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Zukunftsberufe für Frauen: "Ich bin ein IT-Girl"

"Was mit Medien" - unter jungen Frauen ist das ein Standard-Berufswunsch. Agnes Look hat das auch mal gesagt. Heute kümmert sie sich beim Norddeutschen Rundfunk darum, dass Musik und Sprache perfekt zum Hörer übertragen werden: Sie ist Ingenieurin für Medientechnik.

Wenn sie unters Mischpult krabbeln muss, um Kabel neu zu stecken, geht’s bei empfindlichen Schuhen nicht ohne Kratzer ab. Aber das ist wirklich der einzige Minuspunkt, der Agnes Look zu ihrem Job einfällt. Die 27-Jährige ist Diplom-Ingenieurin für Medientechnik beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) – genau dort, wo sie immer arbeiten wollte, an der Schnittstelle zwischen Programmmachern und Hörern. Dort, wo technische Perfektion darüber entscheidet, ob und wie gut Musik und Sprache über den Sender kommen. Besser gesagt: über die Sender. Denn der "Systemservice Rothenbaum Broadcast 1", zu dem Agnes Look gehört, ist gleich für drei Programme zuständig: NDR 2, NDR Kultur und N-JOY-Radio.

"Wellenbetreuung" heißt das hausintern. Und die übernehmen zusammen mit Agnes Look fünf Ingenieure, ein Techniker und - zur Zeit – zwei Freelancer. Sie sind eine Art SOS-Taskforce, wenn während einer Sendung im Studio etwas aus dem Ruder läuft. Sie überwachen Transfer und Technik für die ARD-Hörfunk-Studios in Stockholm, London, Neu-Delhi, Singapur und Tokio. Sie checken den Betrieb der Telefonanlage, über die Hörer-Beiträge ins Studio geschaltet werden. Sie sorgen dafür, dass rechtzeitig alles bereitgestellt wird, was in einer Sendung eingespielt wird – Musik oder Wortbeiträge beispielsweise, aber auch Werbung oder Jingles (u.a. Kurzansagen in Sachen Eigen-PR). Darüber hinaus betreut das Systemservice-Team u.a. auch das digitale Radio (DAB) oder Staumeldungen fürs Navi bzw. Verkehrsnachrichten fürs Autoradio. Kurzum: Ohne Technik kein Radio. Und ohne Radio? Na, eben...

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Schon in der Schule stand für Agnes Look eins fest: Ich mach was mit Medien. Ihr erster Plan: Journalistin. Ihr erstes Studium: Soziologie. Aber das war’s noch nicht, wie sie schon nach zwei Semestern merkte. Sie wollte mehr, sie reizte der Gedanke, Journalismus und Technik zu verbinden. In der Schule hatte ihr Mathematik schon immer gefallen. Und zu Hause war sie diejenige, die den Videorekorder programmierte, sich auch sonst um alles Technische im Haushalt kümmerte. Also suchte sie nach einer gelungenen Kombination – und fand sie im Studium Medientechnik an der Fachhochschule Emden. "Ich wollte auch eine Herausforderung haben, wenn ich schon studiere. Und das kreative Element der Medientechnik, das fand ich gut. Wir hatten Journalistik als Fach, aber auch Design und künstlerisches Gestalten." Das Studium (Frauenanteil: gerade mal 10 Prozent) zog sie in der Pflichtstudienzeit von acht Semestern durch.
 

Ihr erster Job nach dem Studium: wissenschaftliche Mitarbeiterin im Studiengang "Medienwirtschaft und Journalismus" an der FH Wilhelmshaven, wo sie unter anderem ein Hörfunk-Lernstudio konzipierte. Die beiden Professorinnen, für die sie arbeitete, gaben ihr den Tipp, sich auf eine freie Stelle beim NDR in Hamburg zu bewerben. Ein Ziel, das sie zwar unheimlich attraktiv, aber auch ziemlich unerreichbar fand. Doch ihre Mentorinnen machten ihr Mut, und Anfang 2007 hatte sie es bis ins Funkhaus an der Rothenbaumchaussee geschafft.

