Anzeige

Babyfalle: Wie die Gleichberechtigung mit dem ersten Kind flöten geht

BRIGITTE.de-Leserin Charlotte über das Dilemma, Mutter zu sein, eine gleichberechtigte Partnerschaft zu leben, und selbstbestimmt zu bleiben.

Als gendersensible, noch kinderlose Frau wusste ich: Ein Kind bringt oft das Ende einer bis dahin gleichberechtigten Partnerschaft mit sich. Mit Windeln und Stramplern hält auch die traditionelle Rollenverteilung Einzug. So stolpern viele emanzipierte Frauen in die sogenannte Babyfalle.

Mir sollte genau das nicht passieren. In der Theorie klang alles ganz einfach: Mein Mann und ich würden uns die 14 Elterngeld-Monate gerecht aufteilen. Zuerst bleibe ich sieben Monate zu Hause, dann er. Dann kommt das Kind in die Krippe. Und dann? Ja, dann wäre alles wir vorher auch. Ehrlich gesagt habe ich gar nicht weiter gedacht. Vermutlich aus der Ahnung heraus, dass das alles nicht gerade einfach wird.

Schon in der Schwangerschaft änderte ich meine Meinung

Schon während der Schwangerschaft verabschiedete ich mich von der Idee, nur sieben Monate Elternzeit zu nehmen. Zwölf Monate schienen mir plötzlich die bessere Wahl zu sein. Tatsächlich habe ich dann bei meinem Arbeitgeber zwei Jahre Elternzeit eingereicht, mit der Option, vor deren Ablauf in Teilzeit zu arbeiten.

Mein Mann stand hinter dieser Idee und plante für sich zwei Monate Elternzeit direkt nach der Geburt sowie einen weiteren Monat nach dem ersten Geburtstag. Diese vier Wochen wollten wir für einen gemeinsamen Urlaub nutzen. So veränderte sich innerhalb weniger Monate die jahrelang gereifte Idee einer gerecht aufgeteilten Elternzeit.

Ich beneidete meinen Mann um seinen Job - einerseits

Dann wurde es ernst. In den ersten zwei Lebensmonaten unserer Tochter war die Hausarbeit kein Thema, wir waren ja beide zu Hause und teilten uns die Aufgaben. Doch als mein Mann wieder ins Büro ging und ich zu Hause blieb, entstand bei mir schnell das Gefühl, mich unterzuordnen. Dabei übernahm mein Mann nach wie vor ebenso wie ich das Abwaschen, Einkaufen, Kochen und Windeln wechseln.

Vermutlich reichte es aus, dass mein Tagesrhythmus gänzlich von den Bedürfnissen unserer Tochter bestimmt war und meine völlig nachrangig geworden waren. Ich beneidete meinen Mann um seine Abwechslung und Selbstbestimmung am Arbeitsplatz. Gleichzeitig lebte ich mit unserer Tochter in engster Symbiose und trennte mich nur ungern von ihr.

Je älter unsere Tochter wurde, umso klarer wurde uns, dass wir sie nicht mit einem Jahr in die Krippe bringen wollten. Es erschien uns unvorstellbar, ein kleines Kind, das weder laufen noch richtig sprechen kann, in fremde Hände zu geben. Wir fanden: Für ein Kleinkind ist die Bindung zu seinen Bezugspersonen sehr viel wichtiger als der intensive Kontakt zu anderen Kindern oder gar verfrühte Förderprogramme.

Wenn beide arbeiten, bedeutet das viel Stress

Als sich die Gelegenheit ergab, zwölf Stunden in der Woche zu arbeiten, war unsere Tochter eineinhalb Jahre alt. Meine Schwiegereltern boten an, sich in der Zeit um sie zu kümmern. Diese Veränderung schien für unsere Tochter weniger ein Problem zu sein als für mich. Lieber wäre ich noch länger zu Hause geblieben, wollte aber die berufliche Chance nutzen. Außerdem hatte ich ja immer noch meine Ideale einer gleichberechtigten Partnerschaft, die eine finanzielle Abhängigkeit ausschlossen. Der Antrieb, wieder eigenes Geld zu verdienen, war so stark, dass er den Wunsch, noch länger ausschließlich für meine Tochter da zu sein, in den Hintergrund treten ließ. Gleichzeitig rebellierte dieser Wunsch in meinem Bauch.

Dann wurde es ernst. Ich ging an zwei bis drei Tagen in der Woche arbeiten. Machte morgens unsere Tochter und mich fertig, brachte sie zu ihren Großeltern, fuhr zur Arbeit. Abends waren mein Mann und ich müde, jonglierten mit Kochlöffel, Putzlappen und Spielzeug. Stritten uns um das dreckige Geschirr, besprachen das notwendige Organisatorische und schliefen ein.

Meine jobfreien Tage waren für mich Verschnaufpausen. Jetzt erschien es mir nur noch halb so belastend, Hausarbeit zu machen. Gleichzeitig stieg mein Verständnis für meinen Mann, nach einem langen Büroarbeitstag kaum Energie mehr für Hausarbeit aufbringen zu können.

Es gibt auch strukturelle Gründe für die Ungleichheit

Einen kleinen Schritt in Richtung unserer ursprünglichen Idee brachte uns diese Entscheidung: Mein Mann reduzierte seine Arbeitszeit auf 90 Prozent, ich erhöhte meine auf 40 Prozent. Damit waren wir zwar noch weit davon entfernt, zu gleichen Teilen erwerbstätig zu sein. Allerdings wäre eine 50/50- Aufteilung mit erheblichen finanziellen Einbußen verbunden gewesen. Und im Unterschied zu mir ist es meinem Mann in seiner beruflichen Situation nicht ohne Weiteres möglich, Teilzeit zu arbeiten. Es sind daher vor allem strukturelle Gründe, die zu dieser Aufteilung führen.

Tatsächlich stresst es uns als Familie, dass wir beide arbeiten gehen. Es bleibt ja nicht aus, unserer Tochter deswegen am Morgen Druck zu machen und insgesamt für zu viele Aufgaben zu wenig Zeit zu haben. Es mag zwar Realität in vielen Familien sein, dass dieser Stress zum Alltag gehört, aber erstrebenswert ist er nicht.

Wir erlauben uns daher den Luxus einer kleinen Auszeit und kehren drei Monate zur traditionellen Aufteilung zurück: Ich werde nochmals Elternzeit nehmen, um unsere Tochter ohne Vereinbarkeitsproblem in der Kita eingewöhnen zu können. Und um Hausarbeiten erledigen zu können, damit wir abends und am Wochenende mehr Zeit füreinander als Familie haben.

Das Dilemma bleibt uns erhalten

Und nach diesen drei Monaten Elternzeit? Das Dilemma, das zwischen dem großen, zum Gefühl gewordenen Wort „Mutterliebe“ und meinen feministischen Ansprüchen besteht, werde ich weiterhin aushalten müssen. Aber das ist allemal besser, als eine kinderlose Feministin zu sein! 

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel