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"Best Ager"? Leute, wir sind die lässigsten Ladys unter der Sonne!

BRIGITTE.de-Leserin Sandra zählt zur Generation „50 plus“ und genießt ihr Leben in vollen Zügen. Allerdings anders als die Gesellschaft sich das vorstellt.
Best Ager
Sandra Rohmann (51) lebt in Hamburg, ist fast geschieden und hat eine erwachsene Tochter, die sie gerade zur Großmutter gemacht hat. Aufgewachsen ist sie auf einer kleinen Insel in der Nordsee - ihre Kindheit nennt sie liebevoll "verwahrlostes Bullerbü", da ihre Eltern ihr zwar ein traumhaftes Inselleben ermöglichten, die Nachkriegsgeneration aber alles andere als viel Zeit hatte. Sie war viel unterwegs und lebte einige Jahre in Barcelona. Beruflich versucht sie gerade, sich umzuorientieren und betreibt neuerdings den Blog www.midlife-trash.de über die Wahnsinnigkeiten ihres Alltags. Auch auf Instagram ist sie mit Midlife_Trash vertreten.

© Privat

In meiner Stadt gibt es dieses Café, und dieses Café ist schon seit langer Zeit mein Spielplatz, meine Chillout-Area, meine Bücherei, meine Tageszeitung, mein Kaffeeklatsch, kurz: Ich bin gern und oft da. Ich treffe dort fast immer auf Freundinnen oder zumindest auf Bekannte.

Wir sind sie, die „Best Ager“ die „Ü-50“. Unsere Kinder sind aus dem Haus, sofern wir welche haben, wir sind geschieden, sofern wir verheiratet waren, einige sind es sogar noch, wir wissen im besten Fall mittlerweile, was wir wollen und leisten es uns auch.

Irgendwo habe ich gelesen, dass wir zur wichtigsten Käufergruppe der Zukunft gehören sollen! Na bitte, wenn das nichts ist.

In den Fünfziger Jahren mussten wir uns noch mit Frauengold gefügig saufen und waren quasi unsichtbar … wir verblassten einfach so und wurden nicht mehr wahrgenommen.

Aber uns nimmt man auf jeden Fall wahr! Wir sitzen da und schnattern, ab und an lästern wir, natürlich auch mal über die Generation, die nach uns kommt, da unterscheiden wir uns nicht wirklich von unseren Vorgängerinnen.

Wir lassen uns nicht mehr so viel gefallen

Fast immer haben wir Spaß. Wir sind gut vernetzt und statt Socken für die Enkel zu stricken (die kaufen wir lieber) gehen wir auf Konzerte, trinken Rosé, einfach so, weil wir so schön zusammensitzen, und genießen das Leben. Wir ziehen an, was uns gefällt, was schon mal ein überdimensionaler rosa Fellhut sein kann, und wir müssen im Job nicht mehr sklavenmäßig unterwegs sein. Weil wir entweder schon erreicht haben, was wir uns mal vorgenommen hatten, oder es gar nicht anders wollen. Wir haben alle schon viel erlebt, Gutes und Schlimmes, uns haut so schnell nichts um, wir sind tolerant und schmunzeln eher statt zu bewerten. Wir sind auch mal zickig oder quengelig, je nach Belieben oder Tagesform. Wir lassen uns nicht mehr so viel gefallen, wir sagen, was uns stört.

Außerdem sehen wir noch ganz gut aus, und ich sehe immer mehr Frauen in meinem Alter, die wirklich toll aussehen! Ganz anders als unsere Mütter. Aber kürzlich habe ich einen Artikel gelesen, den ich anfangs sehr lustig fand, bis ich gemerkt habe, dass der Autor es tatsächlich ernst meint. Es sollte tatsächlich eine Art Ratgeber sein! Ich war fassungslos.

Die Überschrift lautete in etwa so: „Soundsoviele Fettnäpfchen, in die Frau ab 50 tritt

Leider fällt mir nicht mehr alles ein, aber einiges habe ich behalten, weil es so absurd ist:

  • „Wir sollen unsere Zahnpflege jetzt bloß nicht vernachlässigen.“ Wie bitte? Ich kenne keine Frau, die mit 50 ihre Zahnbürste wegschmeißt und aufhört sich die Zähne zu putzen, woher haben die das bloß?
  • „Gebräunt sein sollen wir auch nicht – steht uns gar nicht, macht uns noch älter.“ Na und?! Wir wollen nicht auf ein wohltuendes Sonnenbad verzichten! Dann sehen wir eben „noch“ älter aus, wen kümmert das denn?
  • „Wir sollen und altersgerecht schminken - sonst wird’s peinlich.“ Dann wird es eben peinlich, der Schreiber muss ja nicht hingucken. Erlaubt ist, was gefällt oder nicht?
  • „Wir sollen uns teuer kleiden! Günstige Klamotten sehen nur bei jungen Leuten gut aus.“ Ach so? Na, wenn ich manchmal sehe, was bei jungen Frauen in eine Leggins reinpasst, weiß ich nicht, ob das so stimmt.
  • „Wir sollen nicht immer so mürrisch sein.“ Sind Frauen ab ihrem 50. Geburtstag bis zum Ableben mürrisch unterwegs? Ist mir noch gar nicht aufgefallen! Vielleicht halten wir nicht mehr mit allem hinterm Berg, was uns missfällt, ja, doch, das kann dann schon mal mürrisch wirken.

Also Mädels, tut euch so einen Quatsch nicht an! Seid mürrisch wenn euch einer nervt, tragt hellblauen Liedschatten, wenn er euch gefällt, und weiterhin euren skurrilen Lieblingsmantel vom Flohmarkt, bis er Löcher hat, und vor allem: Genießt das Leben!

Wir hatten Tränen in den Augen - vor Lachen, nicht vom falschen Make-up

Meine Freundinnen und ich scheinen allerdings nicht so mürrisch rüberzukommen, denn kürzlich saßen wir in einer recht großen Population in besagtem Café, mit geputzten Zähnen und einer guten Flasche Wein und hatten Tränen in den Augen - vor Lachen, nicht vom falschen Make-up.

Es war einer dieser wunderbaren Abende, an denen man sich seine Freundinnen ansieht und denkt, was sind wir alle toll, was habe ich für ein Glück, was gibt es Schöneres? Die eine ist eine Tänzerin, die von der Hand in den Mund lebt, die andere war ewig lang in Indien und chantet regelmäßig, die nächste hat eine ganz besondere Beziehung zu ihrem Homöopathen, eine Ärztin ist dabei, eine Werbeikone, eine, die alles weiß, eine, die sich für gar nichts interessiert, alle spannend und intelligent. Und ich stelle fest: Ist doch völlig egal, ob wir alt aussehen an so einem wunderbaren Tag.

Das haben wir wohl auch ausgestrahlt, denn die zwei junge Frauen vom Nachbartisch blieben nach dem Bezahlen ihrer Rhabarberschorle kurz stehen und die eine sagte: „Wissen Sie was, Sie sehen alle so flott aus!“ Das Wort löste bei uns nicht gerade Euphorie aus, aber wir wussten, wie es gemeint war und beschlossen, es wohlwollend zur Kenntnis zu nehmen.

Ganz genau! Wir sehen flott aus! Also, Frauen, raus mit euch! Scheißt auf Ratgeber, Falten und graue Haare, schnappt euch eure Freundinnen und macht die Welt unsicher!

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