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Kate und Meghan Die weibliche Welt teilt sich in zwei Lager!

Kate und Meghan: Links Meghan, Rechts Kate
© OLI SCARFF/ AFP / Getty Images
Mit dem "Megxit" haben sich nicht nur Prinz Harry und Meghan zurückgezogen. Auch der Konkurrenzkampf zweier Frauen-Prototypen findet ein vorläufiges Ende: Kate gegen Meghan, Traditionalismus gegen Eskapismus, Pflichtbewusstsein gegen Selbstbestimmung. Was für eine Projektionsfläche!

Wir alle tragen Kate- und Meghananteile in uns – unterdrückt oder offensichtlich. Je nach Gewichtung verurteilen wir eher die eine oder die andere.

Es gab eine Zeit, da unterhielt man sich über die Royals höchstens beim Friseur, im Wartezimmer oder mit Tante Inge – aber bitte bloß nicht mit Bildungsbürgern. Dass sich daran etwas ändern würde, konnte man vielleicht schon ahnen, als im Mai 2018 geschätzte drei Milliarden Menschen am Fernseher verfolgten, wie der Lieblingsenkel der Queen der mittelmäßigen US-Schauspielerin Meghan Markle das Jawort gab. (Bei Diana und Charles waren es 750 Millionen.)

Alles an dieser königlichen Braut war noch nie da gewesen: eine Frau mit afroamerikanischen Wurzeln, geschieden, links-liberal und feministisch, ohne Strumpfhosen, dafür mit einer eigenen Karriere und Reichtum, der nicht geerbt, sondern selbst verdient war. Allein und selbstbewusst schritt sie durch die St.-George-Kapelle, bis sie ihr Schwiegervater (in Ermangelung eines salonfähigen eigenen) auf halbem Weg in Empfang nahm. Sie brachte nicht nur die Clooneys mit, sondern auch einen farbigen Bischof mit Show-Qualitäten, der ein flammendes Plädoyer für die Liebe hielt.

Was für ein frischer Wind! Was für ein Gegenstück zur farblosen Kate, der Frau von Harrys Bruder William: die perfekte Dreifachmutter, diszipliniert, pflichtbewusst, skandalfrei und zeitlos, eine Art royale Doris Day, nicht laut, nicht auffällig, "ohne Macken, ohne Merkwürdigkeiten, ohne das Risiko der Entstehung eines Charakters", wie die britische Schriftstellerin und zweifache Booker-Preisträgerin Hi­lary Mantel einmal schrieb. Das Gemeine ist: Kate hat alles getan, was die Leute von ihr erwartet haben: Statt nach dem Studium eine eigene Karriere aufzubauen, wartete sie, bis William ihr einen Antrag machte. Sie klagte nicht über königliche Pflichten oder hautfarbene Strümpfe – und wurde genau dafür verspottet: "Waity Katie", die langweilige, hoffnungslos bürgerliche Sozialaufsteigerin. So richtig konnte sie keine Herzen gewinnen. Die Society- Klatschtanten verpassten ihr und Schwester Pippa Middleton sogar den Spitznamen "Wisteria Sisters", benannt nach dem gemeinen Blauregen: "hoch dekorativ, irrsinnig duftend und ausgestattet mit einem bösartigen Klettertalent". Egal, was Kate machte – und im Zweifelsfall machte sie alles richtig: gebar drei Kinder, trug weder bunten Nagellack noch teure Luxuslabels –, sie blieb die "Plastikprinzessin", die, wie der "Spiegel" kürzlich schrieb, immer ein bisschen wirkt, "als wäre sie am 3-D-Drucker entworfen worden".

Es ist schon interessant, dass eine Frau, wenn sie es wagt, perfekt zu sein, unweigerlich zur Zielscheibe von Häme und Spott wird.

Noch interessanter ist aber, was passierte, als Schwägerin Meghan die Windsor-Bühne betrat, die Antipode zur angepassten Kate: extrovertiert, bunt, mit eigener Meinung und eigenem Willen. Die Welt hatte ein neues, organisches Gegensatzpaar wie Ebbe (Kate) und Flut (Meghan). Kein Drehbuchautor hätte zwei bessere Prototypen erfinden können. Die blasse, altbackene englische Rose gegen die bunte, moderne Diversity-Strelizie. Protestantismus gegen Eskapismus. Barbourjacke gegen Armani-Cashmere-Mantel.

