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"Die Liebe zum Laufen - einfach mal trauen"

In der Kolumnen-Reihe "60 Stimmen" schreiben unsere Leserinnen. In diesem Artikel: Cecilia Veronica Alexander hat sich beim Laufen selbst gefunden und läuft mittlerweile Marathons. Dabei begann alles mit einer Wette.

Cecilia Veronica Alexander lebt mit ihren Kindern Lucía und Benicio in Hamburg. Sie arbeitet im Marketing. Für die gebürtige Chilenin ist es jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung, Job, Kinder, Freunde und Sport unter einen Hut zu bekommen - aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, so ihr Motto. Seit einigen Jahren läuft sie Marathon. 2013 hat sie sich zum ersten Mal an einen Triathlon gewagt. Wie das war, zeigt der Kinofilm Wechselzeiten, in dem sie eine der Protagonistinnen ist.
Cecilia Veronica Alexander lebt mit ihren Kindern Lucía und Benicio in Hamburg. Sie arbeitet im Marketing. Für die gebürtige Chilenin ist es jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung, Job, Kinder, Freunde und Sport unter einen Hut zu bekommen - aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, so ihr Motto. Seit einigen Jahren läuft sie Marathon. 2013 hat sie sich zum ersten Mal an einen Triathlon gewagt. Wie das war, zeigt der Kinofilm Wechselzeiten, in dem sie eine der Protagonistinnen ist.
© privat

"Todo Cambia" – so lautet ein Liedtitel meiner Lieblingssängerin Mercedes Sosa. Er steht als Tattoo verewigt auf meiner Schulter und ist eine Hommage an meine chilenischen Wurzeln, meine Eltern, meine Familie und mein Leben. "Todo Cambia" ist spanisch und bedeutet: "Alles (ver-)ändert sich". Verändert hat mich auch mein erster Triathlon und der Dreh zur

Dokumentation "Wechselzeiten". Ich bin daran gewachsen und ein Stück "weitergekommen". Gebracht hat mir diese Erfahrung tolle Menschen, viel Mut und das Gefühl, etwas "Unerreichbares" geschafft zu haben. Ich habe große Kraft und Energie daraus gewonnen, für meine persönliche *Happiness*.

Kurzer Rückblick, wie ich mit meinem Sport angefangen habe: Als Studentin wohnte ich nach einem Auslandsaufenthalt bei meinem Vater. Regelmäßig lief er zur Entspannung im Wald und irgendwann nahm er mich mit. Das Laufen wurde "unser Ding", mit dem Traum, einmal einen großen Wettkampf zusammen zu bestreiten. Einige Jahre später erlag mein Vater dem Kampf gegen den Krebs. Mit ihm begruben wir all seine Träume - auch diesen, unseren gemeinsamen. Eine Dekade später befand ich mich in der Lebensphase "Junge Familie mit Reihenhaus im Hamburger Vorort" und versuchte meinen persönlichen Status Quo zu finden: "Wo bin ich?", "Wer bin ich?" und "Ist das alles so richtig für mich?" Ich teilte das Gefühl vieler Frauen und Mütter, niemandem richtig gerecht werden zu können. Die Frage war: Wie gehe ich damit um?

Irgendwann tat ich das Einzige, was mir in dieser Phase sinnvoll erschien: Meine alten Laufschuhe anziehen, rausgehen und laufen und dabei meine Gedanken sortieren und nachdenken. Die Laufstrecke war mein neuer Raum. Hier war ich nicht Mutter, Ehefrau oder Tochter. Hier war ich nur ich. Das hatte mir gefehlt: Raum und Zeit zu reflektieren. Das ist meine wichtigste Erkenntnis aus dieser Zeit: Step out and look at yourself! Ich nahm mir diese Zeit für mich. Und neben der Sortierung von Gedanken und Gefühlen wuchs langsam auch der sportliche Fortschritt. Drei Kilometer, vier Kilometer, Betriebssportgruppe und Pilates. Ich fühlte mich wohler in meiner Haut, wurde jeden Tag fitter und hatte mehr Energie.

