Anzeige

Nach dem Brustkrebs Learn, Heal, Walk – in 80 Tagen zu mir selbst

Beate Mäusle, 59, hat nach ihrer Brustkrebserkrankung eine Bucket List erstellt
Beate Mäusle, 59, hat nach ihrer Brustkrebserkrankung eine Bucket List erstellt
© Franziska Kraufmann
Beate Mäusle, 59, hat sich nach ihrer überstandenen Brustkrebs-Erkrankung aufgemacht und drei Herzensreisen unternommen, die ihr geholfen haben, zu heilen.

Wenn man 50 wird, flattert in Deutschland die Einladung zum Mammographie-Screening ins Haus. Ich hatte einen vollen Terminkalender und warf die Einladung in den Müll. Brauch ich nicht, ich bin doch gesund, krank sind doch nur die anderen. 

Ich bekam die Diagnose Brustkrebs

Doch irgendwann hieß es plötzlich: Da ist ein Knoten in Ihrer Brust, sehr klein, man wird Sie operieren und dann sind Sie wieder gesund. Machen Sie sich keine Sorgen. Der Arzt war einfühlsam, aber auch bestimmt. 

Von einem Moment zum anderen öffnete sich der Boden unter mir und es drangen Worte zu mir durch, die ich nie hören wollte: Tumor, Operation, Chemotherapie, Bestrahlung. Mein Leben als Krebspatientin hatte an Fahrt aufgenommen, bei jeder Untersuchung war der Tumor größer und gefährlicher geworden. Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich es aussprechen konnte: Ich habe Krebs.

Die Ärzte sagten, die Krankheit und die Therapie würden mich ein Jahr lang beschäftigen, aber ich glaubte ihnen nicht. Am Ende wurden es 14 schlimme Monate. Ich bewältigte Tag um Tag. Ließ mich nicht hängen und nicht unterkriegen. Ich bot dem Krebs die Stirn, vertrieb ihn aus meinem Körper und begann, wieder auf meine Seele zu hören. Versuchte nach diesem Wirbelsturm, mein Leben neu zu ordnen und die Trümmer zu beseitigen. 

In 80 Tagen zu mir selbst

Nach mehr als einem Jahr bin ich dann endlich wieder an meinen Arbeitsplatz zurückgekehrt und hatte ein Luxusproblem: Es hatten sich 80 Tage Urlaub angesammelt! Was tun mit so viel freier Zeit?

Wenn man eine Krebsdiagnose bekommt, hat man von diesem Augenblick an scheinbar keine Zukunft mehr. Krebs bedeutet in den Köpfen vieler Menschen immer noch unweigerlich der Tod. Nicht jeder glaubte an meine Heilung. Ich glaubte in jedem Moment daran. Trotzdem kam mir der Tod gedanklich näher und setzte sich in meinen Kopf:

Jetzt musst du vielleicht sterben, was würdest du denn noch unbedingt machen wollen? Was wäre, wenn jetzt Schluss wäre?

Ich hatte keine Antwort darauf, weil ich den Tod nicht akzeptierte. Alles, was ich wollte, war leben. Weiterleben. Und ich wollte wieder mehr auf mein Herz hören. Der Verstand, der vor der Erkrankung dominiert hatte, sollte wieder an seinen Platz verwiesen werden.

Ich überlegte, was ich schon immer in meinem Leben machen wollte, und schrieb meine ganz persönliche Bucket List. Sie wurde eine Liste der puren Lebensfreude. Da ich schon immer gerne unterwegs war, sind am Ende drei Reisen herausgekommen: eine Sprachreise nach Venedig, eine Ayurveda-Kur in Indien und der portugiesische Jakobsweg.

Meine Bucket List: Learn, Heal, Walk

1 - Venedig

Meine erste Reise führte mich nach Venedig. In Venedig wollte ich meine am Boden liegenden kognitiven Fähigkeiten mit dem Lernen einer Sprache wieder aufpolieren. Und ich wollte nach der harten Zeit wieder Lebensfreude fühlen. Wo geht das besser als in Bella Italia? 

Ich fuhr mit einem Wassertaxi vom Flughafen ins Hotel. Unter der Rialto-Brücke habe ich vor Glück und Dankbarkeit geweint. Glücklich, am Leben zu sein und wieder reisen zu können. 

