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Beziehung 2.0: „Ich bin dann mal Tinder!“


BRIGITTE.de-Leserin Petra wurde von ihrem Freund verlassen - und suchte eine neue Liebe via Dating-App. Gar nicht so einfach.

Und plötzlich war ich Single

Es schien, als seien die nächsten 50 Jahre klar strukturiert: Haus, Hochzeit, Kinder. Doch auf einmal hörte ich von ihm nicht mehr die magischen drei Worte „Ich liebe dich“, sondern: „Ich kann nicht.“

Die Wochen seit diesem Geständnis sind wie im Flug vergangen, und ich hätte nie gedacht, was man in dieser doch eher kurzen Zeit alles hinbekommt: neue Wohnung, neue Möbel, sehr viel Papierkram und die Erkenntnis, wieder zu der ominösen Gruppe der Singles zu gehören.

Schon im reifen Alter von – ich glaube, ich war sieben – wusste ich, dass ich meine Baby Born eines Tages gegen ein „echtes Baby“ eintauschen würde. Ich hatte keine Ahnung wie, aber irgendein Wundermittel würde es schon geben. Vorab eine Traumhochzeit in Weiß und die Hochzeitsnacht im neuen Eigenheim. Kurzum: Ich war ein ziemlich spießiges Mädchen.

Ich hatte ihn im Studium kennengelernt

Es folgte die Pubertät und die Zeit danach. Mit dem Abitur in der Tasche schmiss ich mich in eine aufregende Studienzeit. Ich hatte tolle Kommilitonen an meiner Seite, die genauso gern feierten wie ich.

Nach drei Jahren durfte ich mein Diplomhütchen aufsetzen. Aber STOP! Ich habe ja noch gar nicht von meinem kurz zuvor erlangten Titel berichtet: Freundin, Partnerin, Lebensabschnittsgefährtin! Denn nachdem sich in mir bereits eine gewisse Frustration breit gemacht hatte, ist es mir zum Ende des Studiums tatsächlich gelungen, einen Wahnsinns-Kerl zu erobern – oder er mich? Wie auch immer, wir haben uns Hals über Kopf verliebt und er entsprach in jeder Hinsicht dem Typ Mann, den ich wollte.

Gerne würde ich an dieser Stelle von diesem Moment im Detail berichten, auch wäre ich mir nicht zu fein, sämtliche wunderbare intime Höhepunkte auszuplaudern – nur macht es vor dem Hintergrund, dass meine rosafarbene Seifenblase nach sechseinhalb Jahren platzte, überhaupt keinen Sinn.

Spulen wir also wieder vor.

Die Trennung hat mich überfordert

Die Wochen nach der Trennung verliefen in etwa alle gleich: Unter der Woche ging ich meiner Arbeit nach, und am Wochenende traf ich mich mit meinen Mädels. Ich muss zugeben, dass ich meine Freunde besonders in den letzten Monaten meiner Beziehung ziemlich vernachlässigt hatte. Ich schäme mich dafür, denn sie sind so selbstverständlich für mich da.

Die Zeit nach der Trennung war auch von Hochs und Tiefs geprägt. Irgendwann bestanden die Hochs nur noch darin, aus den tiefen Tiefs wieder auf ein Normal-Level zu kommen – mein Glücksempfinden saß nach wie vor im Keller und schmollte.

Ich war überfordert mit meiner neuen Situation. Nicht nur, dass sie für mich wie aus heiterem Himmel kam, ich gehörte auch noch zu der Sorte Frau, die sich (fast) nur in einer Beziehung komplett fühlt. Doch meine Freundinnen wussten Abhilfe: eine Dating-App.

Soll ich so die Liebe meines Lebens finden?

Es scheint es ja total in zu sein, Beziehungen online zu knüpfen. Also wagten wir uns in die Gefilde von Tinder & Co. Nach der Euphorie folgte jedoch schnell die Skepsis. Soll ich so die Liebe meines Lebens finden!? Ich probierte verschiedene Apps aus – um festzustellen, dass nur der Name ein anderer ist.

Überall das gleiche oberflächliche Prinzip des „Wischens“, dem ich ehrlicherweise nicht komplett abgeneigt bin: „Vielleicht ist er ja ganz nett“, „Lern ihn doch erst einmal kennen“, „Du kannst ihn doch nicht nur nach seinem Äußeren beurteilen“. Darüber wurde in meinem Freundeskreis viel diskutiert. Innere Werte, toller Charakter - na klar, ohne Frage muss das stimmen. Aber was sehe ich zuerst? Na, den Mann natürlich, und den muss ich ansprechend finden.

Also: Wischer links, Wischer rechts, Likes, Matches und – Überraschung – sogar vertraute Gesichter. Schnell ist das System vertraut und man ixt fast schon gelangweilt, aber munter drauf los. Und schwupps ... verdammt, der wirkte sympathisch! Warum gibt es bei diesen Apps auch keine Zurück-Taste?

Ich will das Kennenlernen wieder live, 3-D und in Farbe!

Trotz der netten „Augen-Blicke“ fällt mein Resümee des Online-Datings schwach aus. Viele scheinen nur auf Match-Jagd zu sein - wirkliche Kommunikation findet nicht statt. Und diejenigen, die sich die Mühe machen, verfolgen in den meisten Fällen nur das Ziel kurzer, vorwiegend leicht bekleideter Bekanntschaften.

Ich schließe nicht aus, dass in der virtuellen Welt auch ehrliche und tolle Beziehungen entstehen können – aber warum probieren wir es nicht wieder live, 3-D und in Farbe?! Würden alle Singles dies tun, müsste man sich doch zwangsläufig auf der Straße begegnen, nicht wahr?! 

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