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Was tun, wenn aus Kollegen Feinde werden?

Frustrierte Frau bei der Arbeit
© Mivolchan19 / Shutterstock
Mobbing am Arbeitsplatz kann Menschen krank machen. Was können Opfer tun? Kann man der Schikane auch vorbeugen? Darüber sprachen wir mit der Psychologin Bärbel Wardetzki.

Bärbel Wardetzki, Psychologin und Autorin des Ratgebers "Kränkung am Arbeitsplatz - Strategien gegen Missachtung, Gerede und Mobbing", erklärt im Interview, wie sich die Opfer aus der Mobbing-Spirale befreien können und warum es so wichtig ist, selbst die Initiative zu ergreifen.

BRIGITTE.de: Wir alle kennen Kränkungen und Ärger mit Kollegen im Arbeitsalltag. Wann beginnt ein Konflikt wirklich zu Mobbing zu werden?

Bärbel Wardetzki: Tatsächlich sprechen Leute heute schnell von Mobbing, obwohl es sich nur um einen normalen Konflikt handelt. Mobbing ist ein langer Prozess, der sich über Monate hinziehen kann. Ein typisches Beispiel: Nehmen wir an, eine Frau fängt neu bei einer Firma an und kennt die Gepflogenheiten dort noch nicht. Sie geht davon aus, dass alle Kollegen miteinander Mittag essen. Als diese jedoch einfach losgehen, ohne sie zu fragen, ist sie beleidigt und macht ein böses Gesicht. Daraufhin denken die Kollegen wiederum, dass die Neue ganz schön unfreundlich sei, und ziehen sich zurück. Die Neue wird noch gekränkter, es kommt zu Lästereien und so weiter. So entsteht eine Spirale aus verletzten Gefühlen und Missverständnissen, die sich immer weiter zuspitzt. Am Ende womöglich so weit, dass die Kollegen die Frau loswerden wollen.

Gibt es an diesem Punkt der Mobbing-Spirale noch eine Möglichkeit, die Konflikte friedlich zu lösen?

Nein, ich würde der Frau empfehlen, die Firma zu verlassen. Natürlich kann man versuchen, den Arbeitsplatz rechtlich zu erstreiten, und hätte auch gute Chancen. Aber die Betroffene wird in dieser Firma kein Ansehen mehr bekommen. Man muss schon einigermaßen in die Belegschaft eingebettet sein, um gut arbeiten zu können. Das wird jemand, der einmal so an den Rand gedrängt wurde, kaum wieder erreichen. Die Unzufriedenheit wird also nur stärker werden, bis das Mobbing-Opfer womöglich seelisch und körperlich erkrankt.

Bärbel Wardetzki
Diplom-Psychologin Bärbel Wardetzki arbeitet in München als Psychotherapeutin, Supervisorin und Autorin.
© Dr. Birgit Lammersen

Kann man Mobbing schon in den Anfängen wehren oder auch vorbeugen?

Das ist möglich. Sobald ich das Gefühl habe, abgelehnt und ausgeschlossen zu werden, sollte ich mir so schnell wie möglich Hilfe von außen holen. Das kann ein Coach sein, der Betriebsrat, eine Gewerkschaft oder eine unabhängige Mobbing-Beratung. Zusammen kann man sich dann anschauen, welchen Teil ich selbst zu der Situation beigetragen habe, welchen Teil die anderen beitragen, und wo mein Stand in dieser Firma ist. Es kann ja auch sein, dass die Probleme gar nichts mit mir persönlich zu tun haben. Vielleicht bin ich nur zufällig auf einen 'Schleudersitz' geraten, und es gibt systemische Gründe dafür, dass die Leute in dieser Position immer wieder gehen müssen. Das alles sollte man sich mit einem Experten anschauen und dann gemeinsam Handlungsstrategien entwickeln.

Sie schreiben in Ihrem Buch*: "Wir selbst sind es, die entscheiden, ob uns eine Bemerkung oder Handlung negativ berührt oder nicht, es ist nicht der andere." Bin ich also gar nicht so sehr passives Opfer, wie ich mich fühle?

Natürlich gibt es Leute, die einfach unverschämt sind und die andere Menschen vorsätzlich verletzen. Aber ob ich mich dadurch gekränkt fühle oder ob ich mich dem selbstbewusst entgegenstelle, das liegt in meiner Macht. Je mehr ich in mir ruhe, je mehr ich dafür kämpfe, dass das Arbeitsklima gut bleibt, umso größer sind die Chancen, dass Konflikte gelöst werden und Mobbing gar nicht erst entsteht.

