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Ursula Karven Im Kampf gegen sexuelle Belästigung: "Wir müssen jetzt lauter werden"

Ursula Karven #TheLouderVoices #ConventionC190
Ursula Karven #TheLouderVoices #ConventionC190
© Mathias Bothor
Viel zu oft erlebte Schauspielerin Ursula Karven sexuelle Belästigung am eigenen Körper. Mit ihrer Petition unter dem Schlagwort "The Louder Voices" setzt sie sich für ein gesetzliches Verbot von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz ein.

Sexuelle Belästigung, Machtmissbrauch und psychischer Druck müssen endlich der Vergangenheit angehören und dürfen auch in der Arbeitswelt keinen Raum einnehmen. Dennoch sehen sich allein in Deutschland 63% der Frauen und 49% der Männer mit solchen Übergriffen im Job konfrontiert. Schauspielerin Ursula Karven, 56, fordert mit ihrer Petition "The Louder Voices" nun die Politik auf, zu handeln.

Als ich zum ersten Mal von Ursula Karvens Petition gegen Belästigung und Gewalt in der Arbeitswelt höre, beginne ich unwillkürlich zu nicken. "Sexismus ist kein Einzelfall, sondern findet jeden Tag statt", ist einer der Sätze, die sich in meinem Kopf einbrennen. Nicht nur, weil es mich schockiert – sondern weil mir sehr schnell bewusst wird, wie alltäglich Sexismus auch in meiner Welt verankert ist. Ja, wie es beinahe schon stillschweigend hingenommen wird. Das Gefühl von "Können wir da wirklich je etwas ändern" beschleicht mich und ich muss zugeben, es beschämt mich auch. Ich kämpfe für Gleichberechtigung, sehe mich selbst als starke, empowerte Frau. Doch beim Thema Sexismus ereilt mich oft ein Gefühl von Machtlosigkeit. 

Ursula Karven: "Ich handle aus einem Gefühl und einer Verzweiflung heraus"

Und dann lese ich weiter, sehe die Unterschriften, die Ursula Karvens Petition Minute von Minute erreichen, lese Kommentaren von Menschen, die sich endlich gehört und bestärkt fühlen. Erstmals habe auch ich das Gefühl: Jetzt ist die Zeit, um laut zu werden. In meinem Interview mit der Schauspielerin sprudelt es daher aus mir heraus – ein Dankeschön. Ein von Herzen kommendes Dankeschön von Frau zu Frau. 

Brigitte: Frau Karven, ich möchte mich ganz herzlich bei Ihnen bedanken. Als Frau spüre ich in jedem Satz Ihrer Petition eine Bestärkung, ein Vorankommen. Ist Ihnen bewusst, was Sie jetzt schon erreicht haben?

Ursula Karven: Nein, bisher nicht. Aber es ist schön, dass Sie das sagen. Ich habe da momentan kein Bewusstsein für, was diese Petition schon jetzt für andere bedeuten könnte. Ich handle aus einem Gefühl und einer Verzweiflung heraus – und einem Sinn für Ungerechtigkeit, der mich seit 30 Jahren begleitet. Denn trotz #MeToo ist nicht wirklich etwas passiert, vor allem in der Gesetzgebung gibt es nichts Präventives.

Genau das ist das Ziel Ihrer Petition: Die Konvention C190 – und damit präventive Maßnahmen – soll auch in Deutschland ratifiziert werden. Sie haben bereits mit der Bundesfrauenministerin Christine Lambrecht gesprochen und die Petition überreicht. Wie geht es jetzt weiter?

Es gibt vier Punkte, um die ich kämpfe. Auch wenn die Ratifizierung von C190 in Deutschland erschwert ist, weil einige geforderte Artikel in Bezug auf Menschenrechte einstimmig vom gesamten Europaparlament verabschiedet werden müssen und dadurch nicht allein von Deutschland entschieden werden können. Das ärgert mich tatsächlich auch grandios, dass wir so etwas nicht allein ratifizieren können. 

Ich kämpfe um vier Punkte, von denen ich überzeugt bin, dass sie einen Unterschied in der Gesellschaft machen werden. Das sind zum einen externe Beratungsstellen und Kontrollmechanismen außerhalb der Unternehmen. Denn solche 'Whistlestellen' im eigenen Haus werden oft nicht angenommen, aus der Angst heraus, den Job zu verlieren. Daher muss es unabhängige Stellen geben, die mit Rechtsanwält:innen und Psycholog:innen besetzt sind und diese wiederum brauchen ganz klar Unterstützung vom Staat. Darüber hinaus müssen Präventionen gesetzlich verankert werden. Die Betroffenen brauchen mehr Schutz in Abhängigkeitsmechanismen. Des Weiteren fordere ich Sanktionen für die Täter in Form von zum Beispiel Bußgeldern und den Verlust der Anstellung. 

Gibt es schon klare Strukturen oder Pläne, die jetzt ins Rollen kommen?

Da ich medial so stark unterstützt werde, hatte ich nur eine Woche nach Überreichen der Stimmen den zweiten Termin mit der Bundesfrauenministerin. Dort haben wir uns unter anderem mit Anwältinnen und Anwälten sowie der Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins gesprochen. Auch der Deutsche Juristinnenbund war anwesend. Also es geht wirklich voran.

Um welche Punkte genau ging es in dem zweiten Treffen? 

Wir werden in den nächsten Schritten überlegen müssen, wie solch externe Beratungsstellen aufgebaut werden können und unter welchen Schirm diese überhaupt fallen würden. Gehört das zum Familienministerium, Justiz- oder Arbeitsministerium? Ich musste das auch alles erst lernen. Ich denke, wenn wir in dieser Frage weiterkommen, dann wird überlegt, wie man das tatsächlich ins Gesetz aufnehmen kann.

Aber ich kann schon jetzt sagen: Solange das nicht passiert ist, werde ich dranbleiben. Mit mir sind das viele Menschen und wir lassen uns nicht ignorieren. Genau aus diesem Grund ist es wichtig, dass noch mehr Menschen die Petition unterschreiben, denn je mehr Stimmen, desto gewaltiger ist der Einfluss. 

Inwiefern liegen die weiteren Erfolge noch in Ihrer Hand, Frau Karven?

Dazu kann ich nur sagen, dass ich ein Commitment von der deutschen Justizministerin spüre. Allein der Fortschritt, den wir jetzt in einer Woche erreicht haben: Das ist schon ein kleiner Meilenstein. Ich habe beim Überreichen der Stimmen mutig gesprochen, meine möglichen Vorschläge in den Raum geworfen und es gab keinerlei Ablehnung zu spüren. Wir müssen jetzt dranbleiben und lauter werden und vor allem laut bleiben.

Ich werde gehört und ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendeinen Chef gibt, der sich nicht genau das für seine Mitarbeiter:innen wünscht: Einen sicheren Arbeitsplatz, an dem sich Frauen und Männer wohlfühlen. Ich fühle einfach, dass wir das als Gesellschaft nicht mehr ignorieren dürfen und dass die Zeit dafür reif ist.

Auch du kannst Teil der Petition werden und dich gegen Belästigung im Job starkmachen. Alle Informationen findest du hier. 

Brigitte

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