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Wie ich versuchte, reich zu werden

BRIGITTE-Autorin Heike Faller wagte sich für ein Jahr in die Welt der Finanzen, um zu lernen: Wie vermehrt sich Geld? Von einem Versuch, reich zu werden.

Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als mir ein Termin bei meinem Bankberater unangenehmer war als ein Termin beim Kieferorthopäden, weshalb ich meistens kurzfristig absagte. Wenn ich alle paar Jahre doch hinging, verstand ich nur die Hälfte, davon abgesehen wusste ich nicht, ob ich den Ratschlägen vertrauen konnte. Worte wie "Riester-Rente" oder "Risikoklassen" versetzten mich in eine Art Wachkoma, aus dem mich auch eine "Rendite" von vier oder sieben Prozent nicht herausholen konnte.

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Es lag nicht wirklich nahe, dass ich Anfang 2008 beschloss, ein freies Jahr zu nutzen und mich auf die Weltmärkte zu begeben. Mein Ziel war größenwahnsinnig: Ich wollte mein Geld verdoppeln. Ich bin in einen Sturm geraten, und über das, was ich dabei erlebt habe, habe ich ein Buch geschrieben. Ich habe eigenes Geld eingesetzt, ich habe verloren und wieder gewonnen. Ich stand (als Junior-Analystin einer Heuschreckenfirma verkleidet) auf einer Private-Equity-Konferenz, ich bin mit Ölprofiteuren durch Kurdistan gereist, ich habe Bankpräsidenten in Dubai besucht. Ich habe George Soros getroffen, einen der erfolgreichsten Spekulanten der Welt, und am Ende jener Woche, in der Lehman Brothers pleite gegangen war, sah ich Finanzleuten dabei zu, wie sie sich in den Pubs der City of London betranken.

Ich habe ein Abenteuerbuch geschrieben, keinen Ratgeber. Aber natürlich wurde ich in diesem Jahr oft von Freunden und Verwandten gefragt, was sie tun sollten. Doch man kann seinen Freunden nicht sagen, was sie mit ihrem Geld tun sollen, genauso wenig, wie man ihnen sagen kann, wen sie heiraten sollten. Alles, was ich sagen kann, ist, dass ich da draußen, in der wilden Welt des Spätkapitalismus, ein paar Dinge gelernt habe, und von denen erzähle ich dann.

1. Was ich im Sturm gelernt habe

Als im letzten Herbst Lehman Brothers zusammengebrochen war und mit der Bank unser Weltbild von den Segnungen des ungeregelten Kapitalismus, sah man in vielen Talkshows Kleinanleger. Sie sagten, dass ihre Bankberater sie zu Lehman-Zertifikaten überredet, ihnen aber verschwiegen hätten, dass die herausgebende Bank pleite gehen kann. Daneben saßen Vertreter irgendwelcher Bankenverbände (echte Banker trauten sich nicht in die Talkshows), die, wann immer sie etwas einwenden wollten, sofort niedergeredet wurden. Ich spürte Mitleid. Mit den Bankmenschen. Ich ahnte, was sie sich nicht zu sagen trauten: Dass eine Bank pleite gehen kann, war nur für wenige Leute voraussehbar. "Leben Sie - wir kümmern uns um die Details" war ein wunderbarer Werbespruch. Ich habe ihn damals, als mich Geld noch nicht interessierte, sehr geliebt. Er ist genial, weil er uns in die Rolle von Kindern versetzt, die sich keine Gedanken machen müssen. Ich fürchte, dass das nicht möglich ist.

2. Was ich im Casino lernte

Es hatte mich nach Baden-Baden verschlagen. Ich stand an einem Roulettetisch mit einem der besten Wahrscheinlichkeitstheoretiker der Welt an meiner Seite. Wir hatten einen Plan ausgetüftelt, der von hoher Erfolgswahrscheinlichkeit, aber nicht ohne Risiko war. Ich setzte einige Jetons auf Schwarz, die Roulettescheibe drehte sich, meine Handflächen wurden feucht, und plötzlich begriff ich, was die Redewendung "sein Geld für sich arbeiten lassen" eigentlich bedeutet: Wer investiert, legt sein Geld auf den Tisch und gibt es für eine Zeit dem Schicksal preis. Dieses Risiko ist der Preis der Rendite, und dafür wird der Anleger (vielleicht) belohnt. Dann blieb die Kugel liegen. "Gehen wir", sagte der Mathematiker und zog mich zur Bar. Er mochte Glücksspiele nicht.

3. Was ich auf einem Markt namens Kunst lernte

Kunst ist in den letzten Jahren extrem gut gelaufen. Ein paar Abende trieb ich mich auf Vernissagen herum. Ich sprach mit Sammlern und Galeristen auf der Suche nach einem vielversprechenden kleinen Werk. So lernte ich etwas über das Handeln: Handeln heißt, einen Wert gegen einen anderen einzutauschen, in der Hoffnung, dass der neue Wert sich besser entwickelt als der alte. Richtig reich wurde der, der van Gogh kaufte, als alle anderen ihn für einen Spinner hielten. Van Goghs waren zu Lebzeiten sehr billig - weil die Mehrheit die Bilder nicht haben wollte. Wer auf Märkten langfristig Erfolg haben will, muss also weitblickender sein als die meisten. (Allein deshalb sollte man sich nicht auf seinen Bankberater verlassen - sie sind, weil es so viele von ihnen gibt, immer in der Mehrheit.) Im Prinzip gilt es, auf allen Märkten den nächsten van Gogh zu finden - oder zumindest das Mode-Investment zu vermeiden, das sich schon bald als bedeutungslos herausstellen wird.