Sich zu wehren ist aber gar nicht so einfach, wenn man ausgegrenzt und gekränkt wird. Oft fühlt man sich so verletzt, dass man kaum klar denken kann.

Dann ist es umso wichtiger, sich Hilfe zu holen. Denn für diese starken Gefühle kann es auch historische Gründe geben. Vielleicht wurde in der Familie viel gestritten, vielleicht war man als Kind immer der Prellbock, vielleicht wurde man schon in der Schule ausgegrenzt. Auch solche Gründe und Verhaltensmuster kann man zusammen mit einem Experten herausfinden und dann für die erwachsene Person Strategien entwickeln, die einen stärker machen. Wichtig ist immer, dass ich nicht als passives Opfer ausharre, sondern aktiv werde und versuche, meine Situation zu ändern.

Kann ich auch Hilfe bei meinem Vorgesetzten suchen?

Das kommt sehr auf den Vorgesetzten an. Es gibt wunderbare Chefs, die dankbar sind, wenn sie auf so etwas angesprochen werden. Es gibt aber auch Chefs, die gar kein Ohr dafür haben, und es gibt Chefs, die selber mobben. Bei letzteren bekomme ich natürlich keine Hilfe, die sollte ich woanders suchen. Grundsätzlich trägt der Vorgesetzte eine große Mitverantwortung bei Mobbingfällen. Gute Chefs gucken nicht weg, sie tragen Sorge für ihre Mitarbeiter und greifen ein, wenn es zu starken Konflikten kommt. In Abteilungen mit solchen guten Chefs gibt es in der Regel auch kein Mobbing.

Angenommen, das Verhalten eines Kollegen hat mich gekränkt. Sollte ich ihn sofort darauf ansprechen?

Nein, bei jeder vermeintlichen Kränkung gleich das Gespräch zu suchen, ist auch nicht hilfreich. Dann mache ich mich womöglich erst recht unbeliebt. Wir sind ja erwachsene Menschen und müssen lernen, mit Frustration umzugehen. Eine Kränkung ist ja noch kein Mobbing. In solchen Fällen sollten wir erstmal in uns gehen und uns fragen, warum das so wehgetan hat und ob es wirklich so schlimm war, wie es im ersten Moment schien. Erst wenn die Kränkungen wiederholt auftreten, kann man den Kollegen darauf sachlich ansprechen.

Auslöser von Konflikten im Job sind oft auch Konkurrenz und Rivalität. Haben Frauen ein größeres Problem damit als Männer?

Meiner Ansicht nach sind Frauen im Umgang mit Konkurrenz im Beruf noch etwas ungeübt. Konkurrenz findet bei ihnen eher indirekt statt. Das reicht vom Lästern über Rivalinnen bis hin zum so genannten Zickenkrieg. Es ist aber wichtig, dass Frauen lernen, sportlicher mit Konkurrenz umzugehen und zu erkennen, dass sie uns auch weiterbringt. Der Wettstreit mit anderen hilft mir dabei, etwas Neues zu lernen. Ich möchte das, was andere können, auch lernen und erweitere so meine Kompetenz. Insofern ist Konkurrenz eigentlich etwas Gutes, was sehr befruchtend sein kann und auch Spaß bringt. Es setzt aber voraus, dass ich die Stärken anderer anerkennen kann, ohne mich dabei schlechter zu fühlen.

Angenommen, ich habe in einer Firma Mobbing erlebt und deshalb den Job gewechselt. Wie kann ich verhindern, dass am neuen Arbeitsplatz das Gleiche passiert?

Es ist sinnvoll, sich vorher von einem neutralen Experten beraten zu lassen und genau zu analysieren, was schief gelaufen ist. Daraus kann ich ableiten, wie ich mich verhalten kann, um Mobbing zu vermeiden. Das ist ein schwieriger Prozess. Ich kenne Fälle, bei denen es nicht gleich geklappt hat, weil die Personen wieder in alte Verhaltensmuster geraten sind. Aber die Aufarbeitung des Vergangenen ist ein wichtiger Schritt, der mich auf jeden Fall weiterbringt.

* Bärbel Wardetzki, "Kränkung am Arbeitsplatz - Strategien gegen Missachtung, Gerede und Mobbing", dtv, 8,90 Euro

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