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Studieren mit Kind

Zwischen Windeln und Wissenschaft, Seminar und Still-BH: Wenn sich Nachwuchs ankündigt, gerät das typische Studentenleben aus den Fugen. Eine junge Mutter erzählt, wie sie Studium und Familie meistert. Außerdem: Interview mit einer Sozialberaterin und Tipps rund ums Studieren mit Kind
Studieren mit Kind
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Acht von hundert Studentinnen an deutschen Unis haben ein Kind, so ein Ergebnis der 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks. Eine von ihnen ist Lea, 23. Sie studiert im sechsten Semester Sport auf Diplom. Ihr Freund Toni, 32, arbeitet im Restaurant seines Vaters. Seit zwei Jahren leben sie zu dritt in ihrer Altbauwohnung im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Während Tochter Lucia Krokodile und Ponys in ihrem Malbuch bekritzelt, erzählt Lea von ihrem Leben als Studentin mit Familienanhang:

Leas Geschichte

Lea mit ihrer Tochter Lucia.
Lea mit ihrer Tochter Lucia.
© Julia Müller

Ich war schon schwanger, als ich mich für das erste Semester eingeschrieben habe. Mit 20. Am Anfang dachten meine Kommilitonen wohl, ich hätte einfach ein bisschen zugenommen. Irgendwann haben sie dann gefragt: "Sag mal, kriegst du ein Kind?"

Lucia war geplant, sie war kein Unfall. Wir wollten früh Kinder. Als ich Toni kennengelernt habe, war ich 18 und er 27. Wir waren drei Monate zusammen, dann bin ich bei ihm eingezogen. Irgendwann haben wir uns gedacht: Wieso eigentlich nicht jetzt schon eine Familie gründen? Ich hab die Pille abgesetzt, und dann ist es ziemlich schnell passiert. Dass ich schwanger bin, habe ich gleich gespürt. Es hat sich angefühlt wie eine Baustelle, richtig gebrodelt hat es in mir. Den Test habe ich bei einer Freundin gemacht. Als das Ergebnis positiv war, dachte ich: "Krass, jetzt werde ich wirklich Mutter."

We are family: Toni, Lea und Lucia.
We are family: Toni, Lea und Lucia.
© Julia Müller

Viele sagen ja, dass man erst mal fest im Leben stehen muss, bevor man ein Kind kriegt. Aber fest im Leben stehen, das tut man doch nie. Im Studium kann ich meine Zeit auf jeden Fall viel besser einteilen als später im Berufsleben.

Lucia wurde am 30. September 2005 geboren. Kurz danach hätte mein zweites Semester angefangen. Ich habe eine Pause eingelegt und bin im dritten Semester wieder eingestiegen. Das hat gut funktioniert, weil Lucia von Anfang an ein total unkompliziertes Kind war. Und weil Toni abends arbeitet und tagsüber frei hat.

Seit sie ein Jahr alt ist, geht Lucia in eine Kindertagesstätte vom Studierendenwerk, meistens von 9 bis 15 Uhr. In der Zeit bin ich dann an der Uni zu Seminaren und Vorlesungen. Man muss sich schon gut organisieren. Dienstags und donnerstags kann ich sie zum Beispiel nicht vom Kindergarten abholen, weil ich arbeite. Ich leite eine Judo-AG in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und mache Gewaltprävention an einer Grundschule. Lucia geht dann mit zu einer Freundin oder wird von Toni abgeholt. Manchmal helfen auch meine Mutter oder mein Bruder aus.

Die Uni-Arbeit fängt für mich oft erst abends an. Wenn ich Lucia um acht oder halb neun ins Bett gebracht habe, würde ich mich manchmal schon lieber vor die Glotze hängen, statt noch ein Kapitel zu lesen oder für eine Klausur zu lernen. Aber das geht halt nicht.

Studieren mit Kind
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Typisches Studentenleben? Fehlanzeige!

Meine Dozenten sind eigentlich sehr verständnisvoll. Schwierig wird es nur, wenn Lucia krank ist und nicht in den Kindergarten kann. Einmal kam ich deswegen zu einem Abschlussspiel im Volleyball zu spät. Mein Bruder, der auf sie aufpassen sollte, hatte verschlafen. Der Dozent hat ziemlich kleinlich reagiert, jetzt muss ich das Spiel wiederholen.

Wir haben natürlich auch überlegt, ob wir das alles finanziell hinkriegen. BAföG bekomme ich keins, aber Toni arbeitet ja und ich verdiene durch meine Judo-AGs auch etwas. So wie es jetzt läuft, ist es in Ordnung. Allerdings nehme ich mich schon mehr zurück als früher.

