Die Unternehmen in Silicon Valley gehen gerne ungewöhnliche Wege, um noch erfolgreicher zu werden und das Beste aus ihren Mitarbeitern herauszuholen. Dabei haben sie keine Hemmungen, sich ins Privatleben der Mitarbeiter einzumischen (wenn diese noch ein Privatleben haben). Vom Fitnesskurs bis zu gesunden Mahlzeiten kriegen die Arbeitnehmer der IT-Firmen viele Gratisleistungen, gerne auch direkt am Arbeitsplatz.
Laut einem Medienbericht des US-Senders NBC gibt es für die weiblichen Mitarbeiter von Apple und Facebook nun noch ein ganz besonderes Goodie: Die Technologie-Riesen wollen demnach den angestellten Frauen das Einfrieren von Eizellen bezahlen. Mit dieser Maßnahme, auch "Social Freezing" genannt, können sich Frauen Eizellen entnehmen und einfrieren lassen. Zu einem späteren Zeitpunkt kann dann versucht werden, die Eizellen zu befruchten. Allerdings ist es bei dieser noch recht neuen Methode ungewiss, ob es wirklich zu einer Schwangerschaft kommt.
"Social Freezing" ist nicht billig: In den USA kostet der Eingriff rund 10.000 Dollar, für die Lagerung der Eizellen werden jedes Jahr auch nochmal Kosten fällig. In Deutschland ist es mit 3.000 Euro etwas günstiger.
Warum machen Facebook und Apple das?
Die IT-Unternehmen haben ein Frauenproblem. Facebook etwa hat mit Sheryl Sandberg zwar eine Topmanagerin an der Spitze, aber insgesamt sind nur 31 Prozent der Mitarbeiter Frauen. Dabei ist die Förderung von Frauen im Job ein Herzensthema von Sandberg: In ihrem Buch "Lean In" beklagt sie, dass sich immer noch zu viele Frauen durch das Kinderkriegen von ihrer Karriere abhalten lassen. Das Angebot, die Kosten fürs "Social Freezing" zu bezahlen, könnte Facebook als Arbeitgeber daher attraktiver machen und gleichzeitig den Frauen den Druck nehmen, die Kinderfrage unbedingt in der Lebensmitte zu klären.
Kritiker werfen den Managern jedoch vor, das Ziel sei vor allem, das Personal nicht von der Arbeit abzulenken. Das Kinderkriegen dürfe nicht den wirtschaftlichen Zielen untergeordnet werden. Zudem sei das Einfrieren von Eizellen eine sehr unsichere Methode, auf die sich die Frauen nicht verlassen könnten.
Noch haben sich weder Facebook noch Apple zu dem NBC-Bericht geäußert. Man darf gespannt sein, ob sich diese fragwürdige Form der Frauenförderung wirklich durchsetzt.
Einfrieren von Eizellen: die Fakten
Unbefruchtete Eizellen sind sehr empfindlich; ihr Einfrieren galt lange als schwierig. Die Vitrifikation ("Verglasung") brachte den Durchbruch: Dabei werden Eizellen innerhalb von Sekunden in flüssigem Stickstoff schockgefroren. So bilden sich keine Eiskristalle wie bei der herkömmlichen Methode, dem "Slow Freezing".
Über 90 Prozent der Eizellen überstehen den Gefriervorgang, egal wie lange sie eingefroren waren. Ihre Qualität hängt vom Alter der Frau zum Zeitpunkt der Entnahme ab, aber auch von der Erfahrung des Labors mit Vitrifikation. Eine Studie zeigte, dass die Schwangerschaftsraten mit vitrifizierten und dann befruchteten Eizellen genauso hoch sein können wie nach dem Einsetzen von vorher nicht eingefrorenen Embryonen.
"Allerdings braucht es dazu ein hoch spezialisiertes Labor", sagt Professor Michael von Wolff. Der Gynäkologe ist Koordinator von FertiProtekt, einem Netzwerk von Kinderwunschmedizinern, die das Einfrieren von Eizellen anbieten. Das Register dieses Netzwerks von 2013 zeigt, dass Frauen zwischen 35 und 39 Jahren im Schnitt 11 bis 12 Eizellen haben einfrieren lassen. Die Zahl der Embryonen, die daraus entstehen und in die Gebärmutter transferiert werden können, wird auf 4,2 geschätzt. Etwa 35 Prozent der Frauen wird ein Kind zur Welt bringen, die anderen nicht - zum Beispiel, weil die Qualität ihrer Eizellen nicht gut genug ist oder sie den transferierten Embryo wieder verlieren. In der Gruppe der 40-bis 44-Jährigen liegt die geschätzte Chance, mithilfe von Social Freezing ein Kind zu bekommen, bei 15 Prozent.
Die medizinischen Nebenwirkungen seien überschaubar, sagt Professor Frank Nawroth, Reproduktionsmediziner in Hamburg. Das Risiko für eine Überstimulation während der Hormonbehandlung liegt bei einem Prozent, dasjenige für Verletzungen und Blutungen während der Entnahme der Eizellen bei 0,6 Prozent. Bislang wurde kein erhöhtes Gesundheitsrisiko für die Kinder festgestellt, die aus zuvor eingefrorenen Eizellen entstehen. Allerdings fehlen Langzeituntersuchungen.
Es gibt in Deutschland keine gesetzliche Altersgrenze, bis wann Frauen ihre Fertilitätsreserve nutzen dürfen. Viele Ärzte ziehen die Grenze, bis wann sie befruchtete Eizellen transferieren, bei 50 Jahren. Auch wenn eine Frau in höherem Alter mit jungen Eizellen gut schwanger werden kann, steigen die Risiken zum Beispiel für Bluthochdruck und Schwangerschaftsdiabetes stark.
2012 wurden 30 Frauen beraten und 22 von ihnen behandelt. 2013 wurden bereits 190 beraten und 134 behandelt. Diese Zahlen entstammen der Statistik der FertiProtekt-Zentren. Michael von Wolff schätzt, dass die Zahl aller durchgeführten Behandlungen in Deutschland dreimal so hoch ist.