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Rhetorik für Frauen

Selbstsicher reden, überzeugen und sich durchsetzen - Frauen fällt das gerade im Beruf nicht leicht. Aber man kann es lernen: Brigitte.de-Redakteurin Julia Weidenbach hat ein Rhetorik-Seminar für Frauen besucht.

Neugierig beobachte ich die Seminarteilnehmerinnen. Sie wirken alle sehr selbstsicher, gewandt und erfahren. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie Probleme haben, sich sprachlich durchzusetzen. Ich bin gespannt, aber auch etwas nervös. Wir sollen uns kurz vorstellen und werden dabei gefilmt. Zuletzt habe ich mich auf einem Hochzeitsvideo ein paar Glückwünsche äußern sehen - schon das war ernüchternd.

Meine Sitznachbarin heißt Durdane. Sie arbeitet als einzige Frau im mittleren Management einer Firma, die Hörimplantate herstellt. Sie ist eine kleine, zierliche Person. Ihr Chef findet, dass sie sich in Besprechungen mehr einbringen könnte, sagt sie. Deshalb besucht sie das Seminar. Jetzt bin ich dran: Ich gebe mir Mühe, meine wenigen Worte mit ein paar Gesten zu unterstreichen. Durch Körpersprache strahlt man Sicherheit und Selbstbewusstsein aus, hat die Seminarleiterin Ute Höfer zuvor erläutert. Männer haben damit in der Regel weniger Probleme, sie nehmen selbstverständlich Raum ein. Ich komme mir unnatürlich vor: Meine Gesten wirken sicher übertrieben und aufgesetzt. Die anschließende Videoanalyse zeigt: Eigentlich habe ich gar keine Gesten gemacht. Ich nehme die Arme beim Sprechen nicht nach oben, zucke vielmehr halbherzig hin und wieder mit den Händen und mache kleine Fuchtelbewegungen. Die meiste Zeit hängen die Hände aber schlaff und kraftlos runter.

Keine falsche Bescheidenheit

Ute Höfer rät mir, etwas in die Hand zu nehmen, das gibt Sicherheit. Aber sie warnt auch: Ein loses Blatt Papier flattert leicht und verrät die Nervosität des Vortragenden, ein Kugelschreiber verleitet dazu, an ihm rum zu drehen. Die beste Lösung sind Karteikarten, auf die man ein paar Stichworte schreiben kann - oder einfach nur einen Smiley, der einem Mut macht.

Davon können die meisten von uns etwas mehr gebrauchen - mit der selbstbewussten Körpersprache tun sich auch die anderen schwer. Einige laufen unruhig hin und her, legen den Kopf zur Seite - eine Demutshaltung, wie wir lernen - oder ziehen unsicher die Schultern hoch. Aber unsere Diskussion über die Videoaufzeichnung zeigt auch: So schlecht, wie wir uns während der kurzen Vorstellungsrunde fühlten, waren wir nicht. Ein Versprecher, den man selbst als dramatisch empfunden hat, fällt in der Wiederholung kaum auf. Auch das Gefühl, vollkommen den Faden verloren zu haben, täuscht - niemand hat es bemerkt. Die Stimme zitterte vor Aufregung - auch das hat keiner gehört.

Ute Höfer bremst unsere Selbstkritik, denn die ist typisch weiblich: Wir haben große Erwartungen, wollen gleich alles perfekt machen und suchen grundsätzlich den Fehler bei uns. "Wenn Männer nicht schwimmen können, ist die Badehose schuld!" - begeistertes Lachen im Seminarraum. "Keine falsche Bescheidenheit", rät die Trainerin. "Männer schaffen sich viel selbstverständlicher Rahmenbedingungen, in denen sie sich wohl fühlen. Frauen machen sich viel zu viele Gedanken darüber, ob sie vielleicht als schwierig gelten könnten, oder anderen Umstände machen. Wenn Sie zum Beispiel mit einem Flippchart besser zurechtkommen als mit Powerpoint, dann benutzen Sie es. Auch wenn man Ihnen sagt, das sei nicht üblich."

Wir werden immer zuerst als Frau gesehen

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Ute Höfer weiß, wovon sie spricht. Seit über fünf Jahren gibt sie bei der Haufe Akademie Rhetorik-Seminare für Frauen. Die Nachfrage ist groß, die Seminare sind fast immer ausgebucht. Aber die Diplom-Pädagogin schult und berät vielseitig. Sie hat Mitarbeiter in der Metallindustrie ebenso gecoacht wie Politiker. Ute Höfer strahlt Sicherheit und Ruhe aus. Schon nach kurzer Zeit ist die Atmosphäre im Seminar locker, Probleme und Fragen werden offen diskutiert.