Ein Sprachkurs ist wie eine Verjüngungsmaschine, man fühlt sich wieder wie in der Schule: Prüfung zur Einordnung des Sprachniveaus, Schulstunden, Pausenklingeln, kleine Pause, große Pause und eine strenge Lehrerin namens Francesca. Schulkameraden, all so was.

Nach dem Unterricht trieben wir uns in der Stadt herum. Verbummelten ganze Nachmittage im Café Florian und lernten mit dem Barista Vokabeln, steckten unsere Zehen am Lido in den Sand, schlemmten uns durch kleine Lokale, die "Bacari", und fanden heraus, welches die beste Gelateria Venedigs war, und genossen das Leben.

Venedig hat mich gelehrt, wieder in mich zu vertrauen. Venedig hat mir die Schwere des Daseins genommen.

2 - Ayurveda

Meine zweite Reise führte mich ins indische Kerala, dem Geburtsort des Ayurveda. Ein Baustein der traditionellen indischen Heilkunst ist die Pancha-Karma-Kur, eine Entgiftungskur. Mein Körper war nach der Therapie voll mit Gift. Die Medikamente hatten ihren Zweck erfüllt und den Krebs vertrieben und jetzt sollten sie bitte schön wieder gehen. Pulsdiagnose, typgerechte Ernährung, Pflanzenmedizin, Yoga und Meditation bestimmten meine Tage. Die Klinik war bunt bevölkert mit Gästen aus aller Welt. Ich hörte viele Geschichten und lernte, was Ayurveda alles vermag und wo die Grenzen dieser Heilkunst sind. Ich habe in der Herzenswelt gelebt, und es fiel mir schwer, mich zu Hause wieder mit dem Verstand auseinanderzusetzen.

In Indien konnte ich meine Krankheit loslassen. Krebs und Chemo-Gifte war ich los, das Fatigue-Syndrom besiegt.

3 - Jakobsweg

Mein dritter Wunsch war, auf dem portugiesischen Jakobsweg zu pilgern. Der Hauptweg startet in Lissabon und führt bis Santiago di Compostela. Ab Porto führt ein Küstenweg am Meer entlang, den wollte ich gehen.

Ich wollte herausfinden, was es mit dem Pilgern auf sich hat. Warum machen das so viele Menschen? Ich wollte wissen, wie es ist, allein mit einem kleinen Rucksack auf dem Rücken klarzukommen, wo doch mein Motto ist: Gib mir einen Koffer und ich mache ihn voll.

Ich habe mir Wanderschuhe gekauft, mir den Rucksack mit Wassergewicht gefüllt und trainiert. Der Plan war, 20 bis 25 Kilometer jeden Tag zu laufen. War das in meinem Zustand zu schaffen?

Dann bin ich gestartet und hatte die wundervollsten Begegnungen mit Pilgern aus aller Welt. Ich musste mich nach niemandem richten und es war ein Gefühl allergrößter Freiheit, morgens mit meinem Hab und Gut auf dem Rücken in den Tag zu laufen.

Pilgern ist Meditation. Ich habe mich von Kummer und Verletzungen gelöst, Glaubenssätze überprüft und neue formuliert. Ich traf auf gütige Menschen und viel Verständnis. 

Venedig hat mir meine Lebensfreude zurückgegeben, Indien hat meinen Körper renoviert und beim Pilgern konnte ich meine Seele entrümpeln. Es war eine lange Reise zurück in mein Herz. Heute lautet mein Lebensmotto: "Tot sein kann ich morgen noch“.

Nach dem Brustkrebs: Learn, Heal, Walk – in 80 Tagen zu mir selbst
© PR

Die Autorin: Beate Mäusle schrieb über ihre Erlebnisse auf dem portugiesischen Jakobsweg einen Blog. Daraus ging ihr Buch "Tot sein kann ich morgen noch. Meine Reise vom Kopf zurück ins Herz" hervor (Parlez-Verlag, 2022). Sie ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn. Sie reist für ihr Leben gern, schuld daran ist ihr Opa: Er hat als Seefahrer fast die ganze Welt gesehen.

Brigitte

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel