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"Ein Plädoyer für den Mann"

In der Kolumnen-Reihe "60 Stimmen" schreiben unsere Leserinnen. In diesem Artikel: Anette Judersleben darüber, was sie an Männern so fasziniert.

Anette Judersleben, 1965 in Stuttgart geboren, lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Köln. Schreiben ist für sie kein Hobby, sondern Berufung. Nach einigen kleineren Veröffentlichungen erschien im Mai 2013 ihr erster Roman "Kölsch und Spätzle".
Anette Judersleben, 1965 in Stuttgart geboren, lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Köln. Schreiben ist für sie kein Hobby, sondern Berufung. Nach einigen kleineren Veröffentlichungen erschien im Mai 2013 ihr erster Roman "Kölsch und Spätzle".
© privat

"Worüber willst du schreiben?" ?Meine Freundin starrt mich ungläubig, ja, geradezu entsetzt an. "Ist dir klar, dass du damit womöglich einen Shitstorm auslöst?" "Ja, durchaus denkbar", erwidere ich grinsend. "Aber das Risiko gehe ich ein." ?Um eines vorwegzunehmen: Ich möchte hier weder eine Feminismus-Debatte auslösen, noch mich als Männerflüsterin darstellen. Dies ist einfach mein persönlicher Standpunkt. Wissen Sie, ich mag Männer. Um ehrlich zu sein, ich finde sie sogar richtig toll! Nicht jeden natürlich, fiese Mistkerle und tumbe Machos sind hiervon explizit ausgeschlossen, doch prinzipiell gilt: Die männliche Spezies unseres Planeten fasziniert mich seit geraumer Zeit mehr und mehr.?

Ausgelöst hat das die Arbeit an meinem Romandebüt; eine witzige Lovestory, erzählt aus abwechselnd männlicher und weiblicher Perspektive. Weil es mir enorm wichtig war, dass die männliche Stimme dabei authentisch klingt, habe ich unzählige Gespräche mit vielen Männern, meinem eigenen vorneweg, geführt. Über ihre Gefühlswelt, wie sie mit Ängsten und Niederlagen umgehen, was für sie in einer Beziehung wichtig ist, usw. Ich war überrascht, wie offenherzig sie meine Fragen beantwortet haben, doch vor allem bin ich dankbar dafür, denn das hat in mir eine ganz neue, tiefere Wertschätzung für den Mann als solchen hervorgerufen.

Seitdem betrachte ich Männer aus einem anderen Blickwinkel. Ich kann heute vieles von dem, was sie tun oder sagen, besser einsortieren und habe es für mich adaptiert: Ja, sie fühlen, handeln und denken oft grundverschieden zu uns Frauen, aber das ist okay. Sie dürfen das, eben weil sie Männer sind.? Das ist auch der Grund, weshalb ich sie inzwischen gern beobachte. Sie sind so faszinierend anders! ?Wie sie lachen, sich bewegen, reden, argumentieren. Ihre oft so kraftvoll entschlossene Gestik beeindruckt mich und ich schätze ihre nüchterne Sachlichkeit, mit der sie Dinge anpacken. Andererseits entdecke ich bei ihnen so viel Zärtlichkeit und Gefühl. Neulich spazierte ich am Rhein entlang und vor mir rannte ein augenfällig frisch verliebtes Pärchen aufeinander zu. Der junge Mann strahlte derart, dass mir die Tränen kamen. Ich denke an den Mittvierziger, der seine betagte Mutter mit sanfter, liebevoller Stimme daraufhin hingewiesen hat, dass sie ihren Stock nicht vergessen solle. Oder den Vater, der seine kleine Tochter zärtlich tröstete, weil ihr Lolli in den Matsch gefallen war.

Ja, Männer sind toll und sie sind sensibler und verletzlicher, als viele Frauen denken oder wahrhaben wollen. ?Damit wir uns richtig verstehen: Ich will sie keinesfalls als fehlerlose Wesen glorifizieren. Es gibt so manch männliches Verhalten, das mich weiterhin entsetzlich nervt. ?Zum Beispiel, wenn sie einen ungeniert anglotzen. So wie dieser Kerl im Discounter vor ein paar Tagen. Zugegeben eine Augenweide, doch das wusste er auch. So ein "Schaut alle her wie cool und sexy ich bin"-Typ, etwa fünf bis sieben Jahre jünger als ich. Er kam mir im Gang entgegen und taxierte mich von oben bis unten und das ziemlich arrogant. Was er leider nicht wusste, war, dass ich längst eine Strategie gegen derartige Blicke entwickelt habe. Mit unbewegter Miene habe ich ihn ebenfalls gescannt, ganz langsam und ihm dann kühl permanent in die Augen gesehen, während ich weiter auf ihn zuging. Damit hatte er eindeutig nicht gerechnet. Er begann nervös zu zwinkern, zappelte mit den Fingern und als wir fast auf gleicher Höhe waren, schaute er hastig weg und tat so, als interessiere er sich brennend für das Katzenfutter im Regal. Tja, mit mir nicht, Junge, dachte ich und schritt hoheitsvoll an ihm vorüber. Muss ich erwähnen, dass ich dabei gegrinst habe?

?Nein, es gefällt mir nicht alles an Männern und es gibt immer noch Situationen, in denen es mich regelrecht umhaut, wie anders sie ticken. Neulich bei uns Zuhause: Mein Mann hatte mit einem Freund telefoniert und erzählte mir nach dem Telefonat, dieser sei Opa geworden. "Es ist ein Mädchen, sie heißt Lisa." Neugierig wartete ich auf weitere Infos, doch die kamen nicht. Leicht irritiert hab ich also nachgehakt. Geburtsgewicht, Größe, ist die Kleine gesund, wie geht es der jungen Mutter? All diese Punkte, die eine Frau halt brennend interessieren. "Keine Ahnung, davon hat er nichts erzählt", sagte mein Mann und sah mich völlig verdutzt an. "Hätte ich nachfragen sollen?"

Jede Wette, Sie wissen genau, was ich in jenem Moment gedacht habe. "Männer! Das ist sooo typisch!" Ich habe es jedoch nicht laut ausgesprochen, sondern still in mich hineingeschmunzelt. Ja, es war typisch, aber das ist okay. Ich kann und darf nicht erwarten, dass sie so reagieren wie eine Frau. Sie sind eben Männer und auch wenn mich ihre Andersartigkeit manchmal nervt oder verblüfft, bleibe ich dabei: Männer sind toll. ??

P.S. Die Infos über Lisa habe ich mir selbstverständlich noch besorgt. Ich habe die frischgebackene Oma angerufen und über eine halbe Stunde lang mit ihr telefoniert. Mein Mann bekam das mit und nachdem ich aufgelegt hatte, sagte er mit nachdenklicher Miene: "Weißt du, ich habe euch gerade fasziniert zugehört. Ihr Frauen tickt wirklich total anders als wir Männer." "Du sagst es", erwiderte ich lachend und gab ihm einen Kuss. "Wie schön, dass wir uns trotzdem lieben."

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