4. Was ich vom Amsterdam des späten 17. Jahrhunderts lernte

Märkte leben davon, dass Menschen anderen Menschen, die dümmer, langsamer oder schlechter informiert sind, das Geld aus der Tasche ziehen. Eine berühmte Börsengeschichte spielt in Amsterdam in den Jahren nach 1630: Damals entflammte in Holland eine Amour fou für Tulpen, die gerade erst aus dem Orient eingeführt worden waren. Auf dem Höhepunkt der Manie wurden Tulpenzwiebeln mit Häusern bezahlt. Bereits damals war es so, dass die, die sich zuletzt anstecken ließen, hohe Preise bezahlen mussten - und als die Kurse abstürzten, waren sie es, die ihr Geld verloren. Merke: Die Letzten verlieren ihr Geld. Jeder Hype braucht Leute, die zu spät kommen, die erst einsteigen, wenn es schon fast vorbei ist. Als 1929 der amerikanische Aktienmarkt zusammenbrach, fand man für dieses Phänomen ein Wort. Es heißt Dienstmädchen- Hausse. Daraus lässt sich eine Regel ableiten: Wenn die Dienstmädchen und Schuhputzerjungen zur Börse laufen, also den Kursen zu einem nächsten steilen Aufschwung, einem Boom, verhelfen, dann ist es an der Zeit auszusteigen.

5. Was man im Irak lernen kann

Anfang 2008 fuhr ich mit einem Fondsmanager nach Kurdistan, um irakische Aktien zu kaufen. Es wirkte wie eine bizarre Idee, dabei gab es gute Nachrichten: Der Irak hat große Ölreserven, die Amerikaner hatten es durch weitere Truppen inzwischen geschafft, das Land zu stabilisieren. Die Zahl der Toten war gesunken, das Wirtschaftswachstum lag bei acht Prozent, und gleichzeitig waren die Aktien auf ein Zehntel ihres alten Kurswertes zusammengeschrumpft. Ahmed, einer der größten Börsenhändler Bagdads, riet mir schließlich zu einer Aktie der "Iraqi Investment Bank". Ich kaufte. Und folgte damit der Grundregel allen Handelns: Kaufe niedrig, verkaufe hoch. Klingt simpel, ist aber äußerst schwierig. Im Grunde kann man Börseninvestitionen mit der Mode vergleichen: Ein erfolgreicher Spekulant muss immer die Kleider tragen, die erst in zehn Jahren in Mode kommen werden. (Was bei der irakischen Börse zum Glück bereits jetzt der Fall ist.)

6. Eine Fremdsprache lernen

Ich habe in diesem Jahr oft mit einer gewissen lachsfarbenen Wirtschaftszeitung in irgendwelchen Cafés gesessen, und häufig wurde ich beim Lesen unterbrochen. Von Männern. Eine Frau liest Börsenkurse? Wie lustig. Wie ungewöhnlich. Wahr ist, dass auch Frauen Finanzteile dechiffrieren können. Am Anfang ist es etwa so, als würde man französische Zeitungen lesen, obwohl man nur drei Jahre Französisch in der Schule hatte. Zum Glück ist Finanz- Speak viel einfacher. Es geht um fünfzig oder hundert Vokabeln, mehr nicht. Wenn man nur einen Artikel am Tag liest, versteht man nach drei Monaten die Sprache, und nach vier Monaten weiß man, was das Problem ist. Die Wirtschaftswelt kreist sowieso immer nur um zwei, drei grundsätzliche Fragen. Wer sie kennt, ist in der Lage, eine Position zu beziehen. Das ist natürlich keine Garantie auf Erfolg, aber wer sich keinen Privatkundenberater leisten kann, muss die Welt selber verstehen.

7. Wie man ein Hobby zu Geld machen kann

Eine mir bekannte Heuschrecke saniert Banken, aber das eigene Geld hat sie in Wohnungen in ihrem Heimatort angelegt. Ein Millionär in Dubai handelt nur mit Wohnungen in Dubai. Ein Fotograf aus meinem Bekanntenkreis wurde mit Kunst reich, weil Kunst ihn seit Jahren brennend interessiert. Wann immer ich diesen Leuten von anderen Anlage-Ideen erzählte, sagten sie: Ich mache nur den Markt, den ich kenne. Zugegeben, die meisten Kleinanleger haben keinen Markt, den sie kennen. Aber auch Kleinanleger haben Hobbys, die sich zu Geld machen lassen. Sind Sie zum Yogakurs öfter mal in Indien? Mögen Sie chinesisches Porzellan? Oder Fotografien aus den dreißiger Jahren? Die Preise sinken. Börsenleute nennen das eine Einstiegsgelegenheit.

