Anzeige

Seltene Erkrankung Mein Kind und ich haben das Cowden-Syndrom

Seltene Krankheiten: Cowden-Syndrom
© privat
Anita, 41, erfuhr eher durch Zufall, dass sie und ihr Sohn an einer Erbkrankheit leiden. Hier erzählt sie, was es bedeutet, mit einer seltenen Krankheit wie dem "Cowden-Syndrom" durchs Leben zu gehen.

Den ersten Knoten in der Brust hatte ich mit 17. Lapidare Reaktion des Arztes: "So früh bekommt man keinen Krebs!" Der vergrößerte Hals machte ihn dann aber doch stutzig: "Wir sollten mal die Blutwerte kontrollieren wegen der Schilddrüse." Ergebnis: alles wunderbar.

Lauter unklare Symptome

Hinzu kam der unerfüllte Kinderwunsch, für den es nie eine Diagnose gab. Doch nach 15 Jahren geschah das Wunder: Ich war schwanger und wie beseelt vor Glück! Dann kam mein Sohn in der 29. Schwangerschaftswoche per Notkaiserschnitt zur Welt. Die Ärzte stutzten: "Ihr Sohn hat gar keinen Frühchenkopf. Das ist nicht schlimm, muss ja nicht. Aber wir sollten das weiter beobachten."

Was mein Sohn hatte, war eine Makrozephalie, ein übernormal großer Kopf. Aber niemand wusste warum. Alle Untersuchungsergebnisse waren gut und ich wollte mich nicht verrückt machen lassen. Doch seine Entwicklung stockte und ich wandte mich ans Sozialpädiatrische Zentrum, wo eine liebe Ärztin mir endlich zugehörte. Sie versprach, uns bei der Suche nach der Diagnose zu unterstützen.

Wir sind zwei von 200.000 Erkrankten

Irgendwann bekamen wir einen Termin bei der Humangenetik und dann stand die Diagnose plötzlich fest: "Cowden Syndrom", eine seltene, vererbbare Mutationskrankheit. Auf eigenen Wunsch wurde auch ich untersucht und so bekam ich meine Diagnose, ohne danach gesucht zu haben. Mein Sohn und ich sind zwei von 200.000 Erkrankten.

Ich habe Wochen gebraucht, um mit dieser Nachricht zurechtzukommen. Erst kannst du keine Kinder bekommen. Dann bekommst du eines mit unklaren Auffälligkeiten, und erfährst, dass du selbst schwer erkranken kannst. Irgendwann wird dein Sohn womöglich auch schwer krank sein. Und wer kümmert sich dann um dein Kind, wenn du es selbst nicht mehr kannst?

Kaum ein Arzt weiß, was diese Krankheit bedeutet

Man hat so viele Fragen, und kaum ein Arzt weiß, was diese Krankheit bedeutet: Man sitzt vor ratlosen Gesichtern und hinterher bist du genauso schlau wie vorher. Man bekommt vage Aussagen zu hören: "Sie haben ein erhöhtes Krebsrisiko, Sie müssen einmal im Jahr zur Vorsorge. Aber wenn etwas gefunden wird, müssen Sie engmaschiger kontrolliert werden." Bloß wie genau und was heißt das? Tatsächlich wuchs in meinem Körper immer irgendwas. Und wenn es nur die Mandeln waren, selbst die waren riesengroß und voller Wucherungen. Aber wer denkt schon an eine Genmutation?! Es war ein Wechselbad der Gefühle.

Doch dann kam das Muttertier in mir durch, dieser Gendefekt hatte sich mit der Falschen angelegt! Ich wollte Antworten und fing an, die Ärzte zu nerven. Einer sagte zu mir: "Diese Krankheit ist ein Chamäleon - alles kann, nichts muss." Ich suchte auch das Internet ab und habe dort andere Betroffene kennengelernt. Es war schön, endlich verstanden zu werden und Hilfe zu bekommen, und wenn es nur Trost war.

Ich entschloss mich zur Mastektomie, um für mein Kind da sein zu können

Mittlerweile wurden bei mir in beiden Brüsten mehrere Knoten gefunden und mein Krebsrisiko wurde auf 85 Prozent eingestuft. Ich habe mich für eine prophylaktische Mastektomie entschieden, denn ich möchte für mein Kind da sein können.

Ich weiß, dass ich am Anfang der Straße namens Cowden-Syndrom stehe, aber ich werde auf dieser Straße alle, die mir entgegenkommen, ansprechen und von dieser Genmutation erzählen. Und wenn mein Sohn älter ist, werden die Ärzte wissen, was eine Mutation im sogenannten PTEN-Gen ist. Ich kämpfe jeden Tag dafür, anderen diese Krankheit näher zu bringen und ich tue alles dafür, dass unsere Symptome ernst genommen werden. Es ist nicht nur das Krebsrisiko, Cowden-Syndrom heißt auch: Makrozephalie, Muskelschwäche, Entwicklungsverzögerung, Autismus, Erschöpfung, Kurzsichtigkeit, Gefäßanomalien und vieles mehr.

Natürlich ist es wunderbar, regelmäßig zur Krebsvorsorge gehen zu können. Aber es belastet mich auch. Nie zu wissen, ob es die nächste Untersuchung sein wird, die mein Leben verändert. Damit muss man lernen, umzugehen. Doch vor allem hat mich das Cowden-Syndrom eines gelehrt: die kleinen Momente zu genießen, sich Zeit zu nehmen und dankbar zu sein für jeden Moment, den man mit seinen Lieben hat.

Die Autorin: Anita, 41, arbeitet in der Kundenbetreuung eines IT-Unternehmens in Norddeutschland. Am liebsten verbringt sie Zeit mit ihrem Sohn und ihrem Mann, außerdem liebt sie Handarbeiten.

Brigitte

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel