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Wie viel Karriere will ich wirklich?

Brauche ich eine Karriereplanung? Würde ich gern Chefin sein oder einen eigenen Laden aufmachen? Diese 21 Fragen geben Aufschluss.

1. Gelegentlich denke ich darüber nach, ob im Job noch mehr ginge. Aber woher weiß ich, dass der nächste Karriereschritt wirklich dran ist?

Gegenfrage: Wie lange zögern Sie schon? Frauen sind oft viel zu zaghaft, wenn es um den nächsten Schritt im Job geht. Nach Schätzungen von Karriereberaterinnen brauchen sie etwa 2 bis 3 Jahre länger als gleich ausgebildete Männer, um "Hier bin ich!" zu rufen, wenn es um einen ersten Führungsjob oder ein kniffeliges finanziell interessantes Projekt geht. Der Grund ist ein innerer: Wir sind ambivalent, blockiert, sabotieren unseren Erfolg.

2. Versteh ich nicht. Warum sollte ich mich beim beruflichen Weiterkommen blockieren?

Auch, wenn wir es nicht wahrhaben wollen, sind wir heute ständig zwischen zwei Weltbildern hin- und hergerissen. Einerseits sind wir längst im 21. Jahrhundert angekommen, wo Frauen selbstbewusst überall in Führung gehen. Andererseits sind wir durch die Prägung unserer Eltern teilweise noch im rigiden und sicherheitsdominierten 20. Jahrhundert verhaftet. "Deshalb haben Frauen heute zu jedem Thema zwei Meinungen, egal, ob es um Karriere oder Kindererziehung geht", erklärt Dr. Petra Bock, Coach und Beraterin aus Berlin. Das ständige Hin und Her lähmt unsere Entscheidungsfähigkeit. Und schadet uns. Denn Männer sind im Zwiespalt zwischen "altem" und "neuem" Denken zwar auch gefangen - aber lange nicht so stark.

3. Klingt frustrierend. Kann man denn etwas gegen die Selbstsabotage im Job tun?

Sogar ganz leicht. Erster Schritt: Akzeptieren, dass es die widerstreitenden Stimmen einfach gibt. Dann verstehen wir schneller, warum wir hadern. Und können uns bewusst entscheiden, die zweifelnde Stimme einfach plappern zu lassen. Wer das trainiert, handelt selbstbestimmt und setzt im Job immer mehr auf Mut und Neugier, statt auf angstvolles Sicherheitsdenken.

4. Aber bei der Berufsplanung geht es doch auch um Sicherheit und Vernunft, oder nicht?

"Reine Vernunftentscheidungen zahlen sich im Job nicht mehr aus", erklärt Svenja Hofert, Coach aus Hamburg. Der Arbeitsmarkt ändert sich so schnell, dass keiner mehr genau weiß, was ein "vernünftiger Beruf" überhaupt ist. Denn Durststrecken gibt es heute überall. Damit man sie gut übersteht, sollte man schon mit etwas Herzblut dabei sein, egal ob man eine Unikarriere oder ein eigenes Yoga-Studio plant.

5. Mal ehrlich: Was ist überhaupt eine gelungene Karriere? Gibt es heute nicht verschiedene Definitionen?

Toll ist, dass heute tatsächlich viel mehr Wege zum Erfolg führen als früher. Neben dem klassischen "vertikalen" Aufstieg ist die "horizontale Karriere" attraktiver geworden, also eine Position als gut bezahlte Fachfrau. Auch Selbstständigkeit ist heute eine Option. Dazu kommt, dass immer mehr Menschen sich eine komplett individuelle Definition von Erfolg im Job zurechtlegen. Viele setzen auf erfüllende und sinnvolle Jobs, auch wenn die nicht so viel Geld abwerfen. Ob man da noch von Karriere sprechen kann, sei dahingestellt. In jedem Fall ist es leichter geworden, sich einen Job nach den eigenen Wünschen zu suchen.

