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Tygapuss "Woher kommst du?" - warum ich diese Frage hasse

Sich zugehörig fühlen – das Lebensthema der Songwriterin Tygapuss 
Sich zugehörig fühlen – das Lebensthema der Songwriterin Tygapuss
© Youbi Deinas
Die Sängerin und Songwriterin Tygapuss, 37, kam als Kind aus Kasachstan nach Deutschland. In ihrer Musik verarbeitet sie das Gefühl, nicht dazuzugehören.

Ich war acht, als meine Familie 1993 in Deutschland ankam. Ich weiß noch, wie ich in der Halle des Flughafens stand und zum ersten Mal den süßen Geschmack einer Banane kostete. Die gab es in Kasachstan nicht. Hier in Deutschland war alles sauber und neu - ich war begeistert! Hier wollte ich bleiben.

Schon am ersten Tag fühlte ich mich fremd

Doch meine Freude hielt nicht lange an. Als unser Koffer aus der Gepäckausgabe kam, stand draufgeschrieben: "Geht zurück, ihr scheiß Russen!" Obwohl ich ein Kind war, spürte ich, was diese Worte auf dem Koffer bedeuteten: Ich war hier nicht willkommen. An diesem Tag habe ich mich zum ersten Mal fremd gefühlt.

Nach Deutschland zu kommen war eigentlich wie eine Rückkehr für uns. Wir haben deutsche Vorfahren und galten in Russland immer als "die Deutschen". Wir haben uns gefreut, in das Land unserer Vorfahren zurückzukehren. Aber plötzlich waren wir hier in Deutschland "die Russen". Das war verwirrend für mich. Wo gehörte ich hin?

Ich tat einiges, um mich zu integrieren

Als Kind lernte ich schnell die deutsche Sprache. Nach der Schule setzte ich mich hin und schrieb ganze Seiten aus Büchern ab, um besser zu werden. Für mich war klar, dass ich mich auf diese Weise gut einleben würde.

Und das ist genau der Grund, warum ich die Frage "Woher kommst du?" so hasse: Immer, wenn mich jemand fragt, woher ich komme, ist das wie ein Beweis dafür, dass all meine Anstrengungen, mich zu integrieren, zwecklos waren. Ich gehöre nicht dazu. Ich bin immer noch fremd.

Ich habe oft darüber nachgedacht, was Menschen dazu bewegt, mir diese Frage zu stellen. Ist es mein Akzent? Sind es meine hohen Wangenknochen? Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass sie es vielleicht nur aus ehrlichem Interesse fragen.

Ich habe meinen Platz gefunden, aber eine Frage habe ich noch

Heutzutage habe ich meinen Platz in der Gesellschaft gefunden. Ich habe als Musikerin das Glück, auch die dunklen Momente meines Lebens ausdrücken zu können und mit ihnen Frieden zu schließen.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Frage nach der Herkunft unangenehme Gefühle auslösen kann. Wenn ich an den Moment am Flughafen zurückdenke, spüre ich immer noch den Schmerz der Ablehnung und frage mich: Was würde mit der Gesellschaft geschehen, wenn wir auf die Frage nach der Herkunft verzichten würden - wenigstens zu Beginn der Kennenlernphase?

Vielleicht würden wir dann genauer hinsehen, wer da vor uns steht und unseren Blick mehr auf die Persönlichkeit unseres Gegenübers richten, statt den Menschen unbewusst einem nationalen oder kulturellen Klischee zuzuordnen. Schließlich sind wir alle Bürger:innen dieser Erde.

Hörtipp: In ihrer kürzlich veröffentlichten Single "Alien Girl" verarbeitet Tygapuss ihre Erfahrungen mit dem Gefühl, nicht dazuzugehören.

Brigitte

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