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Für mehr Akzeptanz "Ich bin bisexuell – aber deswegen noch lange nicht unersättlich"

Bisexualität - ein Erfahrungsbericht
© OksanaFedorchuk (Symbolbild) / Shutterstock
BRIGITTE.de-Leserin Sandra* (47) ist bisexuell – und muss sich so manches anhören.

Der Duden sagt über Bisexualität: "Sich sowohl auf das eigene als auch auf das andere Geschlecht richtendes sexuelles Empfinden und Verhalten; Nebeneinander von homo- und heterosexueller Neigung."

[Anm. der Red.: Ausgegrenzt werden nach dieser Definition allerdings alle Geschlechter jenseits des binären Systems von Mann und Frau. Inklusiver wäre hier die Definition: "Sich sowohl auf das eigene als auch auf ein anderes Geschlecht richtendes sexuelles Empfinden und Verhalten."]

Klingt ja erstmal sehr neutral und unaufgeregt, aber wie neutral reagiert mein Gegenüber wirklich, und wie viel Aufregung ist im Spiel, wenn ich erwähne, dass ich bisexuell bin?

Vermutlich ist es den meisten eigentlich völlig egal, wen ich liebe, aber ob überhaupt, das ist dann doch schon mal Thema. Einfache Antwort: Ich habe einen Freund. Dann kommt eventuell noch die Frage, ob man zusammenwohnt, ob man eine Verehelichung plant oder, je nach Alter, Kinder hat oder will. Thema erledigt.

Bisexualität ist für manche immer noch exotisch

Erwähne ich allerdings in einer Unterhaltung eine Ex-Freundin oder berichte von einem Erlebnis vom CSD (Christopher Street Day) oder LFT (Lesben-Frühlings-Treffen), dann geht die eine oder andere Augenbraue doch schon ein Stückchen nach oben. Klar, bei aller Aufklärung und Akzeptanz von Lebensmodellen ist Bisexualität vielleicht doch noch ein bisschen ungewöhnlich oder exotisch für die eine oder den anderen.

Wer dann nachfragt, bekommt eine ehrliche Antwort: Ich bin bisexuell und hatte schon Beziehungen zu Frauen und Männern. Ich bin da - ja, was eigentlich - flexibel? “Ich verliebe mich in Menschen, das Geschlecht ist nebensächlich” ist eigentlich eine gute “Erklärung”, die es auf den Punkt bringt, aber die funktioniert eben nicht immer.

Von allen Seiten kritisch beäugt

Auf dem CSD, wo ich mich absolut zugehörig fühle, wird dann schon kurz gezuckt, wenn ich meinen Freund erwähne - auch wenn das B für "Bisexuell" schon von Beginn an Teil der LGB(TQIA*)-Bewegung war.

In der Lesbenszene werde ich nicht akzeptiert, weil ich halt keine Lesbe bin. Okay, während ich in einer Beziehung mit einer Frau bin, “darf” ich da sein, aber sonst? “Nein, hier geht es um Lesben, nicht um ‘Mischwesen’”, wurde mir mal auf einer Szene-Veranstaltung erläutert.

Bisexualität wird gern auf Sex reduziert

Hetero-Männer assoziieren Bi-Frauen häufig mit Dreier-Sex-Szenen, und eine neutrale Unterhaltung ist an diesem Punkt dann oft nicht mehr möglich. Es folgten auch durchaus schon eindeutige Angebote mit dem Hinweis auf die Frau/Freundin und deren “Aufgeschlossenheit”.

Hetero-Frauen denken, so empfinde ich es zuweilen, auch kurz an Sex und einige rücken direkt ein Stückchen ab und fragen sich eventuell, ob ich ihnen gleich aufs Klo folgen werde. Gerne kommt auch der Spruch: “Mein letzter Freund/Mann war so ein Arsch, dass ich auch schon überlegt habe, ob ich nicht zu Frauen wechseln soll.” Als wäre das eine Frage der Entscheidung.

Ich weiß gar nicht, wie oft ich schon auf Swingerclub-Fragen geantwortet habe, weil die Sache dann letztlich doch irgendwie auf das Thema Sex reduziert wird. Im “richtigen Leben” soll man sich eben entscheiden: Was soll das denn, bisexuell? Entweder - oder! Nicht immer so, wie es dir gerade passt! Such dir jetzt gefälligst eine Schublade aus!

Ich werde mich nicht entscheiden - kann ich auch gar nicht, das ist ja des Pudels Kern. Ich entscheide mich für oder gegen diese Frau da drüben oder jenen Mann da vorne und hoffe einfach, dass es auf Gegenseitigkeit beruht.

Natürlich treffen die beschriebenen Szenarien nicht immer und überall zu, da das Thema oft gar nicht zur Sprache kommt, mein Gegenüber eh darum weiß oder es ihr oder ihm schlicht egal ist. Aber die Erfahrung zeigt, dass Bisexualität eben doch auch irritierte Reaktionen hervorruft.

Mehr Auswahl? Die Partnersuche ist kompliziert

Jemanden zu finden, wenn man denn sucht, ist wieder ein anderes Thema. Ist das Objekt der Begierde ein Mann, ist die Wahrscheinlichkeit rein statistisch recht hoch, dass er auf Frauen steht. Findet frau die Frau da drüben toll, wird es schon komplizierter. Steht sie auf Frauen und, falls das Gaydar eindeutig ausschlägt, was ist mit Bi-Frauen?

Aber das ist ein Fass, das eine separate Betrachtung erfordert, wenn man es denn öffnen mag. Ich gerade nicht, denn ich bin nicht auf der Suche. Ich bin glücklich mit einem Mann, der sich nicht ständig fragt, ob ich vielleicht mit der Frau durchbrenne, die an der nächsten Ecke steht. Wir haben uns füreinander entschieden, so wie wir sind, mit allen Stärken und Schwächen. Und wenn einem von uns etwas fehlt, müssen wir das untereinander klären. Bi hin und oder her. In einer Beziehung kann uns die oder der andere nie immer alles geben, was wir theoretisch gerne hätten und mancher „Verzicht“ ist letztendlich gar keiner, wenn man sich bemüht, das Gegenüber möglichst glücklich zu machen.

* Name ist der Redaktion bekannt. Unsere Autorin (47) ist kaufmännische Angestellte im Ruhrgebiet und beschäftigt sich in ihrer Freizeit mit Büchern, Musik, dem BRIGITTE-Forum, ihrem bunten Freundeskreis und ehrenamtlich in der Aids-Hilfe.

Brigitte

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