6. Heißt das auch, dass es okay ist, sich in beruflichen Dingen mehr treiben zu lassen und verschiedenste Sachen auszuprobieren?

Vorsicht: Personaler stehen nach wie vor auf den roten Faden im Lebenslauf. Man sollte Schlenker und Sprünge in der Vita immer noch gut dosieren und gut begründen. Allerdings sind buntere Lebensläufe heute nicht mehr per se ein Karrierehindernis - das hat sich tatsächlich geändert. Wer gut ausgebildet ist, hat wenig zu befürchten. Grund für die Toleranz ist der immer größere Mangel an Fachkräften. Durch diesen Trend werden z. B. auch längere Auszeiten wie Sabbaticals oder Reisen salonfähiger.

7. Auszeiten. Runterschalten. Hört sich ja gut an. Aber kann ich mir das wirklich leisten, wenn ich Ambitionen habe?

"Eine Karriere ohne Rückschritte gibt es nicht", sagt die Kreativitätstrainerin Julia Cameron. Ebenso selten sind heute Karrieren ohne Pause. Auch, weil das Berufsleben mühseliger geworden ist. "Wir müssen heute mehr leisten, um die gleiche Position zu kriegen und zu halten", sagt Professor Wolfgang Mayrhofer von der Uni Wien. Das frisst Energie. Die Burnout-Zahlen sprechen für sich. Ausruhen gehört also dazu. Pausen-Sperre haben nur Berufsanfänger. Für die heißt die Parole nach wie vor: Durchstarten.

8. Ganz grundsätzlich: Woran merke ich, ob mir Erfolg im Beruf wichtig ist?

Finden Sie heraus, welche Werte auf Ihrem Lebensplan ganz oben stehen. Ein grobes Raster für vier Job-Werte-Typen haben Forscher der Uni Zürich entwickelt. Neben dem klassischen Erfolgstyp, dem Macht und Anerkennung wichtig sind, gibt es "Eigenständige ", die zwar auch ehrgeizig sind, vor allem aber mitgestalten wollen, auf Freiheit und Kreativität abfahren. Die weniger erfolgsorientierten Typen setzen dagegen eher auf Werte wie "Sicherheit" oder "Freizeit ". Falls Sie - wie übrigens die Hälfte aller Uni-Absolventen - zu letzteren beiden Typen gehören, passt es, das Thema Job ruhiger und pragmatischer anzugehen.

9. Ich kenne meine Werte aber überhaupt nicht so genau. Wie kann ich Licht ins Dunkel bringen?

Auch wenn es ein bisschen nach Kindergarten klingt, lösen Sie es praktisch. Nehmen Sie alte Zeitschriften, Klebe und Schere und basteln Sie eine Collage zum Thema "Was mir wirklich wichtig ist". Es hat durchaus eine Bedeutung, ob Sie lachende Kinder, Südseeinseln oder die Business-Lady mit Rollkoffer ausschneiden. Gucken Sie sich das fertige Bild genau an, und leiten Sie Ihre Werte ab. Und schreiben Sie die drei wichtigsten auf einen Spickzettel, z. B. Karriere, Familie, Freiheit.

10. Die Praxis ist aber doch oft komplizierter. Angenommen, ich will Karriere und habe ein konkretes Angebot. Soll ich mich vor allem am Geld, am Team oder am Prestige orientieren?

Ein guter Maßstab bei konkreten Angeboten ist "Lebensqualität". Fragen Sie sich: Wird mein Leben durch den Schritt schöner und reicher? Das macht unbestechlich. So beleuchten wir automatisch, wie attraktiv ein gut klingendes Angebot tatsächlich ist. Manchmal kann z. B. der ach so prestigeträchtige Teamleiterposten die falsche Wahl sein, weil das Team ein Haifischbecken ist. Andererseits kann der scheinbar stressige Vertriebsposten ein Hauptgewinn sein, weil wir in einem richtig tollen Team arbeiten und viel Geld machen.

