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Netzwerken im Internet: Bewerbung 2.0

Eigentlich sucht sie gar keinen neuen. Aber wenn irgendwann einer kommt, so ein ganz attraktiver, will sie schon mal vorbereitet sein. Im Web 2.0 kann das schnellgehen. BRIGITTE-Autorin Sina Teigelkötter macht sich deshalb fit für den Jobmarkt der Zukunft.

Psst . . . Ich muss etwas vorsichtig sein. Man weiß ja nie, wer heutzutage mitliest. Und mein Chef liest ziemlich viel. Trotzdem: Psst . . . Wollen Sie eine gute Autorin kaufen? Ja, ich weiß, das ist jetzt ein bisschen plump, aber wenn ich in Zukunft was werden will, muss ich im Selbstmarketing besser werden. Das ist eine der Lektionen, die ich bei meiner "Wo gibt's die Jobs der Zukunft?"-Recherche gelernt habe. Dazu gleich mehr. Erkenntnis Nummer eins scheint mir gerade noch wichtiger: Ich muss zum Internet-Junkie mutieren. Ohne das Netz geht nämlich gar nichts mehr. Schon jetzt werden ungefähr 80 Prozent aller Jobs online ausgeschrieben - zum Beispiel auf stellenmarkt.sueddeutsche.de, fazjob. net, monster.de, stepstone.de oder jobpilot. de. Sollte man sich angucken. Sind andere aber auch schon drauf gekommen.

"Haben Sie sich mal auf dem Marktplatz umgesehen?", fragt Karriereberaterin und Buchautorin Svenja Hofert (u. a. "Jobsuche und Bewerbung im Web 2.0"), die ich zwecks strategischer Beratung angemailt (!) habe. Äh, Marktplatz? Ja, ich kauf ab und zu im Biomarkt, da hängen schon mal Zettel am schwarzen Brett...

Ich Ahnungslose. Natürlich geht's auch hier ums Netz, genauer ums Business-Netzwerk Xing. Da gibt es nämlich einen virtuellen "Marketplace", auf dem Firmen und Personalberater inserieren und Stellen offerieren, die oft nirgendwo sonst zu haben sind.

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Ich bin sogar schon Mitglied, bis jetzt aber eher halbherzig dabei, habe dort ein paar Ex-Klassenkameraden virtuell wiedergetroffen, die ich bis dato nicht vermisst hatte, einige dubiose Kontaktversuche abgeschmettert, aber keinen Traumjob entdeckt. Auf dem "Marktplatz" werden gerade PHPEntwicklerinnen und Kalkulatorinnen für Betonsanierung gesucht. Leider weiß ich noch nicht mal, was das ist.

Spezialistinnen seien gefragt, sagt Svenja Hofert. Als Naturwissenschaftlerin, Technikerin oder IT-Fachfrau hätte ich es derzeit leichter. Als Medienfrau dagegen sei ich eine "Allrounderin". Da mir überdurchschnittliches Fach- und Methodenwissen fehle, müsse ich auf Vitamin B und Netzwerke setzen, die "Social-Networking-Plattform" noch strategischer nutzen. Immerhin tummeln sich hier weltweit mittlerweile mehr als sechs Millionen potenzielle Arbeitgeber, Kunden oder Referenzgeber. Täglich werden es mehr. Wer die auf sich aufmerksam machen wolle, müsse sich schon mehr einfallen lassen, als nur präsent zu sein.

Ich hole mir von der Bewerbungsfachfrau ein paar Tipps (siehe Ende des Artikels), die sich in etwa so zusammenfassen lassen: Ich muss aktiver werden und mehr Profil zeigen. Aber wie? Etwa so wie meine Ex- Mitschülerin Frauke Müller-Lauenstein*? Sie hat in ihrem Business-Profil vermerkt, dass sie in den Gruppen "Haustiere - die besten Freunde des Menschen", "Grappa - what else?", "Tattoo", "La dolce vita" und "Wo Wünsche wahr werden" Mitglied ist und außerdem noch in ca. 50 weiteren, darunter auch die Regionalgruppe Mettmann. Außerdem schickt sie mir jeden Morgen einen schlauen Spruch wie diesen in mein Postfach: "Viele Menschen verachten den Reichtum, aber nur wenige sind stark genug, auf ihn zu verzichten."

Ich gehöre leider auch zu diesen Schwachen, denn ich will noch immer den Traumjob mit Traumgehalt - und ab sofort nicht mehr von der hyperaktiven Frauke gestalkt werden. Ich entferne sie aus meinen Kontakten - und arbeite weiter an meiner zukünftigen Karriere. Eines kann ich mir von Frauke nämlich doch abgucken: die Hallo-hier-bin-ich-Haltung.

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Nachdem ich noch ein paar weitere Expertinnen - ganz altmodisch - per Telefon kontaktiert habe, steht fest: Ich muss mich geschickter vermarkten, wenn ich in Zukunft Karriere machen will. Im großen, weiten und oft anonymen Web wird nur sichtbar, wer sich als gutes Produkt präsentiert. Mein Ziel ist dank Expertenhilfe schnell definiert: Liest und hört jemand künftig meinen Namen, sollen ihm sofort fünf bis sechs Stichworte zu mir einfallen. Möglichst ganz positive und einzigartige natürlich. Also eher: "Schreibt aufwändig recherchierte Analysen zum Jobmarkt der Zukunft" statt "Textet ganz gern".

