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Annett Louisan und Barbara Schöneberger "Die Reaktionen der Männer auf mich sind nicht immer die, die ich erwarte"

Annett Louisan: Barbara Schöneberger und Annett Louisan in der Sauna
© Clemens Porikys
Ein Blick zurück – schon erkennen Barbara und Sängerin Annett Louisan lauter attraktive Gemeinsamkeiten und fragen sich, ob sie bei anderen weiterhin für erhöhte Temperatur sorgen.

Barbara: Liebe Annett, es hat gute Gründe, warum ausgerechnet du beim Titelthema "Vorsicht, heiß!" unser Gast bist.

Annett: Jetzt bin ich aber gespannt. Warum denn?

Barbara: Weil du seit deinem Start in die Musikwelt vor … wann war das eigentlich genau?

Annett: Vor 19 Jahren war das, da ist mein erstes Album "Bohème" erschienen.

Barbara: Gottogott. So lange ist das schon her? Jedenfalls: Deine erste Single war "Das Spiel", und danach war dein Image sofort das eines höchst niedlichen …

Annett: Ich bin ja nun mal auch sehr klein …

Barbara: … aber nichtsdestotrotz ziemlich heißen blonden Vamps. Und genau genommen hat sich an diesem Bild bis heute nicht viel geändert.

Annett: Ist das nicht seltsam?

Barbara: Was daran?

Annett: Die Sache mit dem Image. Ich bin gerade 46 geworden, meine Themen sind mittlerweile ganz andere als bei "Das Spiel", das von Verführung und Anziehung und purem Sex handelt.

Barbara: Stimmt. Auf der neuen Platte besingst du beispielsweise "Die mittleren Jahre".

Annett: Und all das, was heute nicht mehr sexy ist und einen einschränkt. Man hat mir übrigens im Vorwege stark abgeraten von diesem Bekenntnis zum Älterwerden in Songtexten. Von wegen Image und so.

Barbara: Es ist ja auch ein bisschen ernüchternd, das Lied: Die Euphorie ist weg, alles dümpelt lauwarm dem Ende entgegen …

Annett: Das ist ja nur ein Aspekt. Mein Leben ist gar nicht lauwarm, im Gegenteil. Aber ja: Manches ist vorbei, und Teilen davon trauere ich sogar hinterher. Geht uns doch allen so. Warum sollte man darüber keine Songs schreiben dürfen? Macht mich das zum alten Eisen?

Barbara: Natürlich nicht. Aber bei dir und mir, da brennt eben nicht mehr das Salz auf unserer Haut, jedenfalls nicht permanent. Wir haben andere Themen, wir müssen Familien organisieren – ist doch klar, dass die emotionalen Amplituden flacher werden, egal, welches Bild andere von uns haben.

Annett: Aber wo du jetzt vom Fremdbild anfängst: Reden wir doch mal über dein Image.

Barbara: Das da wäre?

Annett: Gar nicht so viel anders als meins. Heiß, lustig, schafft alles, was sie sich vornimmt.

Barbara: Das ist – wie so oft bei öffentlichen Bildern – zu großen Teilen Quatsch. Ich strebe zwar durchaus immer an, alles zu schaffen, aber ich scheitere täglich daran. Was mir nur wichtig ist: der Umgang mit diesem Scheitern. Ich hasse mich nicht dafür, dass ich mit meinen 49 Jahren nicht jünger, nicht schöner, nicht dünner und schon gar nicht disziplinierter werde, egal, was ich auch dafür tue. Ich bin milde mit mir.

Annett: Das Entscheidende für mich ist, nichts zu vertuschen. Zu sich zu stehen und eine Kunst daraus zu machen, ob das nun Musik ist wie bei mir oder Witze wie bei dir.

Barbara: Und das funktioniert ja auch. Die Leute, die uns mögen, sitzen mit uns im selben Boot, die werden mit uns älter und wissen, wovon wir reden.

Annett: Aber dazu gehört ja trotzdem, was du vorhin sagtest: Wir sind beide mit bestimmten Bildern angetreten vor mehr oder weniger 20 Jah-ren. Wenn ich an "Blondes Gift" denke, deine Late-Night-Show … Das war mal so richtig heiß. Wie ist es heute mit deinem Hotness-Faktor? Wie groß ist der noch?

Barbara: Ich bin mega hot, in allen Bereichen, so viel kann ich sagen. Es merken nur nicht mehr so viele Leute, denn es ist wohl nicht mehr so offensichtlich wie zu Anfang des Jahrtausends. Man muss es besser anmoderieren.

Annett: Kenne ich. Es haben ja nicht nur andere ein Bild von mir, sondern auch ich selbst, und das hat viel mit früher zu tun und oft nicht so viel mit heute. Wenn ich abends schick ausgehe … na ja, sagen wir mal: Die Reaktionen der Männer auf mich sind nicht immer die, die ich erwarte.

