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Warum wir zu wenig über Finanzen wissen - und was sich ändern muss

Gehaltslücke, Rentenlücke – Wissenslücke: Frauen wissen zu wenig über Finanzen. Die Folgen sind bitter.

Wieviel wissen Frauen über Finanzen? Erschreckend wenig. Und zwar auch, weil sie sich zu wenig zutrauen. Das weiß Dr. Tabea Bucher-Koenen vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in München. Sie erforscht, wie es um die finanzielle Bildung von Frauen steht. 

In dem 3-Fragen-Schnelltest und in dem Interview mit der Expertin erfahrt ihr, was das Problem ist:

Das Ergebnis: Bei Frage 1 sagten 12,4 Prozent der Frauen in Deutschland „Weiß nicht“, bei Frage 2 waren es 21 Prozent, bei der letzten sogar 38 Prozent.

Quelle: T. Bucher-Koenen und A. Lusardi (2011) “Financial literacy and retirement planning in Germany” In: Journal of Pension Economics and Finance, 10, pp. 565–584. A. Lusardi, O. Mitchell, „Financial Literacy and Planning: Implications for Retirement Wellbeing“, 2011

BRIGITTE: Diese 3 Fragen wurden Menschen in vielen Ländern gestellt. Warum ausgerechnet diese Fragen?

Tabea Bucher-Koenen
Tabea Bucher-Koenen
© privat

Dr. Tabea Bucher-Koenen: Sie stehen für wesentliche Aspekte von finanziellem Verständnis. Frage 1 steht dafür, wie Zins und Zinseszins funktionieren. Wobei man nicht einmal den Zinseszins verstanden haben muss, um die Frage richtig zu beantworten. Bei Frage 2 geht es darum, wie Zinsen und Inflation in Kombination funktionieren. Frage 3 dreht sich um das Verständnis von Risiko und Diversifikation, also Risikostreuung. Diese Frage enthält außerdem noch Fachbegriffe, die man verstehen muss. Das macht sie am schwierigsten, das sieht man auch im internationalen Vergleich. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Frage richtig beantwortet wird, ist immer deutlich niedriger als bei den anderen beiden Fragen.

Und wie schnitten die Frauen im Vergleich zu den Männern ab?

Das war ein Punkt, der mich sehr überrascht hat. Wir haben die Antworten in einem internationalen Vergleichsprojekt ausgewertet, in den USA, den Niederlanden, Italien, Schweden, Deutschland, Neuseeland... Und eine Gruppe, die immer wieder niedriges Finanzwissen gezeigt hat, waren Frauen. In einem Folgeprojekt in Deutschland, den USA und den Niederlanden wollten wir besser verstehen, was hinter dieser Wissenslücke steckt. Eine Idee war: Vielleicht lag das insgesamt schlechtere Abschneiden der Frauen ja an den älteren Jahrgängen, bei denen noch eine traditionelle Rollenverteilung im Haushalt herrscht, wo also der Mann derjenige ist, der die Finanzen verwaltet.

Und, war das die Erklärung?

Eben nicht. Was mich persönlich erschreckt hat, war, dass diese Wissenslücke auch bei den jungen Frauen nicht kleiner wird, sondern ziemlich konstant bleibt. Man würde eigentlich denken: Erstens, die jungen Frauen haben tendenziell sogar einen besseren Bildungsstand als die Männer, das sollte doch dazu beitragen, dass sie ähnlich gut Bescheid wissen. Zweitens, junge Frauen haben heute alle einen Job, ein eigenes Einkommen. Aber offensichtlich sind das nicht die treibenden Mechanismen bei dieser Lücke im Finanzwissen.

Die Wissenslücke wird auch bei den jungen Frauen nicht kleiner

Sondern?

Ja, das ist die große Frage. Wir haben eine Folgestudie aufgesetzt um zu prüfen, ob es vielleicht an den Fragen selbst liegen könnte. Denn die Frauen haben ja nicht durchgehend falsche Antworten gegeben, sondern sie antworten oft: „Weiß nicht“. 43,3 Prozent sagten das bei mindestens einer der Fragen, und fast jede zehnte Frau sagte „Das weiß ich nicht“ bei allen drei Fragen. Wir haben in den Niederlanden ein Experiment gemacht und die gleichen Fragen innerhalb weniger Wochen zweimal gestellt – einmal mit der „Weiß-nicht“-Option und einmal ohne. Wir wollten wissen, ob sich dadurch das Ergebnis von Frauen und Männern verändert.

Und?

Ja, es verändert sich: Die Wissenslücke zwischen Männern und Frauen wird kleiner, wenn man die „Weiß-nicht“-Option wegnimmt. Aber sie verschwindet nicht komplett. Unsere Schlussfolgerung ist: Die Frauen wissen tatsächlich weniger als die Männer – aber: Sie wissen mehr, als sie glauben. In Zahlen kann man sagen, dass knapp 40 Prozent dieser gemessenen Lücke erklärbar ist durch mangelndes Selbstvertrauen, etwas mehr als 60 Prozent ist echtes Nicht-Wissen.

Das heißt, Frauen trauen sich beim Thema Geld zu wenig zu.

Genau. Das ist nicht die ganze Geschichte, aber es ist ein wesentlicher Teil. Warum im Durchschnitt Frauen weniger wissen als Männer, das können wir nicht abschließend sagen. Ich glaube, es hat immer noch sehr viel mit Interesse zu tun, das heißt, damit, dass Themen traditionell eher männlich oder weiblich besetzt sind. Aber das ist Spekulation.

Was könnte da helfen?

Forschungen in den USA haben gezeigt: Wenn man mit Fokusgruppen arbeitet, sprechen Frauen sehr gut auf Finanzbildungsprogramme an. Es könnte also helfen, Männer und Frauen getrennt anzusprechen.

Warum ist es gerade jetzt so wichtig, dass Frauen ein besseres Finanzwissen bekommen?

Der Hauptaspekt ist, dass private und betriebliche Altersvorsorge immer wichtiger werden, die gesetzliche Rente wird nicht mehr reichen. Das erfordert Eigeninitiative, bei Männern und Frauen gleichermaßen. Deswegen ist es wichtig, dass Frauen in ihr Finanzwissen investieren, damit sie sich gut für die Zukunft vorbereiten. Ein anderer Aspekt: das sich wandelnde Rollenverständnis. Es ist nicht mehr automatisch so, dass der Mann alle Entscheidungen trifft und die Frau sich darauf verlassen kann oder sollte. Frauen sollten – vor allem auch vor dem Hintergrund der gestiegenen Scheidungszahlen – selber genug Finanzwissen haben, so dass sie nicht ausgeliefert oder abhängig sind. Und drittens: Frauen haben im Durchschnitt eine höhere Lebenserwartung als Männer. Selbst wenn ihre Ehe lange Bestand hat, sind die Frauen mit hoher Wahrscheinlichkeit im Alter allein, spätestens dann müssen sie also ihre eigenen Finanzentscheidungen treffen. Darauf sollten sie sich nach Möglichkeit heute schon vorbereiten, denn früher oder später werden sie dieses Wissen brauchen.

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Interview: Claudia Münster

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