Agnes Look mag Herausforderungen, mochte sie schon immer. Mal eben nach Stockholm, das Studio wieder in Gang bekommen? Warum nicht... Server- und PC-Austausch an sechs Arbeitsplätzen in Neu-Delhi? Kein Problem. Und wenn es zwischendurch mal hakt: Ein Techniker vor Ort in Indien sprich sehr gut Deutsch. Den kann Agnes Look anrufen, wenn es Fehlermeldungen vom Korrespondenten gibt, weil ein Beitrag mal nicht angekommen ist. Die Übertragung der ARD-Hörfunk-Beiträge läuft über ein spezielles Programm – quasi eine E-Mail in Audio-Form. Streikt der Laptop, melden sich die Korrespondenten zur Abwechslung mal nicht bei der Redaktion, sondern in der Systembetreuung: "Hier spricht Agnes Look..." – und die kümmert sich dann, bis alles wieder im grünen Bereich ist.

"Im Prinzip", sagt sie, "sind wir eine technische Feuerwehr." Deshalb wuppt man einen solchen Job auch nicht ohne Helferinstinkt. Feierabend Punkt 16.30 Uhr, wenn grad ein Mikro ausgefallen ist? Geht schon mal gar nicht. Normalerweise jedoch hat Agnes Look eine Fünf-Tage-Woche mit einem Eight-to-five-job. Denn notfalls kann eine Sendung im Störfall von jetzt auf gleich in ein zweites Studio umgeschaltet werden, das genau gegenüber – quasi spiegelverkehrt – installiert ist.
 

Wer Agnes Look im NDR erlebt, ist beeindruckt von der Gelassenheit, mit der sie am Mischpult agiert. Oder auch an der Jingle-Maschine, für die sie die Software bestellt, abnimmt und bei der Installation überwacht. Warum hier nicht mehr Frauen arbeiten wollen, versteht sie nicht: "Ich hör so oft: Technik finde ich eigentlich ganz interessant, aber da ist so viel Mathe dabei... Wirklich schade. Ich habe wirklich einen sehr kommunikativen Beruf, denn man hat viel mit Menschen zu tun."

Selbst mit Kindern lässt sich dieser Job vereinbaren, meint Agnes Look. "Ich denke zwar zur Zeit nicht darüber nach, aber der NDR ist bestimmt einer der familienfreundlichsten Arbeitgeber. Den Ehrgeiz, weiterzuarbeiten, hätte ich auf jeden Fall. Doch zur Zeit bin ich Single, da sind sowieso keine Kinder in Sicht."

Im Moment kümmert sich Agnes Look eher um beruflichen Nachwuchs. Sie engagiert sich bei der Initiative von ARD und ZDF "Frauen in die Technik". Die Idee kam vom NDR, der zum Beispiel schon Studentinnen anbietet, ein Praxissemester in einer der Technik-Abteilungen zu absolvieren, dort eine Studien- oder eine Diplomarbeit zu schreiben.

Agnes Look weiß, dass viele vor dem Gedanken zurückschrecken, die einzige Frau im Team zu sein. Dabei findet sie es "sehr angenehm, nur mit Männern zusammenzuarbeiten. Die Kommunikation ist total einfach. Ich bin von vornherein akzeptiert worden". Mehr noch: In der Abteilung ist man offenbar ziemlich stolz auf sie. "Ich bin ein IT-Girl" steht auf einem kleinen Sticker, den sie ihr an den Computer geheftet haben. Und im Studio von N-JOY-Radio bestätigt der Chef vom Dienst, was man längst ahnt: "Sich durchsetzen, das kann die Agnes besser als viele Männer."

BRIGITTE ist Partner der Aktion MINT (Mathe, Informatik, Naturwissenschaft, Technik). Auf BRIGITTE.de stellen wir Ihnen in loser Reihenfolge Frauen vor, die in diesem Berufsfeld arbeiten.

Text: Barbara Voigt Fotos: iStockphoto.com (1), Barbara Voigt (1)

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