Als sich kurz nach der Hochzeit herausstellte, dass die mitreißende junge Frau, die nicht nur die Königsfamilie, sondern eine ganze Nation beschwipste, auch so modern und freimütig leben wollte, wie sie auftrat, kippte die Stimmung. Die Schlagzeilen über Kate wurden milder, freundlicher. Plötzlich war sie nicht mehr bürgerlich, sondern "herrlich bodenständig" – und aus dem "frischen Wind" wurde "Hurrikan Meghan". Vielleicht war die Strelizie doch ein bisschen zu fremd, zu anders, zu ungewohnt? Der Hurrikan trieb angeblich nicht nur die einst so vertrauten Brüder William und Harry auseinander, sondern sprengte auch die "Fab Four", das Schwägerinnen-Brüder-Quartett. Vorläufiger Höhepunkt des Sturmtiefs: der "Megxit", der Rückzug aus der Königsfamilie.

Seitdem teilt sich die weibliche Welt in zwei Lager: in Team Meghan und in Team Kate.

Man kann nicht beide gut oder beide doof finden. Weil es hier nicht um zwei Menschen geht, sondern um mehr: die Rollenbilder von Frauen. Hier die bescheidene, gewissenhafte, Kekse backende Traditionalistin, dort die aufmüpfige, undankbare, ­unabhängige Feministin. Dass die beiden vielleicht einfach nur ihren Persönlichkeiten oder Interessen folgen? Völlig egal. Wir befinden uns in einem Kulturkrieg. Und Kate und Meghan sind die kulturellen Avatare, die Vertreter zweier entgegengesetzter Lager. Ein Lob für die eine ist automatisch ein Seitenhieb auf die andere. Pro-Meghan zu sein bedeutet, gegen Kate zu sein, und umgekehrt.

Frauen sind gut darin, die Entscheidungen anderer Frauen für oder gegen ein bestimmtes Lebensmodell zu verurteilen, das fängt spätestens beim Mutterwerden an: Natürlich Gebärende rümpfen die Nase über Kaiserschnittmütter, Vollzeitmuttis über Karrierefrauen. Statt uns in unserer Vielfältigkeit zu feiern, spielen wir uns gegeneinander aus. So ist auch der Kate-Meghan-Konflikt in Wahrheit ein Stellvertreterkrieg. Denn die zwei Schwägerinnen sind nichts anderes als eine riesige öffentliche Projektionsfläche. Wir alle tragen Kate- und Meghan-Anteile in uns, manche davon offensichtlich, manche unterdrückt. Je nach Gewichtung ergreifen wir intuitiv Partei für die eine oder andere.

In der Psychoanalyse versteht man unter Projektion einen Abwehrmechanismus, bei dem eigene Gefühle, Ängste oder Wünsche, für die wir uns schämen oder die uns bedrohen, einem anderen Menschen zugeschrieben werden. Vielleicht würden Pro-Kates tief in ihrem Inneren auch gern aus der Doppelhaushälfte fliehen, ihrer Schwiegermutter die Meinung blasen und ans Ende der Welt ziehen? Vielleicht verurteilen sie nur, weil sie selbst den Mut nicht finden? Vielleicht sehnen sich Pro-Meghans insgeheim nach Einfachheit, weniger Getriebensein? Vielleicht steckt aber auch etwas ganz anderes dahinter: die Angst vor der Emanzipation und was sie mit sich bringt. Doch statt über unsere Gefühle zu reden, zerfleischen wir lieber andere Frauen. Ist es nicht seltsam, dass Harry und William in diesem Kulturkampf und medialen Irrsinn scheinbar überhaupt keine Rolle spielen? Haben sie sich nicht genauso für unterschiedliche Lebensmodelle entschieden?

Wir befinden uns in einem Kulturkrieg. Und Kate und Meghan sind die kulturellen Avatare.

Wer am Ende mit welchem Mo­dell glücklicher wird? Darauf haben beide Lager vermutlich jetzt schon eine Antwort. Und auch wenn beide Frauen seit dem Rückzug der Sussexes viel gelöster und erleichterter wirken, so haben doch beide verloren. Wir alle haben das. Weil dieser Konflikt, wie die amerikanische Kulturzeitschrift "The Atlantic" (ja, genau die, nicht die "Gala" oder "Bunte"), "die Unordnung des weiblichen Lebens in eine extreme Binärform zerlegt" und damit die Wahlmöglichkeiten aller Frauen begrenzt – nicht nur die von Meghan und Kate.

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