8. Warum es manchmal weniger riskant ist, ein Risiko einzugehen

Ich bin den Märkten verfallen, weil ich - einer Laune folgend - mein Geld in Gold und Silber steckte. Die Preise stiegen, das war toll. Und irgendwann, ohne dass es mich angestrengt hätte, wusste ich eine ganze Menge über diesen Markt. Wer überraschende Gewinne macht, lernt ganz automatisch. Wer immer nur Ärger mit seinen Anlagen hat, wird sich nie überwinden können, sich für Geld zu interessieren. Den Freundinnen, die es nicht einmal schaffen, ihre Bankauszüge zu öffnen, rate ich: Nimm einen Betrag, den du erübrigen kannst, und stecke ihn in eine möglichst abenteuerliche, möglichst interessante Anlage, von der keiner redet. Ich kann dir nicht garantieren, dass du Gewinne machen wirst, aber falls du Gewinne machen wirst, wirst du sehr schnell zur Expertin.

9. Was würde Soros tun?

In New York besuchte ich George Soros, den Meisterspekulanten und Milliardär. Als Student war er schlecht in Mathe, und als Buchhalter wurde er bald gefeuert, weil am Ende Soll und Haben nicht übereinstimmten. Wieso wurde er trotzdem märchenhaft reich? Als Kind musste er eine Erfahrung machen, die ihn geprägt hat: Mit 14 hatte der Sohn einer angesehenen jüdischen Bürgerfamilie in Budapest erleben müssen, wie er nach dem Einmarsch der Nazis innerhalb von Wochen zum KZKandidaten wurde. Später landete er seine größten Coups, indem er auf historische Entwicklungen spekulierte, die Abwertung des englischen Pfunds oder den Aufstieg der Banken im Zuge der neoliberalen Politik unter Thatcher und Reagan zum Beispiel. Ich glaube, dass Soros nach 1944 die Welt nicht mehr für bare Münze nehmen konnte, und dieses Wissen um die Brüchigkeit der Normalität war sein größtes Kapital als Spekulant. Der westdeutschen Nachkriegsgeneration fehlt dieses Bewusstsein. Und genau das könnte uns in den nächsten Jahren viel Geld kosten, selbst wenn wir unser Geld, scheinbar risikolos, aufs Sparbuch legen. Denn die Welt wird sich ändern: Es ist von einem Auseinanderbrechen des Euro die Rede. Die Staatsverschuldung ist kaum zurückzahlbar. Steigen Immobilienpreise eigentlich auch in einer Weltwirtschaftskrise? Die Globalisierung, scheinbar ein Naturgesetz, könnte einem Protektionismus weichen. (Anfang des letzten Jahrhunderts hat es schon einmal eine Globalisierungswelle gegeben, die die Menschen für unumkehrbar hielten.) Der Dollar könnte als Weltleitwährung abgelöst werden. Durch diese Entwicklungen kann man Geld verlieren oder gewinnen. Und deshalb heißt, sich für Geld zu interessieren, in den nächsten Jahren, sich für die Welt zu interessieren: Was wird kommen? "Ich fürchte um die Zukunft der Zivilisation", sagte Soros zu mir. Als westdeutsches Nachkriegskind neige ich nicht zu Horrorszenarien. Aber weil dieser Satz von einem Propheten kam, neige ich dazu, ihn ernst zu nehmen.

10. Na gut - ein Tipp

Zur Zeit reden so viele Leute von Staatsanleihen, dass man es schon fast für eine Dienstmädchen-Hausse halten könnte. So langweilig, so sicher, so viel risikoloser als die unberechenbaren Aktien. Das Problem ist nur: All die supersicheren AAA-Staaten müssen sich wegen der Krise gerade brutal verschulden. Ich sehe schon die Rentner in den Talkshows des Jahres 2015 sitzen, die sich darüber beschweren, dass ihnen gesagt wurde, dass Staaten gar nicht pleite gehen können. Stimmt, können sie auch nicht. Wenn Staaten zahlungsunfähig sind, drucken sie nämlich Geld, um ihre Schulden zu bezahlen. Derzeit besteht die Gefahr einer stärkeren Inflation, mittelfristig. Inflation bedeutet, dass man jedes Jahr zum Beispiel zehn Prozent seiner Kaufkraft verliert, während die Staatsanleihen nur vier Prozent Zinsen bringen. Ich weiß nicht, ob es so kommen wird. Ich lese halt ab und zu Finanzteile. Dort hat sich vor das Wort "Staatsanleihen" seit ein paar Monaten eine kleine Ergänzung geschlichen. Es heißt jetzt immer: vermeintlich sichere Staatsanleihen. Ich sag's bloß.

Das Buch

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Von Heike Faller erscheint jetzt das Buch "Wie ich einmal versuchte, reich zu werden. Mein Jahr unter Spekulanten" (19,95 Euro, DVA). Weitere Buchtipps finden Sie unter www.brigitte.de/geldgeschichten

Text: Heike Faller Foto: Getty Images Ein Artikel aus der BRIGITTE 13/09

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