Zum Beispiel das Thema Kleidung: Eine Teilnehmerin hat ein Jaket mit zu langen Ärmeln an. Ein Detail, aber wichtig, denn es hat den Gesamteindruck gestört. "Wir treten immer zunächst als Frau auf, Männer als Fachmänner", gibt die Trainerin zu bedenken. "Das verdeutlicht die Diskussion um Angela Merkel. Mit dieser Tatsache müssen wir uns einfach auseinandersetzten. Was wir in welcher Situation anziehen, ist sehr wichtig."

Protest aus unseren Reihen: Muss man sich für wichtige Termine wirklich in ein Kostüm zwängen, wenn man sich viel lieber individuell, ausgefallen oder einfach bequem kleidet? Der Rat der Trainerin, die auch mit Stilberaterinnen zusammenarbeitet: Niemand sollte sich verbiegen, aber über die Wirkung seiner Kleidung muss man sich im Klaren sein. Und wer sich seiner Umgebung anpasst, hat es leichter. "Das richtige Outfit ist doch Teil der Show", stimmt Kerstin zu. Sie ist als Beraterin selbstständig und präsentiert regelmäßig vor ihren Kunden. Auch Durdane nimmt das Thema Kleidung wichtig: "Ich habe mich früher eher verhüllt. Aber mittlerweile habe ich viele Sachen, die zwar formell sind, aber trotzdem ausgefallen."

Männer reden, um sich darzustellen

Die nächste Übung überrascht uns zunächst: Wir sollen uns noch einmal vorstellen, diesmal ausführlicher und mit Vorbereitung. Aber die Wiederholung hat ihren Grund: Den meisten Frauen ist es unangenehm, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen und über sich zu sprechen. Deshalb sollen wir uns bewusst mit dieser Situation auseinander setzen. Und tatsächlich flüchten sich viele aus der Gruppe vor der Kamera in lange Ausführungen über den Beruf - und sprechen nicht über sich selbst.

Ich zum Beispiel halte einen Vortrag über den Online-Journalismus. Immerhin, den kurzen Auftritt vor der Kamera koste ich mehr aus als beim ersten Mal. Die Karteikarte in der Hand gibt mir tatsächlich mehr Sicherheit bei der Körpersprache. Auf einmal habe ich richtig viel zu sagen, aber die Stoppuhr tickt mit. Ich erhöhe mein Sprechtempo und überziehe dennoch hoffnungslos die vorgesehene Redezeit. In der anschließenden Diskussion loben die anderen zwar meine Stimme und Mimik. Aber ich war viel zu schnell, habe kaum Pausen eingelegt, um das Gesagte wirken zu lassen.

Bloß nicht zu viel über sich sagen, denkt sich wohl auch Olivia, die nach mir an der Reihe ist. Ausführlich schildert sie die komplizierten Abläufe in der Luftfahrttechnik, die die Sicherheit der Passagiere gewährleisten. „Meine eigenen Aufgaben kann ich ganz kurz zusammenfassen“, sagt sie und erwähnt nur nebenbei, was sie sonst alles erlebt und geleistet hat: Mehrere Jahre hat sie in Asien verbracht und dort in verschiedenen Bereichen gearbeitet, neben ihrem Vollzeitjob zieht sie allein zwei Kinder groß. "Nimm dich wichtiger, darüber hätten wir gerne mehr gewusst!", meint Durdane später

Wie Olivia machen sich viele von uns auch in ihrer Sprache kleiner als nötig mit Sätzen wie "Ich habe noch wenig Erfahrung", oder "Da kenne ich mich nicht so aus". Und vieles ist bei uns nur "ein bisschen", "vielleicht" oder "wenig" - typische Einschränkungen und Verniedlichungen in der weiblichen Sprache. Frauen werten sich selbst ab, bitten um Erlaubnis, reden leise und vorsichtig. Sie stellen viele Fragen, hören zu und nehmen ihr Gegenüber ernst. Frauen reden, um Beziehungen herzustellen. Männer dagegen benutzen Sprache, um sich selbst darzustellen. Sie neigen eher dazu, zu unterbrechen, den anderen zu überhören, das Thema zu wechseln oder ungehemmt eine Antwort zu geben, auch wenn sie sich nicht auskennen. Nachdenklich hören wir Utes Höfers Ausführungen zu, denn sie spiegeln vieles wieder, was wir gerade selbst gesehen haben.

Gut arbeiten reicht nicht, um weiter zu kommen

Aber sind das nicht auch Klischees? fragen sich jetzt einige. Vieles wird in diesem Seminar überzeichnet, um es zu verdeutlichen, das hat die Leiterin gleich zu Anfang klar gestellt. Es geht nicht darum, zu werten oder zu beurteilen. Für sich genommen, hat jedes Verhaltensmuster seine Vorteile. Ziel ist auch nicht, in Zukunft wie ein Mann zu kommunizieren. Die Unterschiede sollen uns klar werden, damit wir uns besser darauf einstellen können. Wieder nachdenkliche Gesichter, dann hat auf einmal fast jede etwas zu dem Thema zu sagen, von einer Erfahrung zu berichten: Da ist der Kollege, der nie Fehler eingesteht und nur Aufgaben übernimmt, für die es garantiert Lorbeeren gibt. Der Vorgesetzte, der keine starke Frau unter sich erträgt. Der Berater, der von einer "Brownpaper-Analyse" spricht, wenn er etwas auf braunes Papier notiert. Der Mitarbeiter, der automatisch für den Vorgesetzten gehalten wird. Der Kunde, der die einzige Frau im Beraterteam das Protokoll schreiben lässt.

