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"Ich dachte, das ist meine Chance"

"Ich dachte, das ist meine Chance"
© Cornelia Wolter
Kinga Rybinska träumte schon immer davon, etwas mit Hunden zu machen. Sie kündigte ihren Job, zog nach Berlin und eröffnete einen Laden für selbstgenähte Hundeaccessoires.

Wir treffen Kinga Rybinska in ihrem Berliner Laden "Second Hound". Rybinska sitzt in ihrem kleinen Büro, das direkt an den Laden grenzt. Im Hintergrund stapeln sich Hundebetten und Hundespielzeug. Vor ihren Füßen liegt Shila, ihre siebenjährige Rottweiler-Hündin, und schnarcht. Sie heißt "Stinker".

BRIGITTE: Wie kamen Sie auf die Idee, aus alter Kleidung Hundezubehör zu nähen?

Kinga Rybinska: Das war in Freiburg. Ich wollte etwas Schönes für Stinker kaufen, aber bei "Fressnapf" gab es nur billige chinesische Plastikware. Deshalb habe ich angefangen, aus Stoffresten Spielzeug zu nähen.

Woher hatten Sie die Stoffreste?

Ich habe als Moderedakteurin gearbeitet und hatte drei Schränke voller Klamotten zu Hause. Vieles davon habe ich sowieso nicht getragen.

Was hat Sie dann nach Berlin verschlagen?

Ich wollte schon immer nach Berlin. Der Zeitpunkt war perfekt, ich war unzufrieden im Job und wollte was Eigenes wagen. Also habe ich meine Stelle gekündigt. Ich dachte, das ist meine Chance, solange ich noch unter 40 bin. Sonst wird vielleicht nichts mehr draus, weil ich zu faul oder zu ängstlich werde.

Und dann?

Dann habe ich mir eine Wohnung gesucht und eine Weiterbildung zur Hundetrainerin gemacht. Aber nur für mich privat. Ich bin schon mein ganzes Leben verrückt nach Hunden. Eigentlich wollte ich Tierärztin werden, das hat nicht geklappt. Deshalb habe ich nach anderen Wegen gesucht, um mit Hunden zu arbeiten...

... und dann haben Sie sich an die Sache mit dem Nähen erinnert?

Ja, ich habe für Stinker aus einem alten Sommermantel meiner Mutter eine Hundedecke genäht. Sie sah großartig aus, und ich dachte: Warum verkaufst du das nicht? Das ist doch die Geschäftsidee. Das wird der Hammer! Nachhaltiges für Hunde. Hundedecken und Spielzeug. Total innovativ! Weg von der billigen Massenware. Hin zu liebevoller Handarbeit. Für mich war das die perfekte Kombination: Hunde und Recycling. Alles, was ich liebe.

"Ich dachte, das ist meine Chance"
© Cornelia Wolter

Welche Materialien verwenden Sie denn so?

Stoffreste, alte Regenschirme oder Isomatten. Ich nehme auch Manschetten oder Hemdkragen, manches finde ich auf der Straße. Die Schaumstoffreste für die Hundebetten bekomme ich aus einer Polsterfabrik. Ich mache daraus Unikate, kein Schickimicki, keine Luxusartikel, sondern praktische Hundeaccessoires mit Geschichte.

Können Sie davon leben?

Na ja. Es ist ein Experiment. Als ich auf die Idee kam, war ich überzeugt davon, dass die Welt nur darauf gewartet hat. Ich habe mein Erspartes investiert und einen Laden gemietet. Aber so langsam merke ich: Das wird nichts in dieser Lage.

Woran liegt's?

Dass die Lage schwierig sein würde, wusste ich von Anfang an. Aber ich kann und will nicht einen Haufen Miete bezahlen. Ich dachte, mit ausreichend Marketing bekomme ich schon genug Kunden in den Laden. Aber ich muss wohl doch einen anderen Standort suchen. Es gibt hier im Kiez zwar viele Hundehalter, aber leider sind das wohl eher Leute, die Standardware statt Handarbeit kaufen.

Sie haben ja noch einen Online-Versand. Wie läuft der?

Zum Glück deutlich besser als der Laden. Viele sagen: Lass' den Laden, mach' nur den Online-Shop. Aber ich möchte das nicht. Der Laden ist mein Traum, es macht mich glücklich, ihn zu betreten. Ich möchte mit Menschen zu tun haben und ich finde, die Produkte muss man sehen und anfassen können. Ich bin von der Idee total überzeugt. Ich muss nur noch andere davon überzeugen.

Haben Sie sich eine Deadline gesetzt?

Manchmal denke ich, wenn ich nur genug Ausdauer hätte, dann kämen die Leute irgendwann. Aber offen gesagt bin ich mittlerweile auch ein wenig genervt von Berlin. Von dem bekannten Spruch "Arm, aber sexy" würde ich nur den ersten Part unterschreiben. Arm. Punkt.

Was gefällt Ihnen denn nicht?

Ach, der Lärm! Der Dreck! Alles ist improvisiert. Wenn ich mit Stinker Gassi gehe, liegt an jeder Ecke Glas. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig wird, ich dachte, Berlin ist meine Stadt.

Wenn Sie nochmal von vorne anfangen könnten - was würden Sie anders machen?

Ich wäre kritischer bei der Wahl des Standortes. Ich wollte den Laden damals so schrecklich gern haben, ich fand das Gebäude so schön und den Kiez. Und ich dachte, mit viel Liebe und Engagement werde ich es schaffen.

Haben Sie einen Plan B?

Im November läuft mein Mietvertrag aus. Wenn ich bis Dezember keinen bezahlbaren Laden in besserer Lage finde, ist es nicht ausgeschlossen, dass ich zurückgehe.

Zurückgehen? Wohin?

Nach Freiburg. Freiburg ist eine grüne Stadt und nicht ganz arm. Vielleicht schlägt mein Konzept dort besser ein. Und wenn nicht - ich habe noch viele andere Ideen in meinem Kopf.

Welche denn?

Das wird nicht verraten.

Interview: Björn Stephan

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