Ein halbes Jahr später war meine längste gelaufene Strecke 16 Kilometer - und ich verlor eine Wette. Der Einsatz: Den Hamburg-Marathon laufen. Einen Tag später! Ohne Ahnung, ohne Ausrüstung, ohne wirkliche Vorbereitung. Ich lief ihn in 5:01 Stunden - auch für meinen Vater. Ein unbeschreibliches Gefühl, etwas erreicht zu haben, von dem ich nicht im Ansatz geglaubt hätte, dass ich es jemals mache, und überraschend, welche Stärke ich daraus gewann. Das war der Start für die Liebe zu diesem Sport. Ich fing an, "richtig" zu trainieren und hatte das Gefühl, mich selber neu zu erfinden. Ich schuf mir meine eigene Welt, außerhalb meiner Comfort-Zone. Das war toll. Aber damit einher gingen auch einige Erkenntnisse für mich - und meine Familie. Mittlerweile ist dieses "erste Mal" viele Marathons und einen kleinen Ultramarathon her.

Cecilia (li.) beim Training mit ihren drei Rookie-Kolleginnen Sarah, Adolé und Kristina.
Cecilia (li.) beim Training mit ihren drei Rookie-Kolleginnen Sarah, Adolé und Kristina.
© privat

Triathlon war immer in weiter Ferne für mich. Ich konnte ja "nur" laufen. Das aber zugegeben ganz gut - und mit meinen ganz eigenen Stil und Spirit. Im Training traf ich auch einige Triathleten, die mich für die Idee begeisterten. Und dann hörte ich vom Rookie-Programm: 40 Anfänger sollten in 12 Wochen für ihren ersten Triathlon trainiert werden. Ich war begeistert! Ich habe mich beworben und einen Platz bekommen. Ich begann die Vorbereitungen, wie immer, mit meiner sehr eigenen, manchmal auch etwas chaotisch-naiven Art, an Dinge heran zu gehen. Aber immer mit vollem Einsatz und Begeisterung. Immer positiv denken - so klappt es für mich am besten.

Aber: Das Schwimmen. Wasser war für mich ein völlig fremdes Element (erst mit 20 Jahren lernte ich überhaupt Basis-Brustschwimmen). Fortschritte auch nach einigen Wochen noch: gleich Null! Die Bewegungsabläufe und die dafür nötige Koordination waren mir einfach zu fremd. Und zu viel Denken hilft auch nicht. Aber ich wollte es unbedingt, Aufgeben war keine Option. Der Durchbruch kam unendliche Wochen später mit dem Schritt in freie Gewässer, ohne die Hektik und anderen Menschen im Schwimmbad. Auf der anderen Seite: Das Radfahren! Ich war total "geflasht" von diesem Gefühl der Freiheit, wenn man über die Straßen fliegt. Und die Besonderheiten und Regeln beim Rennradfahren in der Gruppe fand ich sofort faszinierend.

Durch die nur kleinen Zeitfenster als berufstätige Mutter von zwei Kindern musste das Training der drei Sportarten gut organisiert und eingeteilt sein. Denn natürlich muss auch noch genug Energie vorhanden sein für Beruf, Einkaufen, Kochen, Spielen, Kindergeburtstage, usw. Meine Kinder waren toll in dieser Zeit, haben mich unterstützt, oft auch mitgemacht und fanden es "cool", dass ihre Mutter so etwas macht. Und ich erzog meine Kinder damit auch zu größerer Selbstständigkeit.

Mit den Erfolgen und der Kraft aus dem Training entschied ich, kurzfristig noch von der geplanten "Sprint Distanz" in die "Olympische Distanz" zu wechseln. Auch typisch "ich", aber das Gefühl stimmte. Und es wurde mit dem Zieleinlauf bestätigt - diese Kraft und Energie ist ein Geschenk fürs Leben! Rückblickend bin ich stolz und voller Freude über das, was ich erreicht habe - auch über den "Hamburg Triathlon" hinaus. Ich habe mich selbst gefunden und bleibe nun auch in jeder Lebenslage "ich". Mit meiner sehr eigenen und vor allem positiven Art und Lebensfreude.

Das Jahr 2014 hat mir bis jetzt auch wieder viel Kraft und Freude geschenkt: Für einen 90 Kilometer Ultramarathon in Afrika, für die erste Marathonvorbereitung von vier Frauen in Hamburg und die Durchführung einer privaten Charity-Aktion mit meinen Kindern zugunsten des Kinder-Hospiz "Sternenbrücke". Ich möchte behaupten: Wir haben alle Kraft, Dinge zu tun und Ziele zu erreichen. Wir müssen es nur tun! *always leave the comfort zone*

"Die Liebe zum Laufen - einfach mal trauen"
© privat

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