Den Titelsong können wir mitsingen, die Dialoge Wort für Wort mitsprechen und trotzdem schauen wir unsere Lieblingsserien immer und immer wieder. Und das, obwohl die Auswahl bei den verschiedenen Streamingdiensten riesig ist. Dieses Phänomen hat einen Namen bekommen: Comfort Binge.
Comfort Binge: Unsere Lieblingsserien können wir immer wieder schauen
Die Autorin Alexis Nedd hatte den Begriff auf der Nachrichtenseite Mashable für Serien verwendet, die wir schauen, wenn wir erschöpft, faul oder schlecht drauf sind. Es gehe darum, beim Comfort Binge "mit minimalem Aufwand größtmögliches Vergnügen zu bekommen", schrieb Nedd.
Die Serien, die wir uns immer und immer wieder ansehen, sind uns vertraut, die Protagonist:innen sind wie Freunde, mit denen wir vieles im Leben bereits gemeistert haben. Wir kennen das Gefühl, wenn wir in die Welt der Serie eintauchen, uns geht es gut und es ist als würde man nach Hause kommen und sich mit seinen Freund:innen einen schönen Abend machen.
Manche alte Lieblingsserien scheinen heute ein wenig aus der Zeit gefallen
Eines wird bei vielen älteren Serien jedoch auch schnell klar: So würde man das heute wahrscheinlich nicht mehr drehen. Denn viele Serien wie Sex and the City, Gilmore Girls und Friends spielen mit Klischees und Denkweisen, die wir heute in der Gesellschaft eher kritisieren. Es zeigen sich homophobe Züge, sexistische Kommentare und teilweise sogar rassistische Ansätze. Daran zeigt sich, wie aus der Zeit gefallen die Serien doch eigentlich sind. Trotzdem geben sie einem ein wohliges Gefühl, auch wenn bei manchen ein fader Beigeschmack entsteht.
Das sind die Serien unserer Redakteurinnen, die sich nach zu Hause anfühlen
Julia: Das Beruhigende an Grey's Anatomy ist: Egal, wie schlimm es das Schicksal mit den Protagonist:innen meint, ein paar Folgen später ist alles wieder gut. Nichts kann so furchtbar sein, dass es Meredith und Co komplett aus der Bahn wirft. Aber es ist dramatisch genug, als dass es mich zumindest für die Dauer von 40 Minuten aus meinem Alltag herauskatapultiert. Jeden Mittwoch um 20:15 habe ich mir also als Teenie den Platz vorm Fernseher erkämpft und gemeinsam mit meiner Schwester den Ärzt:innen zugeschaut. Heute entspannt es mich noch genauso wie damals. Gut, dass es ungefähr... sehr viele Staffeln und Folgen gibt.
Annalena: Wenn ich mies drauf bin, hilft eines (fast) immer: Friends gucken. Und auch wenn ich sonst nicht darauf beharre – Joey, Phoebe, Rachel, Chandler, Ross und Rachel muss man sich einfach auf Englisch ansehen. Denn die Gags sind so viel besser! Man hat bei der Serie immer das Gefühl, selbst Teil der Clique zu sein, nimmt in Gedanken bei Monica auf dem Sofa Platz und fühlt sich sofort zu Hause. Nach 3 - 4 Folgen ist die Laune meist beachtlich gestiegen, weil man einfach so viel gelacht hat. Danke, liebe Freunde!