Barbara: Genau! Wie bei mir! Ich denke dann oft: Sind die bescheuert.

Annett: Eben! Wenn die wüssten!

Barbara: Die würden sich mit uns das Paradies einkaufen! Ich frage mich, wie viele Generationen noch geboren werden müssen, bis Männer uns Frauen kurz vor 50 als Hotness-Ressource begreifen. Wahrscheinlich ist es erst so weit, wenn die durchschnittliche Lebenserwartung auf 100 steigt. Dann haben wir mutmaßlich alle zehn Jahre mehr Zeit, um in aller Ruhe …

Annett: … aber was eigentlich? Doch nichts, was jetzt nicht auch schon geht. Ich möchte auch nicht mehr zurück in meine Zwanziger. Ich finde mich selbst geil, wie ich hier und jetzt bin, mit meinem Kör-per, aber eben auch mit der Erfahrung und dem Wissen, das ich angehäuft habe in dieser Zeit. Geht es dir nicht auch so?

Barbara: Na klar. Mit 20 habe ich alles nur für die anderen gemacht. Da wollte ich, dass sich die Typen auf dem Nachhauseweg wie die geilsten Liebhaber aller Zeiten fühlen. Heute denke ich mehr an mich und meine Bedürfnisse und beglückwünsche eher den anderen, dass er dabei sein durfte.

Annett: Würde ich voll unterschreiben. Aber dann denke ich: Moment mal – sind wir beide nicht seit Längerem glücklich verheiratet?

Barbara: Ja, aber das ist nicht der Punkt. Ich möchte weiterhin und selbstverständlich auch als verheiratete Frau als sexuelle Person wahrgenommen werden. Das heißt ja noch lange nicht, dass ich diese Verfügbarkeit oder vielmehr diese Anziehung auf andere auch aktiv auslebe, das muss ich nicht. Außerdem finde ich es auch umgekehrt toll zu wissen, mit einem Mann zusammen zu sein, bei dem ich nicht die Einzige bin, die ihn gut findet.

Annett: Oh stimmt, denn was wäre das für ein Ballast. Das brauchen nur Leute, die Verlustängste haben, das wird zu einer Falle. Wie überhaupt manche Themen, auf die man sich festlegen lässt: Als ich vor vier Jahren ein Album aufgenommen habe, war ich gerade frisch Mutter geworden. Das ist toll, nichts daran möchte ich missen. Aber irgendwie war das damals in den Interviews das einzige Thema.

Barbara: Was dich wahrscheinlich wahnsinnig gefreut hat.

Annett: Haha, sehr lustig. Nee, ich habe mich geärgert, dass ich das zugelassen habe, weil ich so viel mehr bin. Und deshalb bin ich voll bei dir, was die Verfügbarkeit angeht. Die ist auch für unseren Beruf extrem wichtig, dieses Ausstrahlen von Körperlichkeit und Sinnlichkeit – wenn es denn Teil der eigenen Persönlichkeit ist.

Barbara: Wie bei uns beiden.

Annett: Und ich hoffe, das wird sich nie ändern. Ich bin nicht Mutter, ich bin nicht die Ehefrau von. Ich bin vor allem ich.

Barbara: Warst du eigentlich mal länger Single?

Annett: Nee. Eigentlich nicht.

Barbara: Ich auch nicht. Da gab es mal diese eine Woche, aber da wusste es mein Ex-Freund noch nicht …

Annett: Ich denke oft darüber nach, warum das bei mir so ist. Hildegard Knef hat mal gesagt, sie habe in ihrem Leben alles geschafft – nur nicht das Alleinsein. Wahrscheinlich hat es bei mir damit zu tun.

Barbara: Bei mir war das anders: Ich wollte immer verliebt sein. Und das hat dazu geführt, dass ich mich in Sachen hineingestürzt habe, bei denen ein bisschen gesunder Menschenverstand für die Erkenntnis gereicht hätte: Das wird doch nichts.

Annett: Aber was hat gesunder Menschenverstand damit zu tun? Man ist doch immer so doll in diesen Momenten.

Barbara: Ganz oder gar nicht.

Annett: Genau. Das ganz große Gefühlskino.

Barbara: Und immer gleich zusammenziehen. Aber gleichzeitig hatte ich auch das Bewusstsein: Ich kann immer wieder weg, und zwar von heute auf morgen.

Annett: Darin war ich nie gut. Ich war tatsächlich immer in Beziehungen, seit ich 18 war. Ich habe nie das Gefühl entwickelt, dass ich mir allein genug bin. Bis vor ein paar Jahren. Zum Glück. Inzwischen brauche ich sogar Momente des Alleinseins.

Barbara: Wie lange dauern die?

Annett: Einen Abend, maximal. Wie ist es bei dir?

Barbara: Ich könnte schon allein sein. Aber ich will nicht, ich bin sehr auf Austausch bedacht. Ich langweile mich so schnell. Die ersten drei Stunden allein finde ich ganz putzig, aber dann beginne ich schon, mit meiner Familie zu telefonieren, um zu fragen, wie es denen so geht.

