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Warum führen Mütter Krieg gegeneinander?

Es scheint, als herrsche zwischen Müttern ein unbarmherziger Krieg - in Internetforen, in Artikel-Kommentaren oder beim Baby-Schwimmen. Diplompädagogin Friederike Otto erklärt, was dahinter steckt.

Und was sagt die Expertin dazu?

Friederike Otto
Die wissenschaftliche Leiterin des Forschungsverbundes Familiengesundheit an der Medizinischen Hochschule in Hannover ist Diplompädagogin und hat zwei erwachsene Kinder.
© privat

BRIGITTE: Wer Kommentare unter Artikeln über arbeitende Mütter liest, bekommt schnell den Eindruck, dass Frauen sehr unbarmherzig miteinander umgehen. Warum fällt es so schwer, andere Lebensmodelle zu tolerieren?

Friederike Otto: Dahinter steckt eine Unsicherheit. Jede Mutter hat sich für ein Lebensmodell entschieden: Vollzeit, Teilzeit oder keine Berufstätigkeit. Aber das ist nicht immer das Modell, das die Frauen gern hätten. Sie sind unsicher, ob ihr Weg auch der richtige ist.

Diese Unsicherheit führt zu Aggressionen gegenüber Frauen, die ein anderes Modell leben?

Ja. Frauen haben eine subtile Form der Aggression - auch untereinander. Das kann man schon von Kindheit an sehen. Wenn man das tiefenpsychologisch betrachtet, hat diese Konkurrenz der Mädchen etwas mit Existenzerhaltung zu tun. Ich sehe es so, dass die Frauen, die die freie Wahl haben, sich für einen bestimmten Lebensweg zu entscheiden, eher zufrieden sind und auch andere Frauen weniger angreifen - egal, ob sie berufstätig sind oder nicht.

Viele Mütter-Kommentare drehen sich um das Wohl der Kinder. Wenn die Aggressionen aber in Wahrheit auf Unsicherheiten basieren, spielt das dann überhaupt eine Rolle?

In der Aggressivität steckt die grundsätzliche Angst: Gedeihen meine Kinder gut? Daran wird ja scheinbar meine Qualität als Mutter gemessen. Wir haben speziell in Westdeutschland einen tiefsitzenden Mythos von der guten Mutter, mindestens seit den 50er Jahren. Und seit dieser Zeit bleibt die gute Mutter zu Hause. Nur die Rabenmutter schickt ihre Kinder in den Kindergarten, in die Krippe, in den Hort und ist nicht für sie da. Mütter, die in Ostdeutschland aufgewachsen sind, haben ein anderes Verhältnis zur Berufstätigkeit. Natürlich sind sie auch erschöpft, aber sie glauben nicht, dass das Kind unter dem Beruf leiden könnte. Wenn wir nach Frankreich oder in die skandinavischen Länder schauen, haben die Frauen ebenfalls kein schlechtes Gewissen. Sie sind sich sicher, dass es ihren Kindern in der Zeit, in der sie fremdversorgt werden, gut geht.

Wann gedeiht denn ein Kind gut? Solche Zuschreibungen funktionieren doch nicht, oder?

Ist das Kind psychisch gesund, ist es fröhlich, ist es psychisch stabil, hat es Freunde, ist es gut in der Schule? Alles, was das Kind als Fehlentwicklung zeigt, wird umgekehrt der Mutter angelastet. Nehmen wir ein Beispiel: Ein Kind wirft sich im Laden auf den Boden und schreit. Viele Mütter werden von anderen dann oft so angeschaut, als hätten sie ihr Kind nicht im Griff. Anstatt einfach zu sagen: Es ist halt das Trotzalter.

Muss sich also auch die gesellschaftliche Diskussion ändern?

Das braucht es natürlich auch: Wo werden Kinder toleriert? Wo dürfen sie laut sein und toben? Ein anderes gesellschaftliches Thema ist, dass Mütter in diesem Land die Wahl haben müssen, welchen Weg sie gehen wollen. Es muss möglich sein, eine Zeit lang mit einem Gehalt auszukommen, Alleinerziehende müssen abgesichert sein. Und die Kinderbetreuung muss so gut und bezahlbar sein, dass keine Mutter ein schlechtes Gewissen haben muss.

Was raten Sie Müttern, die einen Weg gehen müssen, den sie sich nicht ausgesucht haben?

Für diese Mütter ist es wichtig, ein bisschen weiter in die Zukunft zu blicken. Nehmen wir das Beispiel, dass eine Mutter unfreiwillig alleinerziehend ist und wenig Geld hat. Wenn das Kind klein ist, ist das eine harte Zeit. Aber auch dieses Kind wird größer, vieles im Leben ist nur eine Phase. Auch diese Mütter können irgendwann wieder einen Partner finden und in Familie leben. Dieser Gedanke kann vielleicht zur Entspannung beitragen. Eine zufriedene Mutter ist immer gut für das Kind. Wenn eine Mutter zu Hause bleibt, weil sie meint, dass dies richtig wäre, aber eigentlich unzufrieden ist, wirkt sich das negativ auf das Kind aus.

Warum bekriegen sich nur die Frauen untereinander? Sie könnten doch auch die Väter angreifen.

Die Väter greifen sie natürlich auch an, aber auf einer anderen Ebene - in der Partnerschaft. Und dort äußert sich das eher subtil durch Unzufriedenheit. In den Diskussionen tauchen Väter aber nur wenig auf. Ich bin mir sicher, dass sie auch Zielscheibe wären, wenn sie auch Kommentare schreiben würden.

Interview: Bianka Echtermeyer Portrait: privat

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