Sina: "If you're out on the road. Feeling lonely, and so cold. All you have to do is call my name and I'll be there on the next train": Schon wenn die ersten Töne der Titelmelodie der Gilmore Girls erklingen, stellt sich bei mir eine innere Ruhe ein. Auch wenn von Ruhe bei dem hibbeligen Mutter-Tochter-Gespann meist nicht viel zu finden ist. Diese Serie begleitet mich seit meiner Teenagerzeit. Stars Hollow ist fast wie ein zweites Zuhause geworden und vom Sofa aus wandere ich mit den beiden durch das kleine Haus mit dem wuchernden Garten, durch das Dragon Fly oder durch die Flure von Yale. Rorys Besessenheit vom Lernen, das viele Lesen, die Faszination des Studiums und der Wunsch, Journalistin zu werden, wurden mir zum Vorbild – ohne die Gilmore Girls wäre ich vielleicht heute keine Redakteurin. Klar ist mir natürlich: Heute würde die Serie mit all ihren Klischees und Vorurteilen so nicht mehr gedreht werden, aber ich verdanke ihr einiges und deswegen bleibt sie meine Zuhause-Serie.
Mareike: how I met your mother: Jaja, die Serie wimmelt aus heutiger Sicht von schwierigen Mann-Frau-Verhältnissen und ist gut sexistisch. Ist mir egal, will ich nicht hören. Wenn ich krank oder schlecht drauf bin, fühlt sich das Hineinschauen an wie ein Besuch im MacLaren's, bei dem man seine vier besten Freund:innen trifft und darüber spricht, dass eben nicht immer alles gut läuft – man am Ende des Tages aber trotzdem nicht alleine ist. Freundschaft, wie man sie sich wünscht.
Lara: Beim Gucken der US-amerikanischen Makeover-Serie Queer Eye fühle ich mich immer rundum geliebt und seelisch wie in eine kuschlige Decke gepackt: Jede Folge ist hochemotional, sie geht trotzdem immer gut aus und zwischendrin muss ich ganz viel lachen. Die fünf queeren Männer, die die Leben anderer Menschen umkrempeln, fühlen sich längst wie meine Freunde an, deren Rezepte, Stylingtricks und Liebes-Ratschläge ich dankend annehme. Früher, nach einem anstrengenden Schultag, hat die Vorabendserie Türkisch für Anfänger für genau dieses Gefühl gesorgt. Im letzten Sommer habe ich alle Staffeln noch mal durchgeschaut, mich dann aber erschrocken, wie veraltet viele Ansichten und Dialoge sind – dabei hielt ich den Plot um eine deutsch-türkische Patchwork-Familie vor knapp 15 Jahren für total progressiv. Gut, dass wir jetzt weiter sind.
Laura: Meine absolute Lieblingsserie, die mir immer ein gutes, geborgenes Gefühl gibt und mich aufbaut, ist: This is us. Die unterschiedlichen Schicksale innerhalb der Familie und die verschiedenen Lebens- und Ansichtsweisen der Charaktere in der Serie zeigen immer wieder, nichts ist unmöglich und es gibt für alles eine Lösung. Das Leben geht immer weiter, gerade dann, wenn man andere Pläne hat, macht das Leben seine eigenen.
Rike: Mein Guilty Pleasure ist tatsächlich Gute Zeiten schlechte Zeiten (GZSZ). Immer, wenn ich schlecht drauf bin oder mal nicht weiß, was ich schauen soll, hole ich die Folgen auf, die ich bisher nicht gesehen habe. Fühlt sich für mich immer direkt nach zu Hause an, da ich es früher zusammen mit meiner Mama und meiner Schwester geschaut habe – eine schöne Erinnerung.
Sollte man die Serien denn jetzt nicht mehr schauen? Das ist schwer zu beantworten und im Endeffekt muss das jeder für sich selbst entscheiden. Kritik an alten Serien oder auch Kinder-Hörspielen gibt es immer wieder. Wir sollten aber bedenken, dass viele Comfort Binge-Serien zu einer anderen Zeit gedreht wurden und somit eine andere gesellschaftliche Ausrichtung die Grundlage war. Serien verändern sich mit der Zeit und zeigen im Prinzip immer den aktuellen Stand der Entwicklung auf – genau wie Filme.
Schaut man es mit dieser Brille, erkennt man die Kritik und kann den Komfort der Serie aber trotzdem genießen. Vielleicht sind heute gedrehte Serien in zehn Jahren ebenfalls kritisch zu sehen.