Annett: Das heißt, du verreist auch niemals allein? Nimmst dir keine Me-Time irgendwo anders?

Barbara: Das wäre die Hölle für mich! Aber wo wir schon über das Reisen reden …

Annett: Ja, bitte?

Barbara: Ich habe gerade gelesen, dass die beliebtesten Auslands-urlaubsziele der Deutschen Italien, Spanien und die Türkei sind. Also Gegenden, in denen es im Sommer heftig heiß ist. Wo zieht es dich so hin? Brauchst du Hitze im Urlaub?

Annett: Oha. Du zuerst.

Barbara: Von mir: ein ganz klares Nein zur Hitze.

Annett: Warum?

Barbara: Aus mehreren Gründen. Erstens finde ich Hitze am Tag überaus lähmend. Das passt nicht zu meinem Bedürfnis, aktiv zu sein, etwas im Garten zu machen, um den See zu gehen, so was. Zweitens: Ich liebe es sehr, abends in ein kühles Bett zu schlüpfen, und zwar ohne Klimaanlage.

Annett: Und wo findest du diese Bedingungen?

Barbara: In Schweden. Oder in Österreich – dort wird es auf 1200 Metern abends erfrischend kühl, egal, wie heiß der Tag war. Also, wie ist es bei dir?

Annett: Ich bin ja in der DDR aufgewachsen, als die Mauer fiel, war ich Teenager. Deshalb hatte ich früher schon den Impuls, im Sommer in den Süden zu fahren – das war ja alles neu und aufregend für uns, die wir bis dahin nur die Ostsee kannten. Aber mittlerweile halte ich die Hitze auch nicht mehr gut aus. Mal abgesehen davon, dass sie mir Angst macht. 40 Grad und mehr sind im Sommer in Italien inzwischen die Regel, das kann nicht gut und gesund sein. Deshalb, auch da bin ich bei dir: Ein schattiges Plätzchen im Garten ist ein guter Ort für mich. Einerseits.

Barbara: Und andererseits?

Annett: Habe ich eher ein Problem damit, dass wir in den letzten Jahren immer an denselben Ort fahren. Ich wäre mal wieder bereit …

Barbara: … für ein Abenteuer?

Annett: Genau. Für ein Abenteuer. Früher bin ich mit meinem Mann immer direkt nach den Tourneen lange weggefahren, nie unter sechs Wochen, Costa Rica, Südamerika, Thailand … Wobei: Thailand fand ich scheiße.

Barbara: Wieso?

Annett: Die Strände sind fantastisch, aber alle paar Minuten kommt jemand und fragt: Massage? Und das zu unfassbar günstigen Preisen. Mit der servilen Art der Menschen dort kann ich nicht gut umgehen. Irgendwie habe ich ein Problem mit dem Verhältnis von Dienstleistern und Bedienten dort.

Barbara: Verstehe. Ich bin auch sehr schlecht im Bedientwerden. Ich mag es nicht, wenn mir ständig Dinge angetragen werden, ich gehe niemals im Hotel frühstücken, ich lasse mich nie bedienen – und deshalb kann ich sehr gut verstehen, was dein Problem mit Thailand ist. Anderes Thema: Es ist zwar nicht unbedingt gesundheitsförderlich, aber wer "heiß" sagt, muss auch "fettig" denken.

Annett: Gibt es bei dir etwas Fettiges, von dem du schwer die Finger lassen kannst?

Barbara: Pommes.

Annett: Natürlich, klar, ich hab’s gewusst.

Barbara: Sag bloß, du bist auch ein Pommes-Mädchen!

Annett: Aber hallo. Ich esse zwar morgens auch sehr gern kalte Pizza, aber herrje, Pommes sind nun mal das Allerbeste.

Barbara: Ketchup oder Mayo?

Annett: Also bitte: rot-weiß. Und je salziger, desto besser.

Barbara: Ganz ehrlich: Das ist zwar ein Kindheitsding, aber wenn ich heute an einem Imbiss vorbeifahre, steigt nur beim Gedanken an eine Portion Pommes mein Adrenalinspiegel, und sofort setzt ein sturzbachartiger Speichelfluss ein.

Annett: Und ich muss die erste schon essen, noch bevor ich bezahlt habe. Egal, wie heiß die noch ist. Womit wir, apropos heiß, den Kreis wohl geschlossen hätten.

ANNETT LOUISAN, 1977 in Havelberg als Annett Päge geboren, studierte nach dem Abi Malerei und arbeitete nebenher als Studiomusikerin. 2004 veröffentlichte sie ihr Debütalbum "Bohème", das sich über eine halbe Million Mal verkaufte. 19 Jahre und eine weitere Million Plattenverkäufe später erschien neulich das zehnte Album: "Babyblue". Louisan ist verheiratet, hat eine Tochter und lebt in Hamburg.

Barbara

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