Seit sie ein Jahr alt ist, geht Lucia in den Uni-Kindergarten.
Seit sie ein Jahr alt ist, geht Lucia in den Uni-Kindergarten.
© Julia Müller

Das typische Studentenleben hatte ich nie. Trotzdem denke ich nicht: Oh Gott, mein Leben ist vorbei. Mein Leben ist jetzt zwei Jahre alt und pest hier durch die Wohnung. Ich versuche, mich nicht einzuigeln. Als Lucia noch kleiner war, habe ich sie zum Beispiel einfach abends mitgenommen, wenn ich bei Freunden war.

Klar habe ich auch manchmal das Gefühl, etwas zu verpassen. Wenn jemand an der Uni fragt, ob wir noch feiern gehen, kann ich nicht spontan zusagen. Das geht mit einem Kind nicht. Man muss schon ein bisschen aufpassen, dass die Freundinnen nicht zu kurz kommen. Neulich meinte meine Mama zu mir: "Es wird Zeit, dass du mal wieder raus kommst." Sie hat dann die Kleine über Nacht genommen und ich war mit meinen Mädels tanzen. Mein Sport fehlt mir auch. Früher hab ich fünf Mal pro Woche Judo-Training gegeben und selbst trainiert, jetzt war ich schon ewig nicht mehr da.

Ob ich mich als Mutter erwachsener fühle? Das ist ganz komisch: Einerseits total, andererseits überhaupt nicht. Ich fühle mich der Verantwortung auf jeden Fall gewachsen. Aber mit Lucia mache ich auch viel Quatsch, wir können zusammen richtig rumalbern. Das finde ich besser, als wenn man nur streng ist. Sie ist richtig gut drauf.

Ich glaube mein Vorteil ist, dass ich weiß, was ich will. Durch meine Jobs habe ich mir auch beruflich etwas aufgebaut. Manchmal denke ich zwar, dass ich vielleicht noch ein Jahr hätte warten und ohne Kind studieren sollen. Aber eigentlich würde ich es wieder genauso machen. Und eins steht fest: Toni und ich wollen auf jeden Fall noch mehr Kinder.



Protokoll: Julia Müller

Ihr seid in der gleichen Situation wie Lea und studiert mit Kind? Schreibt uns eure Geschichte und postet sie über die Kommentarfunktion.

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Interview mit Meike Schmidt

Meike Schmidt vom Studierendenwerk Hamburg berät Studenten mit Kind.
Meike Schmidt vom Studierendenwerk Hamburg berät Studenten mit Kind.
© privat

Schwanger mitten im Studium - da stellen sich viele Fragen: Wie soll ich das schaffen? Wo bekomme ich Unterstützung? Ein Beratungsgespräch hilft, Ordnung in das Chaos im Kopf zu bringen. Viele Studentenwerke bieten spezielle Sprechstunden für werdende Väter und Mütter an. Meike Schmidt vom Studierendenwerk Hamburg spricht im Interview mit BYM.de über ihre Arbeit als Sozialberaterin und erklärt, warum es auch Vorteile hat, als Studentin Mutter zu werden.

BYM.de: Was sind die größten Herausforderungen für Frauen, die während des Studiums schwanger werden?

Meike Schmidt: Das Hauptthema ist die Finanzierung. Die jungen Frauen fragen sich: Wie kriege ich Studium, Kind und Nebenjob unter einen Hut? Es stürzt so viel auf sie ein. Unter den Studentinnen, die zu mir kommen, sind auch viele Alleinerziehende. Für sie ist die Belastung natürlich noch größer.

BYM.de: Sind Studium und Kinder überhaupt vereinbar?

Meike Schmidt: Ja, auf alle Fälle. Aber man muss sich gut organisieren. Es ist zum Beispiel hilfreich, schon im Vorfeld mit den Dozenten zu sprechen. Dann finden sich zum Beispiel auch Möglichkeiten, um den Abgabetermin für eine Hausarbeit zu verlängern.

BYM.de: Welche Sorgen und Probleme werden bei Ihnen in der Beratung angesprochen?

Meike Schmidt: Geld steht oft im Vordergrund. Wir zeigen dann auf, welche finanzielle Unterstützung es für Studierende mit Kind gibt. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Kinderbetreuung. Wie funktioniert das Kita-Gutschein-System? Wo kriege ich einen Hortplatz? Der Bedarf an Krippenplätzen ist unter studentischen Eltern beispielsweise sehr groß. Es kommen aber auch Frauen zu uns, die schon Kinder haben und überlegen, ob sie jetzt ein Studium beginnen sollen. Mir ist vor allem wichtig, in der Beratung zu motivieren. Wir wollen Druck von den werdenden Müttern und Vätern nehmen und zeigen, dass man Studium und Familie meistern kann.