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11. Hat der klassische Fünf-Jahres-Plan mit Karrierezielen also mittlerweile ausgedient?

Nein, ein grober Plan ist gut. Aber wir sollten uns nicht an äußeren Karrierestufen orientieren. Besser ist es, Ziele so formulieren, dass sie mit unserer Persönlichkeit verknüpft sind. Es macht z. B. einen Unterschied, ob man sagt: In fünf Jahren will ich Chefin sein. Oder: Ich will so viel Standing haben, dass ich ein Team mit fünf Leuten leiten kann. Diese persönlichere Definition ist nicht nur ein Ziel - sie kann zum inneren Kompass werden. Wir erkennen dann auch Chancen abseits der Karriere-Leiter, etwa ein Hilfsprojekt, bei dem man Freiwillige koordiniert und Führungserfahrung sammelt.

12. Ganz ehrlich: Ich habe solche hochtrabenden Pläne nicht. Ich mag es bequem, würde am liebsten am gleichen Platz bleiben. Ist das legitim?

Alles gut, solange es sich in der Komfortzone gemütlich anfühlt. Wer sich allerdings lustlos wie Stromberg durch den Arbeitstag drückt, sollte gucken, was fehlt. Man muss ja nicht zwingend in Karriere investieren. Kann auch sein, dass ein Ehrenamt oder eine kleine zusätzliche Selbstständigkeit als Pilates-Trainerin eine gute Ergänzung wäre. Wenn Sie im Job aber genau da bleiben wollen, wo Sie sind, gibt es einen Trick: Gut sein. Präsent sein. Entspannt sein. Jeden Tag. So machen Sie sich unentbehrlich. Und keiner fragt Sie nach Karriereambitionen.

13. Mein Problem ist ein anderes. Ich habe einfach Angst, dass mir die Luft da oben zu dünn ist. Ist die Furcht ein guter Ratgeber?

Auf keinen Fall. Denn Angst gehört dazu. Wenn sich in den Adrenalin-Cocktail auch noch ein Schuss Vorfreude mischt, genießen Sie es, und springen Sie einfach. Was soll schon passieren? Selbst wenn Sie scheitern, ist die Zeit als Chefin eine super Erfahrung, die Sie nur weiterbringen kann. Es hilft, wenn Sie Ihre Erwartungen an sich überprüfen. Falls Sie denken, Sie müssen ab jetzt ein harter Hund sein, alles allein schaffen, liegen Sie falsch. Auch Chefinnen suchen Rat bei Vertrauten, wollen sich in Netzwerken mit anderen austauschen.

14. Moment mal, müssen Führungsfrauen denn nicht Machtmenschen sein?

Auch das ist ein Klischee. Das Einzige, was ehrgeizige Frauen wirklich brauchen, ist Selbstvertrauen. Wer Misserfolge und Kritik sportlich nehmen kann und die eigene Meinung beherzt vertritt, der hat bereits ziemlich viel Chefinnen-Potential.

15. Ich bin harmoniebedürftig. Kann aus mir in diesem Leben noch eine Karrierefrau werden?

Klar. "Biss und Selbstvertrauen kann man lernen", sagt die Hamburger Wirtschafts-professorin Sonja Bischoff. Einige Kurse in Rhetorik, Selbstmarketing und Verhandlungsführung reichen da meist schon. Außerdem hat das Modell des knallharten Managers ohnehin ausgedient. Fast 90 Prozent aller Führungsjobs sind heute Teamleiterstellen mit drei bis fünf Mitarbeitern. Solche Jobs erfordern neben Führungsstärke auch Humor, Kollegialität und Organisationstalent. Das machen Frauen mit links.

16. Das glaube ich jetzt nicht. Gibt es die »gläserne Decke« plötzlich nicht mehr?

Doch, sie hat sich nur immer mehr Richtung Top-Management verschoben, betrifft also 10 Prozent der Posten im Land. Dort herrschen tatsächlich ein harscher Ton und Vorurteile gegenüber weiblichen Führungskräften. Das heißt nicht, dass Frauen da nicht mithalten können. Wer da rein will, sollte sich nur vorher fragen: Kann und will ich mir diese Strukturen antun?

