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Lars Eidinger Deshalb glaubt der Schauspieler nicht an Gott

In "Gott von Ferdinand von Schirach" entscheiden die Zuschauer, ob der Staat beim Suizid helfen darf. So steht Lars Eidinger dazu.

Darf der Staat Menschen helfen, sich das Leben zu nehmen? Das müssen die Zuschauer am Montagabend (23. November) bei "Gott von Ferdinand von Schirach" ab 20:15 Uhr im Ersten entscheiden. Der gesunde 78-jährige Richard Gärtner (Matthias Habich, 80, "Der Vorleser") möchte sein Leben durch ein Medikament mit Hilfe seiner Ärztin beenden. Rechtlich ist seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Februar 2020 assistierter Suizid straffrei. Doch die Debatte ist damit nicht beendet: Im Film werden vor dem Deutschen Ethikrat verschiedene Standpunkte diskutiert.

Nach "Terror - Ihr Urteil" (2016) ist "Gott" die nächste interaktive TV-Produktion nach einem Theaterstück von Ferdinand von Schirach (56), bei der die Zuschauer über den Ausgang abstimmen. Wieder mit dabei: Lars Eidinger (44, "Babylon Berlin") als Gärtners Anwalt. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news spricht der Ausnahmeschauspieler über Unterbrechungen beim Dreh, seine Einstellung zur Katholischen Kirche und seine Beziehung zum Tod.

Warum wollten Sie die Rolle des Anwalts in "Gott von Ferdinand von Schirach" übernehmen? Was hat Sie am Drehbuch begeistert?

Lars Eidinger: Da gab es viele Kriterien. Ich habe mit Lars Kraume davor schon zwei Filme gemacht, dass ist jetzt der dritte. Ich schätze ihn sehr als Regisseur. Er macht sich auch die Mühe, ruft einen persönlich an und erzählt von seinem Projekt. Ich bin bei ihm inzwischen so weit, das ich sogar blind zusagen würde, unabhängig vom Buch. Ich arbeite einfach sehr gerne mit ihm zusammen und vertraue ihm.

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück von Ferdinand von Schirach. War das auch ein Kriterium für Sie?

Eidinger: Ich bin ein großer Fan von Ferdinand von Schirach und bin auch privat mit ihm befreundet. Ein Stoff von Schirach bringt immer eine Auseinandersetzung mit sich, die einen weiterbringt. Zudem sind seine Geschichten sehr tiefgründig. Man begegnet dem Thema in der nötigen Komplexität und gibt ihm den nötigen Raum. Und das ist etwas, was in unserer Zeit nahezu verloren gegangen ist. Man muss sich für diese Themen aber Zeit nehmen, damit man die gesamte Problematik erfasst. Das finde ich sehr reizvoll und macht mir nicht nur als Schauspieler Spaß, sondern auch als jemand, der sich gern mit Themen auseinandersetzt.

Haben Sie es sich das Theaterstück vorher angesehen?

Eidinger: Nein. Es hatte auch erst nach den Dreharbeiten Premiere. Ich hätte es mir aber sowieso nicht angesehen. Ich bin immer froh, wenn ich frei und unvoreingenommen an ein Projekt rangehen kann. Ich finde es schwierig, wenn ich schon ein Bild oder eine Vorstellung im Kopf habe und mich daran abarbeiten muss. Sei es, dass ich es ähnlich oder anders machen möchte. Aber auch jetzt, nach den Dreharbeiten, werde ich mir das Theaterstück nicht ansehen. Ich kenne es ja jetzt in und auswendig.

Wussten Sie vor dem Dreh etwas über die BGH-Entscheidung über den §217 und das nun ein assistierter Suizid straffrei ist?

Eidinger: Nein, und das war auch wirklich verrückt. Während wir gedreht haben, wurde diese Entscheidung getroffen. Wir haben die Urteilsverkündung live mitverfolgt. Danach wurden die Dreharbeiten zwei oder drei Tage unterbrochen. Ferdinand von Schirach wurde zu Rate gezogen, das Drehbuch teilweise umgeschrieben. Denn der Film nimmt sehr viel Bezug auf diese Entscheidung, weshalb wir manche Szenen nochmal drehen mussten. Das war wirklich kurios, dass zeitgleich diese Entscheidung gefällt wurde.

Sterbehilfe ist ein hochsensibles Thema in Deutschland, während Beispielsweise Belgien oder die Niederlande viel liberaler damit umgehen. Warum ist das Ihrer Meinung nach so?

Eidinger: Mich hat es schon damals in der Schule fasziniert, dass die Lektüre von "Die Leiden des jungen Werthers" kritisch gesehen wurde, wegen des sogenannten "Werther-Effekts". Das Selbstmord auch deshalb tabuisiert ist, damit es keine Nachahmer gibt. Es ist doch faszinierend, dass der Tod auch etwas Verführerisches hat. Die Sehnsucht nach Auflösung und Stille. Aus der Logik der Lebenden heraus ist das natürlich eine Bedrohung.

Macht Ihnen der Tod Angst?

Eidinger: Ich habe Frieden damit geschlossen. Weil ich erkannt habe, dass das eine das andere bedingt. Durch die Vergänglichkeit erfährt das Leben seinen Reiz. Ohne den Tod gäbe es das Leben gar nicht und umgekehrt. Es steht in einer Abhängigkeit zueinander, was für mich eine gewisse Schönheit hat. Aber wenn der Tod konkret wird, macht er mir Angst. Als ich das Stück zum ersten Mal gelesen habe, bin ich richtiggehend erschrocken. Davor, dass jemand ein Mittel vom Staat verlangt, um sich zu töten. Da merkt man, dass eine Grenze überschritten wird.

Ihre Figur geht mit dem Bischof hart ins Gericht und bringt christliche Ansichten bzw. Inhalte der Bibel ins Wanken. Wie stehen Sie zur Katholischen Kirche?

Eidinger: Das ist für mich der Kern des Stücks. Auch in dem Wissen, wo Ferdinand von Schirach herkommt und wie er erzogen wurde. Das Stück ist in gewisser Weise eine Abrechnung mit seiner Vergangenheit und mit der Katholischen Kirche. Ich bin aus der Kirche ausgetreten und glaube auch nicht an Gott. Ich merke aber, dass es mir noch immer schwerfällt, mir das einzugestehen und öffentlich zu sagen. Weil ich sofort das Gefühl habe, es ist mit Strafe verbunden. Aber auch mit Angst, weil man es eigentlich nicht sagen darf.

Und das trifft ziemlich genau den Kern, weshalb ich die Kirche ablehne. Denn sie funktioniert über Einschüchterung. Die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit finde ich dennoch ein wichtiges Gut in unserer Gesellschaft. Jeder sollte das Glauben dürfen, was er möchte.

Am Ende können die Zuschauer über den Fall abstimmen. Haben Sie eine Vermutung, wie es ausgehen wird?

Eidinger: Vielleicht ist es eine Schwäche von Schirach-Stoffen, dass sie ein stückweit tendenziös sind. Wobei ich nicht glaube, dass Ferdinand das passiert. Es ist naheliegender, dass man am Ende für Gärtners Position stimmt. Davon gehe ich aus. So war es auch bei "Terror - Ihr Urteil". Damals war ich eher verblüfft, wie viele dagegen gestimmt haben. Aber das interessiert mich. Ich wäre enttäuscht, wenn es Hundert zu Null ausgehen würde. Die Tatsache, dass es sowohl für die eine als auch für die andere Partei Stimmen gibt, ist ein Beleg dafür, dass Themen behandelt werden, die ihr Für und Wider haben.

SpotOnNews

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