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Karriere? Nein, danke!

Eine Frau hat keine Lust, Karriere zu machen. Unerhört, oder? BRIGITTE-Redakteurin Meike Dinklage ist da anderer Meinung.
Karriere? Nein, danke!
© nicolasberlin / photocase.com

Neulich traf ich meinen alten Bekannten Theo wieder. Ich freute mich, Theo ist einer, den ich gern treffe, weil er ehrlich über sich spricht. Wir klärten schnell, wo jeder gerade steht im Leben. Theo erzählte, dass er sich seit einiger Zeit frage, ob zwischen ihm und seiner Frau Lisa alles in Ordnung sei. Es war nur so ein Gedanke und viel zu unausgegoren, um es ernsthaft mit Lisa zu besprechen. Aber trotzdem beschäftigte es ihn. "Lisa hat nämlich überhaupt keine Lust auf Karriere." Ich schaute überrascht, Theo sagte: "Inzwischen sitzt doch in gefühlt jeder dritten Firma eine Frau auf dem Chefsessel, aber Lisa will nicht mal ihre Abteilung leiten. Interessiert sie einfach nicht." - "Ist doch sympathisch", sagte ich. " Einerseits", sagte Theo, "aber andererseits - im Trend sind wir damit nicht." Interessant. Das hatte ich so von einem Mann noch nicht gehört. Männer, die sich darüber beklagen, dass ihre Frauen zu wenig unternehmen, um wieder in den Job einzusteigen, wenn die Kinder älter werden - ja, das kenne ich. Aber ein heiles Leben, Mann, Frau, Kind, beide Eltern fest angestellt, auf das ein Schatten fällt, weil sich die Frau nicht Marissa-Mayer-mäßig allen denkbaren Doppel- und Dreifachbelastungen aussetzen will? Wo stehen die Männer heute, wenn ihnen das Sorgen macht?

Theo und Lisa wohnen in einem Viertel, in dem alle Paare Kinder haben und mindestens ein Elternteil gerade eine bemerkenswerte Mittdreißiger-Karriere hinlegt. Die Frauen werden Juniorpartnerin oder Projektleiterin; Lisa freut sich für sie, ohne deren Erfolge irgendwie auf sich zu beziehen. So wie Theo den Aufstieg der Männer um ihn herum stets unbeschwert als "anderes Lebensmodell" abgetan hat. Bis jetzt.

300 Managerinnen wurden befragt. Nicht eine, die sich mit 50 Jahren nicht verschlissen fühlt!

Ich habe mich immer gefragt, wie die ganze Diskussion um Quoten und den weiblichen Führungsanspruch auf die Männer wirkt. Dies war die Antwort: Sie sind verwirrt. Sie denken, dass alle Frauen diesem neuen Erfolgstyp nacheifern und in mehr Geld und mehr Macht ihre Erfüllung sehen müssten - auch wenn sie selbst so ein Leben gar nicht attraktiv finden. Sie glauben, dass Karriere-Wollen ein feministisches Statement ist, ein Muss. Aber das ist es nicht. So toll es ist, dass Frauen so viele Chancen haben wie nie: Bei der Quote geht es vor allem ums Prinzip, um das, was sie in den Köpfen ändert. Karriere ist nicht plötzlich zum verpflichtenden Lebensmodell geworden, und nicht jede Frau will in einen Aufsichtsrat oder an die Firmenspitze oder wäre dort richtig. Schon gar nicht, wenn sie glücklich ist in ihrem ganz normalen Leben. Die gibt es nämlich auch, Frauen wie Lisa, die dem Rattenrennen lieber vom Fenster aus mit einer Tasse Kaffee in der Hand zusehen. Eine Soziologin hat unlängst 300 Erfolgsfrauen über 50 befragt, also Frauen, die sich seit Jahren durchbeißen. Erschütternde 40 Prozent sagten, sie führten täglich einen zermürbenden Kampf um Anerkennung - der Rest hatte innerlich ohnehin schon gekündigt oder prüft gerade, wie er sich in die Selbständigkeit verabschieden kann. Nicht eine Managerin unter 300, die mit 50 nicht verschlissen ist!

Das sagte ich auch Theo, er nickte, war aber noch nicht beruhigt: "Kann ja auch sein, dass es an mir liegt. Womöglich stehe ich Lisa im Weg. Ob ich sie zu wenig ansporne?" Da musste ich lachen. Über diesen liebenswerten neuen Mann, der alles richtig machen will, aber dem die Verunsicherung so tief in den Knochen sitzt, dass er glaubt, sogar daran schuld zu sein, wenn eine Frau ihre eigenen Prioritäten im Leben setzt und ihn nicht mit Karacho überholt.

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Meike Dinklage, 47. Sie war lange selbst der Auffassung, dass eine Frau schon aus politischen Gründen austesten sollte, wie weit sie es nach oben schafft. Aber viele Gespräche mit Frauen, die das nicht glücklich macht, haben sie umdenken lassen.

Text: Meike Dinklage BRIGITTE 10/2013

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