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Brustkrebs "Nach der Krankheit bin ich neu erblüht"

Simone hat Brustkrebs
Nach der Diagnose Brustkrebs hat Simone (30) ein neues Leben angefangen
© Martina van Kann
BRIGITTE.de-Leserin Simone (31) führte ein Leben auf der Überholspur. Dann verändert die Diagnose Brustkrebs alles: Simone verliert ihren Job, ihren Partner, Freunde. Doch statt zu verzweifeln, entdeckt sie sich neu.

Mein Lebensbaum

Der Baum ist das Symbol für mein Schicksal: Will er den Winter überleben, wirft er alles ab, was er nicht mehr braucht. Er zieht sich in sich zurück, um dann im Frühjahr wieder aufzublühen und seine ganze Pracht zu entfalten.

Haare, Fingernägel, Teile meines Lebens - auch ich habe alles abgeworfen, damit ich mich auf mein Inneres konzentrieren und neu entfalten kann. Die Diagnose Brustkrebs entwurzelte mein Leben, mein Freund und ich trennten uns, ich verlor meinen Job. Jeder Ast meines vorherigen Lebens wurde durch diese Krankheit abgeschnitten.

Es klingt vielleicht doof, aber heute bin ich meinem Brustkrebs sehr dankbar dafür.

Bäume spüren Veränderungen

Ich bin eine erfolgreiche Managerin in der Modebranche und lebe in einer glücklichen Beziehung, als bei mir mit nur 30 Jahren Brustkrebs diagnostiziert wird. Mein Leben verdanke ich meiner Intuition und meinem Selbstbewusstsein gegenüber einem überheblichen Professor, der mich einfach wieder nach Hause schicken wollte. Doch ich beharre auf einer Stanzbiopsie und behaupte mich so gegen seine barsche Abfuhr. Das niederschmetternde Ergebnis "Brustkrebs" erreicht mich einige Tage später im Urlaub.

Mein Freund verspricht, immer für mich da zu sein. Er weiß noch nicht, was auf ihn zukommt – im Gegensatz zu mir, denn ich habe meine Mutter an Krebs verloren.

Entwurzelt

Es ist ein hormonbedingter Brustkrebs. In der Jugend habe ich die Pille bedenkenlos verschrieben bekommen, und auch über den schädlichen Einfluss von hormonellen Belastungen in Lebensmitteln und Kosmetika fehlten mir das Bewusstsein und das Wissen. 

Während die Ärzte das Ergebnis meiner brusterhaltenden Operation wunderschön finden, kann ich ihre Begeisterung nicht teilen – aber das liegt wohl im Auge des Betrachters. Nach und nach gewöhne ich mich an den Anblick meiner "neuen" Brüste, sie gehören jetzt zu mir.

Als ich meinen Freund an einem Wochenende besuche, mit Narben am Körper, schwach und ohne Haare, schafft er es nicht mal mehr, mich in den Arm zu nehmen. Ich fühle mich unendlich leer, verletzt und meiner Weiblichkeit beraubt.

Wispernden Blättern lauschen

Bedingt durch die Diagnose muss ich mir Zeit für mich nehmen und in meinem Leben einiges verändern. Vor allem verändere ich mich selbst. Früher kannte ich zwar meine beruflichen Ziele, aber ich habe nie richtig in mich hineingespürt. Nun beginne ich, meine Seele zu öffnen und in mich hineinzuhorchen. Es sind sehr leise Töne, wie das Wispern der Blätter in den Bäumen.

Mein Leben auf der Überholspur mit einer 60- bis 80-Stunden-Woche und dem entsprechenden Lifestyle einer Karrierefrau gibt es nicht mehr. So schwer es mir anfangs fällt, nach und nach stelle ich fest, dass ich die neue Ruhe und Bedachtsamkeit genieße und auch nicht mehr missen möchte, selbst wenn mein Leben wieder ein bisschen mehr Fahrt aufnimmt.

Neue Wurzeln schlagen

Trotz meiner Narben, dem Verlust meiner schönen langen Haare und allen anderen tiefgreifenden Veränderungen habe ich vor allem eines gelernt: mich selbst zu lieben. Erst während meiner Therapie ist mir wirklich bewusst geworden, wie wenig mein vorheriges Leben mit Selbstfürsorge zu tun hatte, wie viele meiner Handlungen eher selbstzerstörerisch waren und mir nicht guttaten.

Seit der Diagnose ernähre ich mich mit allem, was das gesunde Zellwachstum fördert, und gehe jeden Tag in die Natur, um meine Zellen mit frischem Sauerstoff zu füllen. 

Langsam kehrt das Bewusstsein für die Schönheit des Lebens zurück, und auch meine Kraft kommt wieder. Vor meiner Diagnose habe ich die Jahreszeiten gar nicht bewusst wahrgenommen und schon gar keine Glücksgefühle für die kleinen und großen Geschenke der Natur empfunden. Jetzt sehe ich alles anders: Die Kulisse ist zum Leben erwacht.

Die Schönheit meines Lebensbaums

Meine wertvollste Erkenntnis ist, dass es mich glücklich macht und erfüllend ist, Zeit mit mir selbst zu verbringen. Mir ist bewusst geworden, dass es kein Egoismus, sondern Selbstliebe ist, wenn ich mich um mich selbst kümmere.

Der Krebs wird immer da sein. Aber nicht er bestimmt mein Leben, sondern ich selbst, denn jetzt weiß ich, dass ich stärker bin. Klar, ich habe sichtbare Stellen am Körper, Wassereinlagerungen und Narben – aber es sind Narben, die meine Lebensgeschichte erzählen und meine Schönheit neu definieren. Seit einigen Monaten habe ich einen neuen Freund, der mich immer wieder daran erinnert, im Hier und Jetzt zu leben. Er liebt den Wald genau wie ich, zusammen können wir Bäume umarmen, reden und schweigen.

In meinem beruflichen Alltag ist es ruhiger geworden, ich arbeite nur noch Teilzeit. Dafür habe ich jetzt Zeit für meine Hobbys, meine Freunde und die Familie. Diese Zeit teile ich mir bewusst ein und genieße sie. Ja, es hat sich wahnsinnig viel gedreht. Aber es ist alles gut so, wie es ist.

Durch einen Sturm bekommen Bäume stärkere Wurzeln. Auch meine Wurzeln sind stärker geworden, ich weiß nun, dass mich so leicht nichts umwirft. Die Äste meines Lebens haben neue Triebe bekommen, die Knospen brechen in voller Pracht auf und beginnen zu blühen. Es macht mich glücklich und dankbar zu sehen, zu welcher ungeahnten Schönheit mein Lebensbaum heranwächst. 

Brustkrebs: "Nach der Krankheit bin ich neu erblüht"
© Berg & Feierabend

Lesetipp: Simone hat ihre Geschichte in dem Buch „LebensHeldin! – DU bist die Heldin Deines Lebens“ erzählt - zusammen mit 20 anderen Frauen im Alter zwischen 24 und 60 Jahren. Sie sprechen über ihren ganz persönlichen Heilungsweg und wie sie mit Mut, Kraft und Selbstfürsorge nach der Brustkrebstherapie einen Neustart geschafft haben (Berg & Feierabend, 26 Euro). 

Der Verein LebensHeldin! e.V. hat das Buch ins Leben gerufen. Wer den Verein bei seiner wichtigen Arbeit unterstützen möchte, kann hier spenden: www.paypal.com/paypalme/lebensheldin.

Protokoll: Silke Linsenmaier Brigitte

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