Allen tut es gut, sich auszutauschen. Ute Höfer analysiert ruhig, gibt Ratschläge und macht Mut. Sicherlich wünschen sich einige, sie in die nächste Besprechung einfach mitnehmen zu können. Immer wieder berichtet sie auch von Erfahrungen aus anderen Seminaren: "Frauen möchten lernen, sich durchzusetzen, ohne andere zu verletzen. Männer haben viel weniger ein Problem mit Hierarchien. In der Gruppenarbeit klären sie als erstes, wer der Sprecher ist. Frauen dagegen ist wichtig, dass jede sich wohl fühlt, sie haben einen hohen Anspruch an die Solidarität." Still und sachorientiert arbeiten Frauen vor sich hin, fest überzeugt, dass sie schon jemand entdecken wird, wenn sie nur gut genug sind. Sie suchen sich Aufgaben, die ihnen Spaß machen oder sie befriedigen.

Männer hingen achten darauf, dass eine Aufgabe mit Prestige verbunden ist. "Klappern gehört zum Handwerk! Viele Frauen wehren sich gegen den Gedanken, ständig die eigene Position behaupten zu müssen. Aber besser es heißt über sie, 'Die hat Haare auf den Zähnen', als 'Man hört so wenig von Frau XY' ". Ute Höfer macht aber ebenso deutlich, dass auch die weiblichen Stärken viel bringen, wenn wir sie gezielt einsetzen: Zum Beispiel, wenn jemand absichtlich provoziert oder stört.

Sich gegen Angreifer und Besserwisser verteidigen

Im Seminar waren wir bisher ein wohlwollendes Publikum. Deshalb proben wir am Ende der zwei Tage den Ernstfall. In Dreier-Teams verteidigen wir ein Nonsense-Thema gegen Einwände aus dem Publikum. Meine Gruppe setzt sich dafür ein, dass Männer ab sofort Röcke tragen müssen. Die anderen kommen richtig in Fahrt, es hagelt Einwürfe, Fragen und Provokationen. Wir bemühen uns, an Ute Höfers Ratschläge zu denken: Sich nicht gleich persönlich angegriffen fühlen und in die Verteidigungsposition gehen. Sondern ruhig bleiben und nicht ärgern. Als Trainerin hat sie selbst viele solcher Situationen erlebt.

Ihr Erfolgsrezept: Die eigenen Fähigkeiten strategisch einsetzen. Frauen sind gut darin, einfühlsam mit anderen umzugehen und ihnen Aufmerksamkeit und Anerkennung zu schenken. Das kann man ausnutzen: "Wenn Sie wissen, dass Sie einen Vielredner oder Besserwisser in der Runde sitzen haben, rollen Sie ihm extra den roten Teppich aus. Geben Sie ihm ruhig das Gefühl, wichtig zu sein - aber dann, wenn es Ihnen passt. Fragen Sie ihn nach seiner Erfahrung oder Meinung." Ein anderer wichtiger Rat: die Auseinandersetzung als Spiel begreifen, die Herausforderung annehmen. Warum muss es eigentlich so fürchterlich sein, da vorne zu stehen? Ein Wortgefecht kann auch Spaß machen. Ute Höfer hat uns überzeugt. Wenn wir später, zurück an unseren Arbeitsplätzen, auch nur ein wenig vom Spaß und Eifer des Seminars mitnehmen können - dann Achtung Kollegen.

Test: Stehlen Männer mir im Job die Show?

Wie kommunizieren Sie im Berufsleben? Weiblich oder männlich? Haben Sie sich einige Strategien der Männer zueigen gemacht? Oder sind Sie ganz Frau, wenn es um Reden, Verhandeln und Vortragen im Beruf geht?

Hier geht es zum Test!

Checkliste

Spaßfaktor: Mittel, wir haben viel gelacht, das Seminar ist aber auch eine anstrengende Herausforderung.

Diskriminierungsfaktor: Gering, es geht nicht darum, die männlichen Verhaltensstrategien schlecht zu machen. Und Ziel ist auch nicht, die weiblichen abzulegen.

Würde ich meinen Freundinnen empfehlen: Auf jeden Fall - von einem Rhetorik-Training würden sie profitieren.

Für wen geeignet: Man sollte schon hin und wieder in der Situation gewesen sein, vor Leuten zu sprechen. Das Seminar richtet sich an Fach- und Führungskräfte.

Julia Weidenbach

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