BYM.de: Wie wirkt sich das Bachelor- und Master-System auf die Situation von Studierenden mit Kind aus?


<antwort name = "Meike Schmidt">Die neuen Studienordnungen verlangen viel höhere Anwesenheitszeiten, das ist mit Kindern oft schwierig. Daher kann es ratsam sein, sich für ein Teilzeitstudium zu entscheiden. Allerdings muss man auch bedenken, dass bei einem Teilzeitstudium eine BAföG-Förderung ausgeschlossen ist.

BYM.de: Wie reagieren Ihrer Erfahrung nach Professoren und Prüfungsämter?

Meike Schmidt: Ich denke, die Hochschulen haben das Problem im Blick. Die Vereinbarkeit von Studium und Familie wird verfolgt. In der Regel ist es möglich, mit den Dozenten zu sprechen und beispielsweise eine Prüfung zu verschieben, wenn das Kind plötzlich krank wurde.

BYM.de: Hat man als studentische Mutter auch Vorteile?

Meike Schmidt: Für die Karriereentwicklung ist es teilweise sogar günstig, noch während des Studiums Kinder zu bekommen. Da ist man zeitlich doch flexibler als später im Berufsleben. Außerdem kümmern sich in dieser Zeit Mann und Frau oft gleichberechtigter um das Kind als später.

Tipps zum Studium mit Kind

Studieren mit Kind
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Beratung & Hilfe Viele Studentenwerke bieten kostenlose Beratungsgespräche zum Thema "Studieren mit Kind" an. Sie können auf eure individuelle Situation eingehen und helfen, eine Lösung zu finden. An vielen Unis gibt es studentische Elterninitiativen. Dort findet ihr andere Eltern, mit denen ihr euch austauschen könnt.

OrganisatorischesGenerell gilt: Plant euren Studienverlauf durch und überlegt, wie viel Zeit ihr für Seminare, Vorlesungen, Hausarbeiten und zum Lernen braucht. Gerade am Anfang solltet ihr euch und das Kind nicht überfordern. Formulare zur Beantragung von Kinder- und Erziehungsgeld am besten schon vor der Geburt besorgen. Oft ist es auch hilfreich, mit den Dozenten über die Situation zu sprechen, zum Beispiel in Hinblick auf anstehende Prüfungen. Für Kinderbetreuung und Schwangerschaft können zusätzliche Urlaubssemester genommen werden. Dann steigt die Zahl eurer Fachsemester nicht, allerdings könnt ihr in dieser Zeit in der Regel auch keine Scheine machen bzw. Prüfungen ablegen.

Finanzielles Studiengebühren: Bislang werden in sieben Bundesländern Gebühren für das Erststudium verlangt. Studierende mit Kind sind davon befreit, die Regelungen sind jedoch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Erkundigt euch am besten bei eurem Studentenwerk und fragt dort nach einem entsprechenden Antrag. BAföG: Über die Förderungshöchstdauer hinaus besteht ein Anspruch auf BAföG, wenn man Kinder hat. Fragt bei eurem BAföG-Sachbearbeiter nach. Kindergeld: Unabhängig vom Einkommen steht euch ein monatliches Kindergeld in Höhe von 154 Euro (für das erste, zweite und dritte Kind) bzw. 179 Euro für jedes weitere Kind zu. Die Anträge erhaltet ihr bei der Familienkasse. Die sitzt normalerweise in der für euren Bezirk oder eure Gemeinde zuständigen Arbeitsagentur. Elterngeld: Für Kinder, die ab dem 1. Januar 2007 geboren wurden, können Eltern das Elterngeld beantragen. Für 12 Monate werden 67 Prozent des letztjährigen Netto-Gehalts, maximal jedoch 1.800 Euro gezahlt. Studenten bekommen als pauschale Mindestsumme 300 Euro Elterngeld je Kind. Weitere Informationen findet ihr << hier.

Kinderbetreuung Informiert euch am besten frühzeitig über Kindertagesstätten in eurer Nähe und kümmert euch um einen Platz. Oft gibt es lange Wartelisten. Auf die besonderen Bedürfnisse von Studenten (flexible Betreuungszeiten beispielsweise) gehen Uni-Kindergärten ein, die vom Studentenwerk getragen werden. Teilweise werden auch Wohnungen für Studenten mit Kind in den Studentenwohnheimen angeboten.

Text: Julia Müller

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