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"Ich bin eine transsexuelle Frau - und endlich glücklich!"

Julia war einmal Jürgen, ein Familienvater. Doch sein Leben passte nicht zu ihr. Hier erzählt sie von ihrem Weg zur transsexuellen Frau, die ihr Leben liebt.
Julia ist eine transsexuelle Frau
Julia ist transsexuell. Als Jürgen war sie zwölf Jahre verheiratet und hat zwei Mädchen gezeugt, die sie von 2000 bis 2013 allein großzog. Julia wohnt in Essen, schreibt Gedichte und zurzeit auch ihre Biografie.
© Privat

"Ich war ein Mädchen mit Pimmelchen"

Ich bin Julia, aber dass ich so heiße, war nicht immer so. Meine Eltern gaben mir den Vornamen Jürgen.

Nun ja, er gefiel ihnen halt, und so schlecht fand ich ihn auch nicht. Nur leider passte er eigentlich gar nicht zu mir, oder genauer gesagt, er passte nur zu meinen Genitalien. Aber dafür konnten meine Eltern ja nichts.

Ich bin eine transsexuelle Frau. Ich bin mit einem weiblichen Gehirn, mit einer weiblichen Identität zur Welt gekommen. Dummerweise aber auch mit XY-Chromosomen, die mir in meinem bis vor kurzem gelebten Leben so manches abstrus erscheinen ließen. Das war äußerst dumm gelaufen.

Gemerkt, dass etwas nicht stimmt, habe ich schon sehr früh. Nur war das vor der Pubertät noch nicht so gravierend, nicht so wichtig. Ich war ein Kind, ein Mädchen mit Pimmelchen, und ich dachte, das ist wohl normal so. Wie hätte ich es auch anders wissen können.

In den ersten vorpubertären Phasen habe ich mich gelegentlich nackt vor den Spiegel gestellt. Ich drückte die Hoden und den Penis einfach nach innen, und dann sah es aus wie eine Vulva. Das hat mich fasziniert, und ich bekam langsam eine Ahnung davon, was bei mir falsch läuft.

Etwas später - ich hatte mittellange, schneeblonde Haare - bin ich von Fremden meist für ein Mädchen gehalten worden. Was war ich glücklich darüber!

Erst mit 16 verstand ich, was mit mir los war

Mit 16 Jahren habe ich dann einen Artikel über Transsexualität gelesen. Da wurde mir klar, was mit mir los ist. Es stand auch etwas über die geschlechtsangleichende OP darin. Solche OPs wurden damals halblegal im marokkanischen Casablanca angeboten. Aber ich traute mich nicht, darüber zu reden.

Nun ja, ich habe es dann ja doch noch hinbekommen, auch nach außen das zu sein und zum Ausdruck zu bringen, was ich bin: Ein weibliches Wesen, eine Frau, und mir geht es dabei so gut wie nie zuvor in meinem Leben.

Ich bekomme seit über dreieinhalb Jahren Hormone, habe eine zweite, die richtige Pubertät, durchlebt. Mit allem, was dazu gehört. Ich hatte starke Stimmungsschwankungen, war oft weinerlich, auch zickig. Ich habe da meinen Mitmenschen schon einiges zugemutet. Aber der Gedanke, das Gefühl, ja das Wissen, dass mein Gehirn, mein ganzer Körper, nun dieses wunderbare Hormon bekommt, das ursprünglich für ihn gedacht war, hat mich sehr, sehr glücklich gemacht. Es beruhigt mich, gibt mir Kraft und Besonnenheit. Es ist sehr oft wie ein Flow-Erlebnis.

Mittlerweile habe ich auch schon richtig schöne Brüste, über die ich mich jeden Tag aufs Neue freue.

Die geschlechtsangleichenden OPs habe ich nun auch hinter mich gebracht, so dass nun endlich die Software im Gehirn mit der neu dazu gewonnen Hardware übereinstimmt. Ich spüre auch körperlich, dass es nun stimmt. Es ist faszinierend.

Insgesamt waren es drei Operationen und es war schon sehr anstrengend. Aber ich weiß jetzt, dass ich alles richtig gemacht habe. Meine Depressionen sind verschwunden.

Was wurde nicht alles an mir herumdiagnostiziert und therapiert. Sogar die Diagnose Borderline wurde gestellt. Allerdings habe ich ja auch niemandem etwas von meiner Transidentität gesagt. Mit niemandem habe ich darüber gesprochen. Ich schämte mich so sehr, habe es auch phasenweise einfach verdrängt, denn ich wollte es nicht wahr haben.

Eine Woche lang lebte ich als Frau

Mein „Coming-out“ begann im Oktober 2013, nachdem ich immer öfter darüber nachgedacht habe, wie schön es sein musste, als Frau zu leben. Und so entschloss ich mich, mir in meiner Nachbarstadt Dortmund für eine Woche ein Appartement zu mieten, um dort rund um die Uhr als Frau zu leben.

Vorher bin ich auch schon in jungen Jahren gern als Mädchen und später als Frau rausgegangen. Ich habe es dann immer sehr genossen, wenn ich ganz selbstverständlich als weibliches Wesen wahrgenommen wurde.

Doch tagsüber, und das auch noch eine Woche am Stück, das hatte ich mich zuvor noch nie getraut. Es war ein unheimlich befreiendes Erlebnis, festzustellen, dass ich auch am helllichten Tag kaum auffalle. Damit hatte ich nicht gerechnet. Zumal ich das mit dem Schminken und Stylen noch nicht wirklich gut konnte.

Ich lebte also eine Woche als Frau, und als ich wieder als „Mann“ nach Hause fuhr, war ich erst mal ziemlich durcheinander und auch wieder depressiv. Ich wusste nicht, wie es weitergehen soll.

Es war auch wieder diese Scham da, diese Scham, etwas Verbotenes, Unanständiges zu tun. Ich war verwirrt, aber eigentlich war mir mittlerweile klar, dass es kein Zurück mehr geben konnte. Mitte November 2013 stand mein Entschluss fest: Ich werde mich outen. Ich werde nicht mehr so tun, als sei ich ein Mann.

Heute kann ich endlich sagen: "Ich bin glücklich!"

Nun habe ich es geschafft. Ich habe eine Geburtsurkunde, in der bei Geschlecht „weiblich“ angegeben ist. In meinem Ausweis steht „Julia“. Es ist wie ein Wunder.

Manchmal schauen die Leute komisch oder machen dumme Bemerkungen, aber es passiert nicht so oft. In der Regel falle ich nicht auf. Da habe ich Glück.

Aber ich stehe auch dazu. Ich bin eine spezielle Frau, eine Transfrau. Es ist ja auch so, dass ich meine Vergangenheit in mein jetziges Leben integrieren muss. Es war und ist auch manchmal noch schwer, doch es gelingt mir immer besser. Ich habe einen Punkt in meinem Leben erreicht, an dem ich sagen kann: “Ich bin glücklich und zufrieden.“

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