Mein Beispiel hilft Ihnen nicht weiter, weil Sie Krankenschwester sind? Okay, dann zu Ihnen: Sprechen Sie vielleicht auch eine Fremdsprache? Dann sind Sie ab jetzt diejenige, die ausländische Patienten besonders gut betreuen kann! Oder sind Sie eine besonders gute Motivationskünstlerin? Im Team immer der kreative Kopf? Verkauft sich auch nicht schlecht.

Nicht zu vergessen Ihre heimlichen Leidenschaften: (Fast) alles Außergewöhnliche ist gut. Im Internet-Unternehmen Google fragt man Bewerberinnen und Bewerber heute schon gezielt nach ihrer "googliness", nach dem nämlich, was sie als besonderes "Plus" mitbringen: War jemand mal Pfadfinder, hat ein Kurzfilmprojekt betreut oder beim Kindergartenfest der Tochter als Clown begeistert? In Zukunft werden solche individuellen Bonuspunkte noch wichtiger. Okay, okay, ich sammle ja schon fleißig. Wie's aussieht, muss ich mich zu einer jagenden Sammlerin entwickeln: All meine Expertinnen legen mir schließlich nämlich auch noch ans Herz, mir viele gute Referenzen zu suchen und sie mir möglichst warmzuhalten, sprich: mich richtig gut zu vernetzen.

Empfehlungen spielten zukünftig eine große Rolle, so die einhellige Meinung. Ist ja nur logisch: Wie soll ein potenzieller Arbeitgeber im WorldWide- Web auch sonst unterscheiden, wer bloß mal großspurig behauptet, eine Heldin der Arbeit zu sein, und wer wirklich eine ist? Darum: Würden Sie mich bitte freundlicherweise weiterempfehlen?

Aber beeilen Sie sich lieber damit. Vielleicht gehe ich schon bald ins Ausland. Meine Expertinnen erwähnten nämlich beiläufig, dass sich der Jobmarkt noch stärker internationalisieren wird. Nicht nur in Dublin werden gerade viele Deutsche gesucht...

Aber erst mal wandere ich ins nächste Café aus. Ganz schön anstrengend, so ein Blick in die Karriere-Kristallkugel. Was man alles tun könnte, müsste, sollte - wenn man ganz viel Zeit und noch mehr Veränderungswillen hätte. Am besten gefällt mir darum die Grundidee, die hinter diesen Bewerbungstrends steht: Ich suche nicht. Ich bin präsent - und lasse mich einfach finden.

Wenn mein Profil erst aussagekräftig und geschärft, mein Netzwerk geknüpft und aktiv ist, wer weiß, vielleicht mailt mir ja schon bald einer der vielen Personalberaterinnen, Recruiter und Personaler, die täglich im Netz und seinen Netzwerken unterwegs sind: "Ihr Profil klingt interessant. Haben Sie Lust, sich bei uns zu bewerben?" Aber vorher würde mich doch noch eins interessieren: Kennen Sie nicht zufällig jemanden, der meine zukünftige Chefin kennt?

Erfolgreich in Business-Netzwerken unterwegs sein - so wird's gemacht:

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Nutzen Sie Kontakte, statt sie nur zu sammeln: Mailen Sie interessante Kontakte aktiv an, bitten Sie um Informationen oder Empfehlungen - und tun Sie anderen auch Gefallen, wenn Sie darum gebeten werden. Auch in neue Branchen, die Sie interessieren, können Sie so Schritt für Schritt Kontakte knüpfen.

Erstellen Sie ein aussagekräftiges Profil: Nutzen Sie die Chance, Ihre Erfahrungen und Interessen steckbriefartig zu veröffentlichen. Damit können Sie anderen zeigen, was Sie zu bieten haben. Je konkreter und individueller, desto besser. Ein gutes, vom Profi aufgenommenes Foto gehört zu einem Businessprofil wie zu einer "konventionellen" Bewerbung.

Positionieren Sie sich als Expertin: Melden Sie sich zu Wort bei Themen, die Sie interessieren, mischen Sie in Foren und Gruppendiskussionen mit, dokumentieren Sie Ihr Spezialwissen in einem Blog, einem öffentlichen Journal - und machen Sie sich damit zur Expertin in eigener Sache.

Verlinken Sie sich: Weisen Sie andere auf Zusatzinformationen im Netz über sich hin, etwa auf eine eigene Homepage, einen Podcast oder Videos, die Sie gedreht haben. Aber Vorsicht: Das sollte professionell gemacht sein und nur Inhalte zeigen, die in Ihrem Sinne sind. Tipps von Svenja Hofert (www.karriereundentwicklung.de)

Die schlimmsten Patzer, die besten Portale: Hier gibt's noch mehr Tipps zur Online-Bewerbung.

Fachliche Beratung: Pia Baumeister, Personal-Recruiterin bei Google; Svenja Hofert, Karriereberaterin; Prof. Dr. Christina Schachtner, Kommunikationswissenschaftlerin und Autorin von "Erfolgreich im Cyberspace"; Inken Stavenhagen, Bereichsleiterin Recruiting und Beratung Personal bei der Otto Group; Dr. Constanze Wachsmann, Seniorberaterin bei der Personalberatung Kienbaum

Text: Sina Teigelkötter Illustrationen: Rahel Arnold Foto: Yuri Arcurs/Dreamstime.com Ein Artikel aus der BRIGITTE 25/08

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