir ein Gedanke durch den Kopf: Vor meinem inneren Auge sah ich die Gesichter meiner Kinder und mit einem Mal war mir klar, welchen Irrsinn ich vorhatte. Die Liebe zu meinen Kindern war durch die trübsinnigen Gedanken wie eingefroren gewesen, aber nicht weg!

Mir wurde schmerzlich bewusst, was die von mir ersehnte Erlösung für meine Kinder wirklich bedeuten und welchen Schatten ich dadurch auf ihre Seelen legen würde. Die Liebe meiner Kinder hat mein Leben gerettet! Auch wenn diese Liebe lange durch dunkle Schatten verborgen war.

Was Kinder depressiver Mütter brauchen

Yvonne (35) lebt mit ihren Kindern in einer Kleinstadt bei Hannover. Auf ihrem Blog http://limalisoy.de berichtet sie u.a. über ihre Erfahrungen als alleinerziehende Mutter im Kampf gegen Depressionen - offen, ehrlich und mit der Bitte um ganz viel Verständnis für Betroffene.
Yvonne (35) lebt mit ihren Kindern in einer Kleinstadt bei Hannover. Auf ihrem Blog http://limalisoy.de berichtet sie u.a. über ihre Erfahrungen als alleinerziehende Mutter im Kampf gegen Depressionen - offen, ehrlich und mit der Bitte um ganz viel Verständnis für Betroffene.
© privat

Noch heute können viele Menschen nicht verstehen, wie ich überhaupt so denken konnte. Oft habe ich Sätze wie „Denk doch an deine Kinder!“ gehört. Der gesunde Menschenverstand kann das, was eine durch Depression verdunkelte Seele fühlt, nicht nachvollziehen.

Ich habe die ganze Zeit an meine Kinder gedacht und wollte ihnen deshalb ein Leben mit einer Mutter ersparen, die mir nur noch wie ein Monster erschien. Ich habe keinen Ausweg gesehen und glaubte wirklich, sie wären ohne mich besser dran.

Inzwischen weiß ich, was für meine Kinder während meiner akuten Erkrankung wirklich wichtig war und auch heute noch ist: Sie brauchen zum einen kindgerechte Erklärungen für die Krankheit und Antworten auf ihre Fragen und Ängste. Sie brauchen aber auch vertraute Menschen – auch außerhalb der Familie –, die ihnen Zeit schenken. Zeit, in der es keinen Raum für die Krankheit gibt. Zeit, in der das unbeschwerte Kindsein das einzige ist, das zählt. Momente mit psychisch gesunden Menschen, die ihnen mit Spiel, Spaß, Normalität und durchs bloße Dasein ihre Kindheit ein Stück weit unbelastet erscheinen lassen.

Ich wünsche meinen Kindern deshalb noch viele Momente der Unbeschwertheit, damit sie stark werden und einer glücklichen Zukunft entgegensehen können.

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