17. Guter Punkt. Ich bin zwar ehrgeizig, habe aber das Gefühl, dass eine Konzernkarriere generell nicht zu mir passt. Kann das sein?

Absolut. Es ist eine berechtigte Frage, in welchem Biotop man gedeihen kann. Etwa 15 Prozent aller ehrgeizigen Männer und Frauen sind zum Beispiel sehr auf Eigenständigkeit gepolt, können sich nur schwer in Konzernrituale einreihen. Für solche Freigeister kann Selbstständigkeit eine Alternative sein. Am besten ein paar Jahre festangestellt arbeiten. Und sich dann als Unternehmerin positionieren.

18. Mal was anderes. Sehr viele Frauen wollen doch auch Familie. Wer das will, wartet mit ambitionierten Schritten im Job am besten, bis die Kinder da sind, oder?

Im Gegenteil. Wer bis zum Mutterwerden schon eine gute Position erreicht hat, diskutiert selbstbewusster, kann Forderungen stellen, sich Nischen schaffen. Auch wenn es nicht gleich ein Halbtags-Chefinnen-Job wird, eine 80-Prozent-Stelle oder eine volle Stelle, in der man tatsächlich nur die vorgeschriebenen 40 Stunden am Platz ist, sind durchaus realistisch.

19. Das ärgert mich jetzt. Ich habe Kinder und finde es schwer, im Job weiterzukommen. Müssen Unternehmen nicht dafür sorgen, dass auch Mütter durchstarten können?

Die Krux ist, dass hierzulande immer noch hauptsächlich Mitarbeiter gefördert werden, die ständig präsent sind und bis in die Abendstunden im Büro hocken. Diese veraltete Einstellung macht es Müttern schwer, sich im Job durchzusetzen. Die Soziologie-Professorin Jutta Allmendinger sieht deshalb in der Flexibilisierung von Arbeitszeit die Chance für Frauen, trotz Kindern beruflich weiterzukommen. Also Augen auf nach Firmen, in denen Home-Office-Tage und flexible Arbeitszeiten keine Fremdworte sind. Richtig erfolgreich werden Frauen mit Kindern aber nur, wenn auch die Partner phasenweise im Job zurücktreten.

20. Apropos Männer: Hemmen Liebesbeziehungen eigentlich unseren beruflichen Erfolg?

Fehlanzeige. Beziehungen beflügeln den Erfolg sogar. Denn Liebe verleiht uns oft Extra-Power, Selbstvertrauen und Ausstrahlung. Es bringt also nichts, den Traumtypen in den Wind zu schießen, weil man Karriere machen will. Eine Gefahr gibt es in Beziehungen aber trotzdem. Auf der Langstrecke ordnen sich Frauen nach wie vor häufig den Karriereplänen ihrer Partner unter, ziehen beispielsweise mit ihnen um. Hier heißt es wach bleiben für die eigenen Interessen im Job. Egal, ob mit Familie oder ohne.

21. Ich habe Lust, erfolgreich zu sein. Aber ich will mich nicht verausgaben. Geht das?

Willkommen im Club. Etwa 60 Prozent aller Akademiker wollen mittlerweile alles - Aufstieg und Ausgleich. Arbeit und Freizeit. Der Unternehmensberater Jens-Peter Dunst hat beobachtet, dass besonders die Generation der jetzt 30- bis 35-Jährigen einen Job nicht nur auf Gehalt und Aufstieg, sondern auch auf die Work-Life-Balance abklopft. Ein Trend, der in Zukunft stärker wird. Es ist also auch mal drin, den Stift fallen zu lassen und zum Baggersee zu fahren - wenn das keine schönen Aussichten für Ihren nächsten Karriereschritt sind.

Text: Anne Otto

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